Verfahrensrecht | Akteneinsicht eines Dritten (FG)
Einem mutmaßlich durch einen Betrug in einem besonders schweren
Fall (§ 263 Abs. 1 u. 3 StGB) Geschädigten steht kein Anspruch auf
Akteneinsicht in Steuerakten des Verdächtigen zum Zweck der Beweisführung im
Zivilprozess wegen Schadensersatzes zu (; Revision zugelassen).
Sachverhalt: Die Klägerin, Mitglied eines Bankenkonsortiums, hatte Geschäftsbeziehungen mit einer GmbH. Deren Gesellschafter-Geschäftsführer hatte sich im Jahr 2008 für Verbindlichkeiten der GmbH selbstschuldnerisch verbürgt. Im Jahr 2009 wurde auf Antrag der GmbH über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Gesellschafter-Geschäftsführer aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Es folgten Vergleichsverhandlungen zwischen der Klägerin und dem Gesellschafter-Geschäftsführer. Dieser legte der Klägerin zum eine Vermögensübersicht vor und versicherte eidesstattlich deren Richtig- und Vollständigkeit. Diese führte zu einem Vergleich.
Im Jahr 2015 erstattete die Klägerin bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer wegen des Verdachts des Betrugs. Die Klägerin erlangte aus den Ermittlungsakten Kenntnis über eine Selbstanzeige des Gesellschafter-Geschäftsführers und ein beim beklagten Finanzamt geführtes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren. Daraufhin beantragte die Klägerin Einsicht in die bei der Straf- und Bußgeldsachenstelle des beklagten Finanzamts geführten Ermittlungsakten und Auskunft zu Schweizer Konten des Gesellschafter-Geschäftsführers. Das beklagte Finanzamt gewährte unter Bezugnahme auf das Steuergeheimnis keine Akteneinsicht. Es erteilte keine Auskünfte.
Das FG Baden-Württemberg wies die Klage auf Akteneinsicht ab:
§ 30 AO reglt das Steuergeheimnis und abschließend die Voraussetzungen für eine Offenbarung oder Verwertung geschützter Daten.
Das beklagte Finanzamt ist nicht nach § 30 Abs. 4 AO zur Offenbarung seiner Kenntnisse befugt.
Diese sind nicht „in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden“, sondern vor dessen Einleitung aufgrund der Selbstanzeige des Gesellschafter-Geschäftsführers.
Diese Mitteilung von Tatsachen ist nicht freiwillig erfolgt. Hierzu ist der Gesellschafter-Geschäftsführer nach den Vorschriften der AO verpflichtet gewesen.
Mit seiner Selbstanzeige hat er nicht zugleich eine allgemeine Straftat offenbart. Allein die Erkenntnis über (weitere) Einkünfte reicht für die Annahme eines Betrugs zulasten der Klägerin nicht aus.
Die von der Klägerin begehrte Mitteilung wird auch nicht zur Verfolgung eines Verbrechens benötigt. Ein Betrug ist kein Verbrechenstatbestand mit mindestens einjähriger Freiheitsstrafe. Dieser ist eine Wirtschaftsstraftat.
Daher besteht eine Offenbarungsbefugnis des beklagten Finanzamts nur, wenn sich die Straftat gegen die gesamtwirtschaftliche Ordnung richten würde. Solch gravierende Auswirkungen hat das Vorgehen des Gesellschafter-Geschäftsführers jedoch nicht.
Dessen Vorgehen ist auch nicht geeignet, das Vertrauen in die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs erheblich zu erschüttern.
Geht es im Streitfall der Klägerin letztendlich um die zivilrechtliche Rechtsverfolgung - die Klägerin möchte Schadensersatzansprüche gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer geltend machen – besteht auch kein „zwingendes öffentliches Interesse“ an der Offenbarung der Vermögenssituation des Gesellschafter-Geschäftsführers durch das beklagte Finanzamt.
Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Baden-Württemberg abrufbar. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung v. (il)
Fundstelle(n):
AAAAH-74196