BGH Beschluss v. - 1 StR 420/20

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Darlegungsanforderungen im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose bei geringfügigen Anlasstaten

Gesetze: § 20 StGB, § 63 S 2 StGB, § 267 StPO

Instanzenzug: LG München II Az: 46 Js 2300/19 - 1 KLs

Gründe

1Das Landgericht hatte im Sicherungsverfahren im ersten Rechtsgang die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Auf die hiergegen gerichtete Revision des Beschuldigten hat der Senat mit Beschluss vom - 1 StR 25/20 - die Verhängung der Maßregel aufgehoben, da die Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht tragfähig belegt waren und darüber hinaus offenblieb, ob das Landgericht die Maßregel auf eine fehlende Einsichts- oder eine aufgehobene Steuerungsfähigkeit gestützt hatte. Die Feststellungen zu den objektiven Tatgeschehen hat der Senat aufrechterhalten.

2Das Landgericht hat erneut die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Beschuldigten hat wiederum Erfolg.

31. Zwar hat das Landgericht nunmehr rechtsfehlerfrei festgestellt, dass dem Beschuldigten die Fähigkeit fehlte, das Unrecht der von ihm begangenen Taten einzusehen. Indes begegnet die Gefahrenprognose durchgreifenden Bedenken.

4a) Das Tatgericht hat die der Unterbringungsanordnung zugrundeliegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die - außerordentlich belastende - Entscheidung nachzuvollziehen. Sind die Anlasstaten nur als geringfügig einzuordnen, gelten gemäß § 63 Satz 2 StGB strengere Darlegungsanforderungen: Die besonderen Umstände im Sinne dieser Vorschrift müssen die schmale Tatsachenbasis in Folge der anders gelagerten Anlassdelikte ausgleichen (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 523/18, BGHR StGB § 63 Satz 2 besondere Umstände 1 Rn. 12; vom - 4 StR 617/19 Rn. 9 und vom - 3 StR 535/16 Rn. 14; Urteil vom - 3 StR 385/17 Rn. 21).

5b) Daran gemessen hält die vom Landgericht getroffene Prognoseentscheidung rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat diese nicht auf tragfähige Tatsachen gestützt:

6aa) Der Beschuldigte ist nur wegen geringfügiger Delikte (Erschleichen von Leistungen; Besitz von Betäubungsmitteln) mit Geldstrafen vorgeahndet. In dieser Sache befindet er sich seit über zwei Jahren in Untersuchungshaft bzw. in der einstweiligen Unterbringung; er verhält sich "unauffällig". Allein trug er bei einer Ausführung zum Sachverständigen einen abgebrochenen Besenstiel "für Notfälle" versteckt bei sich (UA S. 42). Damit bleibt offen, aufgrund welcher konkreten Umstände es wahrscheinlich ist, dass der Beschuldigte die von ihm geäußerten - für sich genommen durchaus massiven - "Gewaltphantasien" umsetzen wird. Auch bei der Anlasstat, die nicht mehr als Verbrechen (§ 252 StGB), gleichwohl immerhin als eine Straftat mit einer erhöhten Mindeststrafe (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) einzuordnen ist, führte er die Messer nur bei sich, setzte sie aber nicht ein. Allein mit der allgemein erhöhten Kriminalitätsbelastung schizophren Erkrankter kann die Gefährlichkeitsprognose nicht begründet werden ( Rn. 14; Urteil vom - 4 StR 267/11 Rn. 15).

7bb) Soweit das Landgericht für seine Prognose ergänzend das Verhalten des Beschuldigten in der Untersuchungshaft herangezogen hat, sind etwaige aggressive Verfehlungen weder präzise noch im Strengbeweisverfahren zur tatgerichtlichen Überzeugung (§ 261 StPO; vgl. Rn. 3) festgestellt.

82. Die Sache ist nunmehr nach § 354 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 StPO vor einem anderen Landgericht zu verhandeln, naheliegender Weise unter Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen (§ 246a StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:251120B1STR420.20.0

Fundstelle(n):
DAAAH-75812