BGH Beschluss v. - NotSt (Brfg) 3/20

Disziplinarverfahren gegen einen Notar: Gebot der notariellen Unabhängigkeit im Rahmen des Urkundenvollzugs

Gesetze: § 53 BeurkG, § 14 Abs 1 S 2 BNotO, § 14 Abs 3 S 2 BNotO, § 15 Abs 2 GBO

Instanzenzug: OLG Celle Az: Not 15/19

Gründe

I.

1Der 1950 geborene - disziplinarrechtlich einmal wegen Verstoßes gegen das Mitwirkungsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BeurkG in Erscheinung getretene - Kläger beurkundete am einen Grundstückskaufvertrag, der in § 8 die Auflassungserklärungen, den Antrag der Käuferin auf Eintragung der Rechtsänderung sowie die entsprechende Bewilligung - jedoch keinen eigenen Antrag - des Verkäufers enthielt. Dementsprechend beantragte der Kläger die Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt. Die Kaufvertragsparteien gerieten nach der Beurkundung in Streit miteinander, woraufhin die Käuferin den Kläger ersuchte, den Antrag wieder zurückzunehmen. Der Verkäufer trat dem entgegen. Nachdem die Käuferin selbst den Antrag auf Eigentumsumschreibung zurückgenommen und das Grundbuchamt das Vorliegen eines Eintragungshindernisses festgestellt hatte, legte der Kläger beim Grundbuchamt - erfolglos - Beschwerde ein. Anschließend beantragte er - nunmehr im Namen und Auftrag des Verkäufers - die Umschreibung des Eigentums, ohne die Käuferin davon zu benachrichtigen. Das Grundbuchamt nahm daraufhin die entsprechende Eintragung vor. Die Beklagte, die auf den Sachverhalt durch eine Beschwerde der Käuferin aufmerksam geworden war, verhängte gegen den Kläger mit der angefochtenen Disziplinarverfügung eine Geldbuße von 7.500 €. Auf die dagegen erhobene Klage hat das Oberlandesgericht, das eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung wegen Verstoßes des Klägers gegen das Gebot der Unparteilichkeit bejaht hat, die Geldbuße auf 4.000 € ermäßigt. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung. Inzwischen hat er die Altersgrenze erreicht und ist aus dem Notaramt ausgeschieden.

2Nachdem die Präsidentin des Landgerichts Bückeburg mit Verfügung vom das Disziplinarverfahren eingestellt hat, haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

II.

31. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien ist das Verfahren einzustellen und die Unwirksamkeit des in erster Instanz ergangenen Urteils des Oberlandesgerichts auszusprechen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO [analog] beziehungsweise § 173 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO [analog] jeweils in Verbindung mit § 3, § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG und § 109 BNotO; vgl. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl., vor § 124 Rn. 43 und R.P. Schenke aaO § 161 Rn. 15 mwN).

42. Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 3, § 77 Abs. 1 BDG, § 109 BNotO ist nunmehr nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Danach sind die Kosten des zweiten Rechtszuges dem Kläger aufzuerlegen und die Kosten erster Instanz - entsprechend dem Urteilsausspruch des Oberlandesgerichts - gegeneinander aufzuheben.

5a) Zwar hat sich die Beklagte durch die Einstellung des Disziplinarverfahrens - und die damit zugleich zum Ausdruck gebrachte Aufhebung der Disziplinarverfügung - freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben. Dies ist vorliegend aber ohne Relevanz. Denn Grund dafür war allein, dass der Kläger infolge seines altersbedingten Ausscheidens aus dem Notaramt (§ 48a BNotO) nicht mehr dem persönlichen Geltungsbereich der disziplinarrechtlichen Bestimmungen der Bundesnotarordnung unterfällt und mithin die disziplinarrechtliche Verfolgbarkeit des ihm angelasteten Disziplinarvergehens weggefallen ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom - NotSt(Brfg) 3/18, BeckRS 2018, 43112 Rn. 3 und vom - NotSt(Brfg) 1/11, BGHZ 190, 278 Rn. 5).

6b) Für die Kostenentscheidung maßgebend ist, dass der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ohne sein Ausscheiden aus dem Notaramt und die daraufhin erfolgte Einstellung des Disziplinarverfahrens keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

7aa) Zu Recht ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass der Kläger gegen das ihm obliegende Gebot der Unparteilichkeit (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO) - ein das Notaramt schlechthin prägendes Wesensmerkmal (vgl. zB Senat, Beschluss vom - NotSt(Brfg) 2/12, DNotZ 2013, 310 Rn. 17; Frenz in Frenz/Miermeister, Bundesnotarordnung, 5. Aufl., § 14 BNotO Rn. 7) - verstoßen hat, indem er zumindest den Anschein erweckte, sich gegenüber dem Grundbuchamt einseitig für die Interessen des Verkäufers eingesetzt zu haben.

8(1) Das Oberlandesgericht hat es als pflichtwidrig angesehen, dass der Kläger ungeachtet des entgegenstehenden Willens der Käuferin, die ihren Antrag auf Eigentumsumschreibung wirksam zurückgenommen hatte und an dem Vertrag nicht mehr länger festhalten wollte, einen neuen - nunmehr im Auftrag des Verkäufers gestellten - Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt eingereicht hat, ohne die Käuferin darüber zu informieren und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zur Einlegung von Rechtsbehelfen zu geben.

9(2) Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden.

10(a) Den Eintragungsantrag des Verkäufers beim Grundbuchamt gestellt zu haben, konnte dem Kläger indessen als solches nicht vorgeworfen werden. Denn er war gemäß § 53 BeurkG zum Vollzug der von ihm beurkundeten Willenserklärungen verpflichtet. Dem stand die Rücknahme des Eintragungsantrags der Käuferin nicht entgegen. Bei Vollzugsreife des Vertrages hat der Notar unverzüglich die notwendigen Erklärungen und Bewilligungen beim Grundbuchamt einzureichen (Winkler, Beurkundungsgesetz, 19. Aufl., § 53 Rn. 16 f; Seger in Armbrüster/Preuß/Renner, Beurkundungsgesetz und Dienstordnung für Notarinnen und Notare, 8. Aufl., § 53 BeurkG Rn. 1, 16, 21). Die Einreichungspflicht besteht jedenfalls gegenüber den im Sinne von § 6 BeurkG formell am Urkundsgeschäft Beteiligten (Seger aaO Rn. 19; Herrler in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Beurkundungsgesetz Rn. 654). Zur Vorlage ist der Notar nur dann nicht verpflichtet, wenn "alle Beteiligten gemeinsam etwas anderes verlangen". Vorliegend haben die Beteiligten dem Kläger in der Urkunde den gemeinsamen Treuhandauftrag erteilt, die Eintragung des Eigentümerwechsels erst zu beantragen, wenn ihm die Zahlung des Kaufpreises schriftlich nachgewiesen war (sogenannte Vorlagesperre; vgl. Seger aaO Rn. 33). Von einem solchen (gemeinsamen) Treuhandauftrag darf der Notar nicht aufgrund einseitiger Weisung eines Beteiligten abweichen. Die Urkundsbeteiligten können den Notar nur gemeinsam anweisen, den Urkundenvollzug - (weiterhin) einstweilen oder vollständig - auszusetzen (Seger aaO Rn. 30 f; Winkler aaO Rn. 22 f; Herrler aaO Rn. 657; Lerch, Beurkundungsgesetz, 5. Aufl., § 53 Rn. 13, 16). Dementsprechend ist der einseitige Widerruf einer Vollzugsanweisung - von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen abgesehen - regelmäßig unbeachtlich. Der Notar darf den Vollzug deswegen nicht aufschieben (Winkler aaO Rn. 25).

11Von diesem dem Notar erteilten Auftrag ist die - nur verfahrensrechtlich bedeutsame - Rücknahme der Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt zu unterscheiden. Die wirksame Rücknahme des Eintragungsantrags der Käuferin berührte die materiell-rechtlichen Erklärungen in der Urkunde nicht (§ 873 Abs. 2 BGB; vgl. auch Hügel/Reetz, Grundbuchordnung, 4. Aufl., § 13 Rn. 133; Demharter, Grundbuchordnung 31. Aufl. § 13 Rn. 39) und stand mithin der sich aus dem Vertrag ergebenden Pflicht zum Vollzug des Vertrages ebenso wenig entgegen wie der nachträglich geänderte Wille der Käuferin. Durchgreifende - dem Kläger bekannt gewordene - Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des beurkundeten Geschäfts, die dessen Vollzug hätten entgegenstehen können, sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Neutralität liegt in dem Urkundenvollzug mithin gerade nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstößt der Notar, der seiner Amtspflicht zur Einreichung vollzugsreifer Urkunden nachkommt, im Übrigen selbst dann nicht gegen seine Pflicht zu unabhängiger und unparteiischer Betreuung aus § 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BNotO, wenn ein Beteiligter die Wirksamkeit der zu vollziehenden Erklärung mit beachtlichen Gründen bestreitet (, NJW 2020, 610 Rn. 40).

12(b) Allerdings hat das Oberlandesgericht dem Kläger unter den hier gegebenen besonderen Einzelfallumständen zu Recht angelastet, die Käuferin nach Rücknahme ihres Antrags nicht über den nunmehr namens des Verkäufers gestellten Umschreibungsantrag und die Absicht, ihn beim Grundbuchamt einzureichen, unterrichtet zu haben.

13Dazu bestand aus folgenden Gründen Veranlassung:

14§ 8 der Vertragsurkunde enthielt ausdrücklich nur einen Antrag der Klägerin auf Eintragung der Rechtsänderung nebst entsprechender Bewilligung des Verkäufers. In einem solchen Fall kann, wenn der Notar - wie vorliegend - den Antrag nur wiederholt, gerade nicht unterstellt werden, er sei im Sinne von § 15 Abs. 2 GBO im Zweifel für alle Antragsberechtigten gestellt worden (vgl. Wilke in Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl., § 15 Rn. 9). Diesen nur in ihrem Namen gestellten Antrag hatte die Käuferin gegenüber dem Grundbuchamt jedoch wirksam wieder zurückgenommen. Damit hatte sie aus ihrer Sicht alles getan, um die - mittlerweile von ihr unerwünschte - Eigentumsumschreibung zu verhindern. Wenn der Kläger in dieser konkreten Situation von dem in der notariellen Urkunde vorgezeichneten Weg abweichen und stattdessen - was aus den vorstehenden Gründen als solches nicht zu beanstanden ist - einen Umschreibungsantrag im Auftrag des Verkäufers stellen wollte, musste er sie davon unterrichten. Denn es liegt auf der Hand, dass die Käuferin glaubte, durch die Antragsrücknahme die Eigentumsumschreibung zumindest vorläufig unterbunden zu haben. Mit dem - in die Urkunde gerade nicht aufgenommenen - Antrag des Verkäufers musste sie nicht ohne weiteres rechnen. Auf diese Weise nahm der Kläger der Käuferin, von der er wusste, dass sie die Auffassung vertrat, der Vertrag sei unwirksam, die Möglichkeit, gegebenenfalls im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen die Eintragung vorzugehen, sondern stellte sie vor vollendete Tatsachen. Dass dies - ungeachtet der Frage, ob ein gerichtliches Vorgehen der Käuferin hätte Erfolg haben können - den Eindruck erwecken konnte, er begünstige einseitig die Interessen des Verkäufers, der anders als die Käuferin in die Vorgänge einbezogen worden war, musste sich dem Kläger aufdrängen. Dies gilt umso mehr, als er auf vorherige Eingaben der Käuferin entweder gar nicht oder nur unwirsch reagiert hatte.

15Gegenstand des dem Kläger zu machenden Vorwurfs ist daher nicht, wie er mit den verschiedenen Anträgen umgegangen ist, sondern die - in dieser Konstellation gebotene - fehlende Information der Käuferin, die ihr in Verbindung mit den sonstigen Umständen der Vertragsabwicklung Anlass zu der Befürchtung gab, der Kläger stehe auf der Seite des Verkäufers, auch wenn dies objektiv unbegründet gewesen sein mag. Als unabhängiger und unparteiischer Betreuer aller Beteiligten darf sich der Notar jedoch nicht einmal den Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit geben (vgl. Senat, Beschluss vom , aaO). Deshalb kann dem Kläger auch nicht durchgreifend zugutegehalten werden, dass er im Zusammenhang mit dem Ersuchen der Käuferin, den Eintragungsantrag zurückzunehmen, eine Auskunft des Deutschen Notarinstituts eingeholt hat.

16(c) Die verhängte, von der Vorinstanz bereits auf 4.000 € ermäßigte Geldbuße wäre - auch bei Berücksichtigung eines nur fahrlässigen Verschuldens des Notars - zur Ahndung des den Kernbereich des Notaramts schlechthin betreffenden Dienstvergehens angemessen, aber auch ausreichend gewesen, wobei wegen der weiteren zu Gunsten und zu Lasten des Klägers zu berücksichtigenden Umstände auf das Urteil des Oberlandesgerichts Bezug genommen werden kann.

17bb) Grundsätzliche Bedeutung kam der von dem zugrundeliegenden Einzelfall geprägten Rechtssache ersichtlich nicht zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO iVm § 65 Abs. 1 BDG, § 105 BNotO). Sonstige Zulassungsgründe waren ebenso wenig in Betracht zu ziehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:161120BNOTST.BRFG.3.20.0

Fundstelle(n):
DAAAH-76220