BGH Beschluss v. - VI ZR 1191/20

Berechnung des Streitwerts und der Rechtsmittelbeschwer im Schadensersatzprozess des Käufers eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Gebrauchtfahrzeugs gegen einen Kraftfahrzeughersteller: Anrechnung von gezogenen Nutzungen im Rahmen des Vorteilsausgleichs

Leitsatz

Zur Bestimmung von Streitwert und Rechtsmittelbeschwer bei der Anrechnung von gezogenen Nutzungen im Rahmen des Vorteilsausgleichs nach § 249 BGB.

Gesetze: § 4 Abs 1 ZPO, § 544 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 31 BGB, § 249 BGB, §§ 249ff BGB, § 826 BGB, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 1 EGV 715/2007

Instanzenzug: Az: 18 U 18/20vorgehend Az: 8 O 53/19

Gründe

I.

1Die Klägerin erwarb am einen gebrauchten VW Golf mit einem Dieselmotor EA288 zum Preis von 20.885 €. Mit der Behauptung, der Motor sei mit einer unzulässigen Abgasrückführungssoftware versehen, begehrt sie von dem beklagten Fahrzeughersteller Zahlung von 21.428,24 € (Kaufpreis zzgl. Deliktszinsen hieraus bis zur Rechtshängigkeit i.H.v. 534,24 €) zzgl. Rechtshängigkeitszinsen abzgl. einer Nutzungsentschädigung i.H.v. 7.321,93 € (gefahrene Kilometer zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht) abzgl. einer weiteren, noch zu beziffernden Nutzungsentschädigung (weitere gefahrene Kilometer seit Schluss der erstinstanzlichen Verhandlung) Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, im Übrigen die Feststellung des Annahmeverzugs und den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.

2Das Landgericht hat die Klage ab-, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Den Streitwert für das Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht auf 21.428,24 € festgesetzt.

3Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

II.

4Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt 20.000 € nicht (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

51. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses Interesse ist nach den sich aus den Vorschriften der §§ 3 ff. ZPO ergebenden allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden. Maßgeblich für die Bewertung der Beschwer ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (vgl. Senatsbeschlüsse vom - VI ZR 281/20, zVb; vom - VI ZR 5/18, juris Rn. 3; jeweils mwN).

62. Nach diesen Grundsätzen ist für die Berechnung der Beschwer der Klägerin die von dieser selbst auf 7.321,93 € bezifferte Nutzungsentschädigung von der Zahlungsforderung in Höhe des Kaufpreises, wie von ihr auch beantragt, in Abzug zu bringen. Die Nutzungsentschädigung ist als Vorteil vom Ersatzanspruch nach § 249 BGB abzuziehen, ohne dass es einer Gestaltungserklärung oder Einrede des Schuldners bedürfte. Es handelt sich - anders als im Fall des Rückgewährschuldverhältnisses nach §§ 346 ff. BGB (vgl. hierzu , NJW 2017, 2102 Rn. 19 f.) - um einen Fall der Anrechnung, nicht der Aufrechnung (vgl. , NJW 2013, 450 Rn. 20 f.; vom - XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160 Rn. 22 f.; BAG, NZA 2016, 1271 Rn. 49; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., Vorb. § 249 Rn. 71; Oetker in MünchKomm., BGB, 8. Aufl., § 249 Rn. 279; Schiemann in Staudinger, BGB, Neub. 2017, § 249 Rn. 142), die auch im Rahmen der Streitwertberechnung vorzunehmen ist (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom - 4 W 46/19, juris Rn. 11; , juris Rn. 63).

73. Die Beschwer der Klägerin hinsichtlich der Hauptforderung beträgt folglich (20.885 € - 7.321,93 € =) 13.563,07 € zzgl. Deliktszinsen (4 % aus 7.321,93 € vom bis , nämlich soweit keine entsprechende Hauptforderung mehr im Streit steht, sie also keine Nebenforderung sind) i.H.v. 432,49 € = 13.995,56 €. Den weiteren Anträgen der Klägerin kommt keine streitwerterhöhende Wirkung zu.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:230221BVIZR1191.20.0

Fundstelle(n):
NJW 2021 S. 9 Nr. 15
LAAAH-74243