Strafzumessung: Nachteilsausgleich wegen Nichtberücksichtigung einer in Polen verhängten Strafe im Rahmen der Gesamtstrafenbildung
Gesetze: § 55 StGB, § 337 StPO
Instanzenzug: Az: 22 KLs 6/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
31. Nach den Feststellungen des Landgerichts verbrachte der Angeklagte im Zeitraum vom bis zum in 15 Fällen unversteuerte Zigaretten von Polen nach Deutschland; weder waren die Zigaretten mit Steuerzeichen versehen noch gab der Angeklagte Tabaksteuererklärungen ab. Dadurch hinterzog er Tabaksteuer in Höhe von insgesamt rund 660.000 €. Am , rechtskräftig seit , verurteilte ein polnisches Bezirksgericht den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 100 Zloty. Das Landgericht hat die Gesamtstrafe aus der Einsatzstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe und weiteren Einzelfreiheitsstrafen von je einem Jahr sechs Monaten gebildet. Dabei hat es dem Angeklagten einen Härteausgleich dafür gewährt, dass es die polnische Verurteilung nicht in die Gesamtstrafe einbeziehen konnte. Diesen Ausgleich hat das Landgericht nicht beziffert.
42. Durch das Unterbleiben einer konkreten Bestimmung des Nachteilsausgleichs ist der Angeklagte nicht beschwert. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist die fehlende Möglichkeit, eine Gesamtstrafe mit einer durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verhängten Strafe zu bilden, zwar grundsätzlich durch eine Bezifferung dieses Nachteils auszugleichen ( Rn. 18 ff. mwN). Dies war indes hier nicht geboten, da der Angeklagte in der vorliegenden Gesamtstrafenkonstellation von vornherein durch den Ausschluss einer Einbeziehung nicht benachteiligt ist:
5a) Bei allein aus inländischen Strafen zu bildenden Gesamtstrafen ist ein Angeklagter durch die unterbliebene Einbeziehung einer anderen Strafe nicht beschwert, wenn diese aufgrund ihrer Zäsurwirkung die Festsetzung zweier Gesamtstrafen erfordert und sich hieraus für den Angeklagten eine höhere Gesamtsanktion ergeben hätte (BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 599/16; vom - 5 StR 439/13 Rn. 2; vom - 5 StR 198/10 unter 2.; vom - 2 StR 465/09 und vom - 2 StR 63/06 Rn. 4; Urteile vom - 3 StR 515/91 Rn. 3 f., BGHR StGB § 55 Abs. 1 Beschwer 2 und vom - 2 StR 291/18 Rn. 47). Nichts anderes kann gelten, wenn eine ausländische Strafe (fiktiv) ein solches Gesamtstrafübel bewirkt hätte. Denn durch das Erfordernis eines zu beziffernden Nachteilsausgleichs soll ein Angeklagter, der bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verurteilt ist, nicht benachteiligt, aber auch nicht bevorteilt werden. Bei der hier vorliegenden Konstellation wäre ein Nachteilsausgleich eine nicht sachgerechte Bevorzugung des Angeklagten, weil er sich besser stellen würde, als wenn die Geldstrafe vor einem deutschen Gericht verhängt worden wäre.
6b) Die polnische Geldstrafe vom wäre eine solche Zäsur. Damit wären fiktiv aus dieser Geldstrafe und aus den für die Taten 1 bis 9 verhängten Einzelstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und sieben Monaten sowie aus den Einzelstrafen für die Taten 10 bis 15 eine weitere von wenigstens zwei Jahren und einem Monat zu bilden gewesen (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB). Dieses Gesamtstrafübel von drei Jahren und acht Monaten würde die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren übersteigen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:120121B1STR404.20.0
Fundstelle(n):
PAAAH-75714