Kommanditistenhaftung: Hinreichende Individualisierung von Gläubigerforderungen durch den Insolvenzverwalter
Gesetze: § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 129 Abs 1 HGB, § 161 Abs 2 HGB, § 171 Abs 1 HGB, § 172 Abs 4 HGB, § 54 InsO, § 55 InsO, § 178 Abs 2 S 1 InsO, § 178 Abs 3 InsO
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 5 U 85/18vorgehend LG Gießen Az: 3 O 132/17nachgehend Az: II ZR 135/19 Revision zurückgewiesen
Gründe
1I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer Schiffsfondsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (im Folgenden: Schuldnerin), über deren Vermögen mit Beschluss vom das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Beklagte, der mit einer Einlage in Höhe von 50.000 € als Kommanditist an der Schuldnerin beteiligt ist, erhielt in den Jahren 2005 bis 2008 nicht durch Gewinne gedeckte Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 18.500 €. Im Rahmen eines Sanierungsprogramms zahlte der Beklagte 7.500 € an die Schuldnerin zurück. Der Kläger verlangt vom Beklagten unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage die noch offene Differenz in Höhe von 11.000 €.
2Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
3II. Die Revision ist durch Beschluss zurückzuweisen (§ 552a ZPO).
41. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht mehr vor. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts (, ZIP 2010, 1078 Rn. 3; Beschluss vom - III ZR 380/14, juris Rn. 7; Beschluss vom - VIII ZR 58/19, juris Rn. 3).
5a) Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Notwendigkeit der Vorlage einer amtlichen Insolvenztabelle, die Relevanz von bestrittenen und für den Ausfall festgestellten Forderungen sowie die Berücksichtigungsfähigkeit von Massekosten und Masseverbindlichkeiten von der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet werde und die Rechtssache daher grundsätzliche Bedeutung habe.
6b) Soweit unter den vom Berufungsgericht angesprochenen Gesichtspunkten die Zulassung der Revision geboten war, ist der Zulassungsgrund durch das nach dem Erlass des Berufungsurteils ergangene Urteil des erkennenden Senats vom weggefallen (, juris).
7aa) Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (, juris Rn. 14 mwN).
8bb) Die Rechtssache hat danach jedenfalls keine grundsätzliche Bedeutung mehr.
9(1) Durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass es für die Darlegung der Gläubigerforderungen, für die der Kommanditist gemäß § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB haftet, ausreicht, wenn der Insolvenzverwalter, der während des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft das den Gesellschaftsgläubiger nach § 171 Abs. 1 HGB zustehende Recht ausübt, die Insolvenztabelle vorliegt mit festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können (, juris Rn. 9; Urteil vom - II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 15; Urteil vom - II ZR 175/19, juris Rn. 14).
10Beruft sich der Insolvenzverwalter auf die Feststellung der Gläubigerforderungen zur Insolvenztabelle, genügt er seiner Darlegungslast, wenn er deren Feststellung nach § 178 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 InsO behauptet, ggf. unter Bezugnahme auf eine von ihm erstellte tabellarische Übersicht (, juris Rn. 15).
11(2) Ebenfalls geklärt ist die "Relevanz" von Forderungen, die mit dem Zusatz "für den Ausfall" zur Insolvenztabelle festgestellt wurden. Das Berufungsgericht legt diesbezüglich nicht näher dar, unter welchen Gesichtspunkten es hier Klärungsbedarf sieht. Die sich im Streitfall stellenden Rechtsfragen können anhand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beantwortet werden.
12(a) Soweit es um die Darlegung solcher Forderungen durch den Insolvenzverwalter und den Ausschluss von Einwendungen des Kommanditisten gemäß § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB im Hinblick auf deren widerspruchslose Feststellung zur Insolvenztabelle geht, gelten die allgemeinen, in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits geklärten Grundsätze (BGH, Urteil vom20. Februar 2018 - II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 21 ff.; Urteil vom - II ZR 175/19, juris Rn. 16).
13(b) Wendet der Kommanditist, wie der Beklagte im Streitfall, ein, seine Inanspruchnahme sei zur Gläubigerbefriedigung nicht erforderlich, weil festgestellte Forderungen nach der Verwertung des Absonderungsrechts erfüllt sind, trifft den in Anspruch genommenen Kommanditisten die Darlegungs- und Beweislast. Der Insolvenzverwalter muss aber die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darlegen, sofern nur er dazu imstande ist (, WM 1978, 898, 899; Urteil vom - II ZR 38/80, WM 1981, 761; Urteil vom - II ZR 78/89, BGHZ 109, 334, 344; Urteil vom - II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 39; Urteil vom - II ZR 175/19, juris Rn. 21). Welche Umstände bedeutsam sind und vom Insolvenzverwalter dargelegt werden müssen, weil nur er hierzu imstande ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden.
14(3) Soweit das Berufungsgericht meint, "die Relevanz" von bestrittenen Forderungen sowie die Berücksichtigungsfähigkeit von Massekosten und Masseverbindlichkeiten sei klärungsbedürftig, hat es in den Gründen seiner Entscheidung selbst ausgeführt, dass es auf die Klärung dieser Fragen für die Entscheidung nicht ankommt.
15cc) Weitere Zulassungsgründe werden von der Revision nicht aufgezeigt und liegen auch nicht vor. Soweit die Revision meint, es sei entscheidungserheblich, in welchem Umfang der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung Forderungen gegenüber den Kommanditisten eingezogen habe und ob mit diesen Mitteln Verbindlichkeiten im Sinne gemäß §§ 54, 55 InsO erfüllt worden seien, weil der Kläger die Höhe der für den Ausfall festgestellten Forderungen nicht dargelegt habe, ist dem aus den unter 2. dargelegten Gründen nicht zu folgen.
162. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg.
17a) Die Klageforderung ist den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend bestimmt. Entgegen der Sicht der Revision steht es einer hinreichenden Individualisierung des Klageanspruchs nicht entgegen, dass die angemeldeten Forderungen in der vom Kläger vorgelegten Insolvenztabelle nur schlagwortartig bezeichnet wurden (, juris Rn. 11).
18b) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass Gläubigerforderungen in Höhe von 10.952.661,90 € bestehen, von denen solche in Höhe von 10.377.491,74 € für den Ausfall festgestellt wurden. Das Berufungsgericht hat entsprechend den unter 1. b) bb) (1) genannten Voraussetzungen angenommen, dass der Kläger dargelegt hat, dass Forderungen in dieser Höhe widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellt wurden.
19c) Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Inanspruchnahme des Beklagten für die Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist.
20aa) Nach den oben unter 1. b) bb) (2) genannten Grundsätzen ist es entgegen der Sicht der Revision im Ausgangspunkt Sache des Kommanditisten darzulegen und zu beweisen, dass seine Inanspruchnahme nicht (mehr) erforderlich ist, weil ein Gläubiger durch die Verwertung eines Absonderungsrechts Befriedigung auf seine Forderung erhalten hat. Dass das Berufungsgericht mit seiner Feststellung, die Erlöse aus dem Verkauf der Schiffe seien durch eine Reduzierung der für den Ausfall festgestellten Forderungen berücksichtigt, entscheidungserhebliches Vorbringen des Beklagten unberücksichtigt gelassen hat, zeigt die Revision nicht auf.
21bb) Soweit die Revision geltend macht, der Kläger hätte darlegen müssen, in welchem Umfang er bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Ansprüche gemäß § 171 Abs. 2 HGB bereits eingezogen und ob er mit diesen Mitteln Verbindlichkeiten gemäß §§ 54, 55 InsO erfüllt hat, erkennt sie selbst, dass es hierauf nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts nur ankommen kann, wenn die Feststellungen zum Umfang der Gläubigerforderungen keinen Bestand haben. Die hierzu erhobenen Rügen der Revision haben jedoch keine Aussicht auf Erfolg. Zwar ist die Feststellung des Berufungsgerichts, die mit Stand vom festgestellten Forderungen überstiegen die ausstehenden Kommanditeinlagen in Höhe von 7,5 Mio. € deutlich, so dass selbst bei der Bildung einer Sondermasse und Beitreibung sämtlicher ausstehender Kommanditeinlagen die Inanspruchnahme des Beklagten erforderlich sei, für das Revisionsgericht nicht nach § 559 Abs. 2 ZPO bindend, weil diese Feststellung der Behauptung des Klägers widerspricht, er habe bis zum i.H.v. 7.128.570,04 € Hafteinlagen der Kommanditisten eingezogen und weitere 896.534,62 € stünden noch aus. Die Revision zeigt jedoch kein Vorbringen des Beklagten auf, nach dem die festgestellten Gläubigerforderungen auch unter Berücksichtigung der noch zur Zahlung ausstehenden Hafteinlagen gedeckt wären.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:150920BIIZR135.19.0
Fundstelle(n):
NJW 2021 S. 1165 Nr. 16
CAAAH-75565