Prozesskostenhilfeantrag des Insolvenzverwalters: Einsichtsrecht des Insolvenzgläubigers in die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
Gesetze: § 117 Abs 2 S 2 ZPO, § 299 ZPO, § 4 InsO
Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 1 U 119/19vorgehend LG Schweinfurt Az: 23 O 238/18
Gründe
I.
1Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der C. GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin zahlte seit Februar 2012 einen monatlichen Betrag von 693,77 € an den Beklagten. Der Kläger verlangt vom Beklagten Rückzahlung der in den Jahren von 2012 bis 2015 erhaltenen Beträge in Höhe von insgesamt 28.755,57 € unter dem Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung und der ungerechtfertigten Bereicherung.
2Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung von 1.387,54 € verurteilt und die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für eine von ihm beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde. Der Beklagte hat darum gebeten, ihm vor seiner Stellungnahme zum Prozesskostenhilfegesuch des Klägers die Erklärung des Klägers zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu überlassen. Der Kläger ist diesem Gesuch entgegengetreten.
II.
3Das Gesuch des Beklagten ist unbegründet.
41. Über das Gesuch des Beklagten ist durch Beschluss des Senats zu entscheiden. Es handelt sich um ein während des laufenden Verfahrens gestelltes Einsichtsgesuch. In diesem Fall ergibt sich die Entscheidungsbefugnis als Annexzuständigkeit aus der Zuständigkeit für die Entscheidung über das Prozesskostenhilfebegehren (vgl. Fischer, MDR 2015, 1112).
52. Gemäß § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO darf die Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem Gegner nur zugänglich gemacht werden, wenn die Partei zustimmt oder der Gegner nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat. Der Kläger hat dem Gesuch des Beklagten nicht zugestimmt. Auch im Übrigen besteht kein Einsichtsrecht des Beklagten.
6Dem Beklagten steht kein Auskunftsanspruch nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts gegen den Kläger in seiner Eigenschaft als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin über Einkünfte und Vermögen zu. Einen solchen Anspruch zeigt der Beklagte auch nicht auf. Soweit der Beklagte geltend macht, er habe als Insolvenzgläubiger Einsichtsrechte, steht ein Recht eines Insolvenzgläubigers auf Einsicht in die Insolvenzakten gemäß § 4 InsO, § 299 ZPO (vgl. hierzu , ZIP 2020, 1138) dem von § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO verlangten materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch nicht gleich. Das Gesetz stellt maßgeblich darauf ab, ob dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch über Einkünfte und Vermögen zusteht (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 325; vgl. auch , NJW 2015, 1827 Rn. 20). Im Übrigen bezweckt § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht, die subjektive Rechtsstellung des Antragsgegners zu verbessern; die Vorschrift dient nicht der Befriedigung von privatrechtlichen Auskunftsansprüchen (vgl. aaO Rn. 21 f).
7Entgegen der Auffassung des Beklagten gilt § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für juristische Personen und Parteien kraft Amtes (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 116 Rn. 28). Dabei kommt es nicht darauf an, inwieweit § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO dem Schutz der Privatsphäre dient. Der Prozessgegner hat im Prozesskostenhilfeverfahren kein Anhörungsrecht hinsichtlich der Frage, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei die Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigen (, BGHZ 89, 65, 67 ff; vom , aaO Rn. 18; BVerfG, NJW 1991, 2078).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:171220BIXZA16.20.0
Fundstelle(n):
BAAAH-75214