BSG Beschluss v. - B 12 KR 48/20 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Urteilsinhalt - fehlende Entscheidungsgründe - Begründungspflicht

Gesetze: § 128 Abs 1 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Instanzenzug: SG Chemnitz Az: S 15 KR 821/17 und S 15 P 183/17 Gerichtsbescheidvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 9 KR 104/18 Urteil

Gründe

1I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) zu zahlenden Beiträge auf eine Kapitalleistung aus einem Pensionsfonds.

2Der 1953 geborene Kläger ist bei den Beklagten in der GKV und sPV versichert. Er schied im Jahr 2008 unter Inanspruchnahme einer betriebsinternen Regelung für im Alter von 55 Jahren ausscheidende Arbeitnehmer (sog "55er Modell") aus seinem Arbeitsverhältnis aus. Im Mai 2017 erhielt er aus einem Pensionsfonds eine Kapitalzahlung in Höhe von 87 830 Euro ausgezahlt. Gegen die auf 1/120 dieses Betrags monatlich erhobenen Beiträge (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ) wandte sich der Kläger mit der Begründung, in dem von der Pensionskasse ausgezahlten Betrag seien Beiträge seines Arbeitgebers auf der Grundlage des sog "55er Modells" enthalten. Diese Zahlungen dürften nicht der Beitragspflicht unterworfen werden. Klagen und Berufungen sind erfolglos geblieben ( Verbindungsbeschluss des ). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung auf die Gründe des Widerspruchsbescheids und der Gerichtsbescheide des SG Bezug genommen. Ergänzend hat es unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG und des BVerfG ausgeführt, dass ein betrieblicher Bezug dann entfalle, wenn der Arbeitnehmer nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis in die Stellung als Versicherungsnehmer der Direktversicherung einrücke. Der Pensionsfonds des Arbeitgebers sei institutionell eine Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung. Die Art der Finanzierung, im Wege der Abfindung, des Rentenniveauausgleichs oder des Ausgleichs von Rentenabschlägen sowie die Gewährung einer Sondergutschrift, seien keine Abgrenzungsmerkmale für die Beitragspflicht.

3Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

4II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend bezeichnet.

51. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Es muss insofern dargetan werden, dass sie der Beantwortung der identischen Rechtsfrage gedient haben. Dies erfordert, dass die abstrakten Rechtssätze nicht allein isoliert gegenübergestellt werden, sondern dass sie zusätzlich jeweils in ihrem tatsächlichen und rechtlichen Kontext dargestellt werden. Es darf nicht lediglich eine isolierte Wiedergabe einzelner Passagen der Aussagen beider Gerichte erfolgen. Der Widerspruch muss in der Beschwerdebegründung klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 160a SGG, Stand , RdNr 128).

6Diesen Anforderungen genügt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Der Kläger zitiert als "Rechtssatz" des LSG, dass es für die typisierende Anknüpfung des Begriffs der betrieblichen Altersversorgung ausreiche, dass die Mitgliedschaft in einer solchen Einrichtung nur aufgrund einer bestimmten (früheren) Berufstätigkeit erworben werden könne. Maßgeblich für diese Beurteilung sei ua die Erwägung, dass derjenige, der aufgrund einer früheren Berufstätigkeit Mitglied einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung werden könne, sich nicht irgendeiner Form der privaten Altersversorgung bediene, sondern sich gerade der betrieblichen Altersversorgung anschließe und sich damit im gewissen Sinn deren Vorteile nutzbar mache. Er stellt dem folgende Sätze aus dem ( und 1 BvR 249/15 - SozR 4-2500 § 229 Nr 27) gegenüber: "Ausgehend hiervon überschreitet die Typisierung als betriebliche Altersversorgung ausschließlich nach der auszuzahlenden Institution bei Pensionskassen in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit ihre zulässige Grenze, wenn - wie hier - die Zahlungen auf einen nach Ende des Arbeitsverhältnisses geänderten oder ab diesem Zeitpunkt neu abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag zwischen der Pensionskasse und dem Versicherten beruhen, an dem der frühere Arbeitgeber nicht mehr beteiligt ist und in den nur der Versicherte Beiträge einbezahlt hat." und "Obwohl der frühere Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses weiterhin eine Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung nutzt, wird in diesem Fall der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts verlassen und der Versicherungsvertrag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dem Betriebsbezug gelöst."

7Allein unter dem Vorbringen, LSG und BVerfG hätten auf unterschiedliche Gesichtspunkte abgestellt, hat der Kläger nicht die geltend gemachte Abweichung dargelegt. Hierzu hätte es deshalb näherer Ausführungen bedurft, weil sich die zitierten Entscheidungsgründe des BVerfG auf Zahlungen auf einen nach Ende des Arbeitsverhältnisses geänderten oder ab diesem Zeitpunkt neu geschlossenen Lebensversicherungsvertrag beziehen, das LSG hiergegen die Frage behandelt, ob der Pensionsfonds als Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung anzusehen ist. Im Grunde macht der Kläger nur geltend, das LSG habe die Rechtsprechung des BVerfG nicht genügend berücksichtigt oder im Einzelfall falsch angewendet. Ein solcher Mangel stellt jedoch, auch wenn er vorläge, keine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG dar (vgl - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = juris RdNr 9; - juris RdNr 4 f).

82. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSGE 2, 81, 82; 15, 169, 172 = SozR Nr 3 zu § 52 SGG). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

9Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger rügt, der Entscheidung des LSG fehle es an einer Begründung iS der §§ 128 Abs 1 und 136 Abs 1 Nr 6 SGG, weil es unter Hinweis auf § 153 Abs 2 SGG auf den Widerspruchsbescheid verwiesen habe. Ein Urteil ist nur dann nicht mit ausreichenden Entscheidungsgründen gemäß § 136 Abs 1 Nr 6 SGG versehen, wenn ihm hinreichende Gründe objektiv nicht entnommen werden können, etwa weil die angeführten Gründe unverständlich oder verworren sind, nur nichtssagende Redensarten enthalten oder zu einer vom Beteiligten aufgeworfenen, eingehend begründeten und für die Entscheidung erheblichen Rechtsfrage nur ausführen, dass diese Auffassung nicht zutreffe (vgl - SozR Nr 9 zu § 136 SGG und - SozR 1500 § 136 Nr 8). Aus den Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Dafür muss das Gericht aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl - SozR 1500 § 62 Nr 16; - juris RdNr 19). Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (vgl - juris RdNr 7). Weshalb die für das LSG wesentlichen Gesichtspunkte wegen des Hinweises auf § 153 Abs 2 SGG nicht deutlich geworden sein sollen oder dieser Hinweis zur Unverständlichkeit der die Entscheidung des LSG tragenden Überlegungen geführt hätte (vgl - juris RdNr 6), geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.

10Weitere Verfahrensfehler macht der Kläger nicht geltend.

113. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

124. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2020:011220BB12KR4820B0

Fundstelle(n):
KAAAH-74252