BVerwG Beschluss v. - 2 B 48/19

Auslegung des Klagebegehrens nach rechtlichem Hinweis auf voraussichtliche Erfolglosigkeit der anwaltlich gestellten Anträge

Gesetze: § 157 BGB, § 133 BGB, § 125 Abs 1 S 1 VwGO, § 88 VwGO

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Az: 2 LC 9/18 Urteilvorgehend Az: 2 K 2386/15

Gründe

1Das Verfahren betrifft die Festsetzung der Versorgungsbezüge der Klägerin durch die Beklagte.

21. Die 1952 geborene Klägerin stand bis zu Ihrer Versetzung in den Ruhestand mit Wirkung vom als Lehrerin im Dienst der Beklagten, zuletzt besoldet nach der Besoldungsgruppe A 13, Stufe 12. Die Arbeitszeit der Klägerin war wegen begrenzter Dienstfähigkeit seit dem auf 80 v.H. herabgesetzt. Im März 2006 wurde die Klägerin als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Mit Wirkung vom wurde ihre Arbeitszeit wegen begrenzter Dienstfähigkeit weiter herabgesetzt auf nunmehr 72 v.H. Ab dem befand sich die Klägerin in Altersteilzeit im Teilzeitmodell.

3Im Jahr 2010 lehnte die Beklagte einen Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Zuschlags zur Besoldung wegen begrenzter Dienstfähigkeit unter Hinweis auf die geltende Rechtslage ab. Der daraufhin erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom (6 K 774/11) insoweit statt, als es die Beklagte zu einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wegen Diskriminierung aufgrund einer Behinderung in Höhe von 6 100 € verurteilte und feststellte, dass die Besoldung der Klägerin vom bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand verfassungswidrig zu niedrig gewesen sei. Zur Begründung führte das Gericht - im Anschluss an die Entscheidung des 2 C 50.11 - (BVerwGE 149, 244) zu einer vergleichbaren Regelung in Baden-Württemberg - aus, dass die maßgebliche Aufzehrungsregelung des bremischen Landesrechts gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Diese Verfassungswidrigkeit wirke sich auch auf die Besoldung der Klägerin während der Altersteilzeit aus. Zwar sei es nicht zu beanstanden, dass neben dem Altersteilzeitzuschlag kein weiterer Zuschlag wegen begrenzter Dienstfähigkeit gezahlt werde. Jedoch seien die Bezüge während der Altersteilzeit insoweit verfassungswidrig, als sich der verfassungswidrig vorenthaltene Teildienstfähigkeitszuschlag nicht erhöhend auf die Berechnung des Altersteilzeitzuschlags habe auswirken können. Den Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung wies das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom (2 LA 249/15) zurück.

4Mit Bescheid vom setzte die Beklagte die Versorgungsbezüge der Klägerin fest. Dabei legte sie als ruhegehaltfähige Dienstbezüge das Grundgehalt der Besoldungsgruppe 13, Stufe 12, eine allgemeine ruhegehaltfähige Stellenzulage sowie den Familienzuschlag zugrunde. Ein Altersteilzeitzuschlag oder ein Zuschlag wegen begrenzter Dienstfähigkeit wurden nicht berücksichtigt. Als Ruhegehaltssatz wurden 60,97 v.H. festgelegt. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.

5Mit der dagegen gerichteten Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verpflichten, bei der Neufestsetzung der Versorgungsbezüge einen Zuschlag wegen begrenzter Dienstfähigkeit als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen und den Anpassungsfaktor 0,95667 nicht anzuwenden; hilfsweise hat die Klägerin eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz wegen Diskriminierung beantragt.

6Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die Versorgungsbezüge der Klägerin ab ihrem Eintritt in den Ruhestand am insoweit neu festzusetzen, als hierbei der der Berechnung zugrunde liegende Ruhegehaltssatz nicht mittels eines Anpassungsfaktors von 0,95667 abgesenkt werde; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Zu beanstanden sei allein die Absenkung des Ruhegehaltssatzes durch Anwendung des Anpassungsfaktors von 0,95667; die entsprechende Vorschrift sei zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin in den Ruhestand nicht mehr anwendbar gewesen. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Berücksichtigung eines Teildienstfähigkeitszuschlags als ruhegehaltfähig dagegen scheide aus; es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass dieser nach dem bremischen Landesrecht nicht ruhegehaltfähig sei. Auch die hilfsweise beantragte neuerliche Zuerkennung einer Entschädigung wegen Diskriminierung komme hiernach nicht Betracht.

7Im Berufungsverfahren hat die Klägerin (weiterhin) beantragt, die Beklagte zu verpflichten, bei der Neufestsetzung ihrer Versorgungsbezüge einen Zuschlag wegen begrenzter Dienstfähigkeit als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

8Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei der Neufestsetzung der Versorgungsbezüge einen Zuschlag wegen begrenzter Dienstfähigkeit oder einen Altersteilzeitzuschlag als ruhegehaltfähig berücksichtigt. Es gebe keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums i.S.v. Art. 33 Abs. 5 GG, dass alle Teile der Amtsbezüge, namentlich derartige Zuschläge, ruhegehaltfähig sein müssten. Selbst wenn man davon ausgehe, dass es verfassungswidrig sei, begrenzt dienstfähige Beamte wie teilzeitbeschäftigte Beamte zu besolden, und man dies auf das Versorgungsrecht übertrage, wäre das verfassungskonforme Instrument zur Behebung dieses Mangels nicht die Berücksichtigung eines Altersteilzeitzuschlags oder des Zuschlags wegen begrenzter Dienstfähigkeit. Eine solche Hinzurechnung wäre im System des Versorgungsrechts nicht folgerichtig, weil schon nach geltendem Recht (§ 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 BremBeamtVG) für die ruhegehaltfähigen Bezüge begrenzt dienstfähiger Bezüge ebenso wie bei einem freiwillig Teilzeitbeschäftigten nicht die tatsächlich gewährten (entsprechend ihrer jeweils reduzierten Arbeitszeit gekürzten) Bezüge zugrunde gelegt würden, sondern die fiktiven, dem letzten Amt entsprechenden vollen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge. Ein zusätzlicher Zuschlag wegen Altersteilzeit oder wegen begrenzter Dienstfähigkeit würde dazu führen, dass die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge eines wegen begrenzter Dienstfähigkeit eingeschränkt verwendeten Beamten höher wären als die eines in Vollzeit Dienst leistenden Beamten mit demselben Amt. Die Differenzierung zwischen wegen begrenzter Dienstfähigkeit eingeschränkt verwendeten Beamten, freiwillig in Teilzeit beschäftigten Beamten und in Vollzeit Dienst leistenden Beamten erfolge im System des Versorgungsrechts nicht bei ruhegehaltfähigen Dienstbezügen, sondern bei der ruhegehaltfähigen Dienstzeit (§ 6 Abs. 1 Sätze 3 und 4 BremBeamtVG). Die Verfassungskonformität dieser Regelungen sei nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. In diesem habe die Klägerin die Verfassungswidrigkeit ihrer Versorgungsbezüge allein unter den Gesichtspunkten der zusätzlichen Berücksichtigung eines als ruhegehaltfähig anzuerkennenden Teildienstzuschlags und der Anwendung des Anpassungsfaktors von 0,95667 geltend gemacht. Dies ergebe sich aus dem Vortag und den Anträgen in beiden Instanzen. Der Hilfsantrag habe ebenfalls keinen Erfolg; da die Nichtberücksichtigung eines Zuschlags wegen begrenzter Dienstfähigkeit bzw. eines Altersteilzeitzuschlags verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, liege auch keine mittelbare Diskriminierung vor, die zur Zahlung einer Entschädigung wegen ihrer Schwerbehinderung verpflichte.

92. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

10a) Soweit die Beschwerde darauf gestützt ist, dass die Sache die rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Frage aufwerfe (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO),

ob die versorgungsrechtliche Gleichbehandlung von Beamtinnen und Beamten, die wegen begrenzter Dienstfähigkeit gezwungen sind, ihren Dienst reduziert zu verrichten, und solchen Beamtinnen und Beamten, die in Teilzeit arbeiten, eine wesentliche Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG darstellt,

ist dieser Revisionszulassungsgrund schon deshalb nicht gegeben, weil das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich darauf erkannt hat, dass die Verfassungskonformität der Regelungen des bremischen Landesrechts über die Berücksichtigung von Dienstzeiten in Altersteilzeit bzw. eingeschränkter Verwendung wegen begrenzter Dienstfähigkeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit (§ 6 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 und Satz 4 BremBeamtVG) nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Die aufgeworfene Frage war für das Berufungsgericht - aufgrund seiner Auslegung des Klagebegehrens - nicht entscheidungserheblich und wäre dies - die Richtigkeit dieser Auslegung unterstellt - auch für das Revisionsgericht nicht. Mit der Grundsatzrüge können keine Fragen zur Klärung gestellt werden, die sich dem Berufungsgericht nicht gestellt haben oder die sich nur stellen würden, wenn es anders als geschehen entschieden hätte.

11b) Auch eine Divergenz i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor. Die Beschwerde bezeichnet keinen entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz, den das Berufungsgericht aufgestellt hat und der von einem ebensolchen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz abweicht, wie dies gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich wäre, sondern sie rügt der Sache nach lediglich, dass das Oberverwaltungsgericht die höchstrichterlichen Rechtssätze zur Auslegung eines Rechtsschutzbegehrens fehlerhaft angewandt habe, indem es das Begehren der Klägerin nicht "korrekt ausgelegt" habe. Mit der Rüge einer unterbliebenen oder fehlerhaften Anwendung von in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssätzen kann eine Revisionszulassung wegen Divergenz nicht erreicht werden (stRspr, vgl. etwa 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.).

12c) Der Beschwerde kann aber bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung entnommen werden, dass sie es als entscheidungstragenden Verfahrensmangel i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ansieht, dass das Berufungsgericht entgegen seiner Pflicht zur sachgerechten Erfassung des Klagebegehrens der Klägerin (§ 88 VwGO) und zur umfassenden Prüfung des Streitfalls auch in der Berufungsinstanz (§ 128 Satz 1 VwGO) angenommen hat, dass Gegenstand ihrer Klage im Hauptantrag nur ihr Begehren auf zusätzliche Berücksichtigung eines als ruhegehaltfähig anzuerkennenden Teildienstzuschlags und ihre Kritik an der Anwendung des Anpassungsfaktors von 0,95667 sei.

13Gemäß § 88 VwGO, der über § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch im Berufungsverfahren gilt, darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Gemäß § 128 Satz 1 VwGO hat das Oberverwaltungsgericht den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht zu prüfen.

14Gegen diese verfahrensrechtlichen Vorgaben hat das Oberverwaltungsgericht nicht verstoßen.

15Bei der Bestimmung des Rechtsschutzziels sind sämtliche Umstände, insbesondere die Gesamtheit des Vorbringens des Beteiligten, zu berücksichtigen ( 9 B 56.11 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 42 Rn. 7). Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133 und 157 BGB) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Wille des Beteiligten, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück ( 8 C 70.88 - Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9 S. 5 und vom - 2 C 50.16 - Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 27 Rn. 17; Beschluss vom - 6 B 12.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 55 Rn. 4). Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Beteiligten zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Vortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt (vgl. 1 C 62.81 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 11 S. 5 f.). § 88 VwGO ermächtigt das Gericht dagegen nicht, den Wesensgehalt der Auslegung zu überschreiten und an die Stelle dessen, was ein Beteiligter erklärtermaßen will, etwas anderes anzunehmen (BVerwG, Beschlüsse vom - 8 B 9.89 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 17 S. 1 und zuletzt vom - 2 B 58.18 - ZBR 2019, 417 Rn. 8).

16Allerdings gibt es keine Auslegungsregel, wonach ein Begehren, das sich auf die (Feststellung der Verpflichtung zur) Zahlung einer höheren Alimentation richtet, zugleich das Begehren enthält festzustellen, dass die Gesamthöhe der Alimentation verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist ( 2 C 50.16 - Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 27 Rn. 22 und Leitsatz 1 sowie Beschluss vom - 2 B 58.18 - ZBR 2019, 417 Rn. 14). Denn dass der Beamte seine Alimentation als zu niedrig ansieht und dies zur gerichtlichen Prüfung stellt, kann darauf beruhen, dass der Beamte lediglich ein bestimmtes Element der geltenden Rechtslage im Rahmen der Berechnung der Alimentation grundsätzlich (als verfassungswidrig) beanstandet oder dass er nur die Anwendung der einfachgesetzlichen Alimentationsvorschriften für falsch hält. Zwar sind an die Geltendmachung des Anspruchs, die Höhe der Besoldung sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen, vor allem bei Erklärungen von Privatpersonen keine überhöhten Anforderungen zu stellen. Für die Geltendmachung des Begehrens genügt es, dass der Beamte zum Ausdruck bringt, sich mit der Höhe seiner Alimentation insgesamt nicht (mehr) zufrieden zu gegeben ( 2 C 50.16 - Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 27 Rn. 22, 25 und 27 sowie Leitsatz 1).

17Hiervon ausgehend ist im Streitfall zunächst festzuhalten, dass die frühere Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Widerspruchsverfahren in einer ersten inhaltlichen Stellungnahme vom sich - allein - dagegen gewandt hat, dass es bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge der Klägerin aufgrund der gesetzlichen Neuregelung des Bremischen Beamtenversorgungsgesetzes zu einer Verschlechterung gekommen sei und dass die Klägerin der Auffassung sei, Bestandsschutz zu genießen. Dies deutet auf eine lediglich punktuelle Beanstandung des Festsetzungsbescheids hin, nämlich auf das Begehren, die Versorgungsbezüge nach altem Recht festzusetzen (dies hat die Klägerin auch rechtskräftig erreicht).

18Allerdings weist die Beschwerde zutreffend darauf hin, dass die Klägerin sodann in einer persönlichen Widerspruchsbegründung, von ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten weitergeleitet unter dem , "Fragen bzw. Argumente" aufgelistet und ausgeführt hat, dass sie nicht die Richtigkeit der Berechnung, sondern die rechtlichen Grundlagen anzweifle. Insbesondere die Regelung zur Teildienstfähigkeit in Kombination mit der Altersteilzeit habe in ihrem Fall zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung geführt. Dies hat die Klägerin veranschaulicht in einer tabellarischen Gegenüberstellung der Werte von drei vorläufigen Bescheiden über ihre künftige Besoldung nach Berechnungsständen vom Oktober 2004, Februar 2006 und August 2009 mit dem angefochtenen Festsetzungsbescheid. Insbesondere sei ihr unverständlich, warum sie in zehn Jahren Teildienstfähigkeit (davon vier Jahre in Altersteilzeit) nur einen Zuwachs bei der Versorgung von 2,04 % erarbeitet habe, obwohl sie bei der Berechnung der Dienstzeiten nach dem einen Zuwachs von 4 Jahren und 294,55 Tagen erwirtschaftet habe; bei der Pensionsberechnung sei ihre Tätigkeit als teildienstfähige Beamtin wie eine normale Teilzeitarbeit behandelt worden. Diese Widerspruchsbegründung ist als Anlage K 3 der Klageschrift erneut vorgelegt und zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gemacht worden.

19Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts können diese Ausführungen - obwohl laienhaft - durchaus dahin verstanden werden, dass die Klägerin damit sehr wohl die Frage der Verfassungskonformität der von ihr ausdrücklich als "unverhältnismäßige Benachteiligung" angezweifelten Regelungen zur Teildienstfähigkeit in Kombination mit der Altersteilzeit aufgeworfen hat, nämlich ob das geltende Recht die von ihr erbrachte Dienstleistung auf der Zeitschiene, d.h. bei der Ermittlung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit, verfassungsrechtlich zutreffend bewertet. Insoweit hat die Klägerin sehr wohl den Punkt im System des Versorgungsrechts in Frage gestellt, den das Berufungsgericht selbst als in verfassungsrechtlicher Hinsicht entscheidend bezeichnet (UA S. 10 unten/S. 11 oben). Dass die Klägerin in ihren Ausführungen auch andere Punkte angesprochen hat (Kürzung durch Anpassungsfaktoren, lediglich hypothetische Erreichbarkeit des Höchstsatzes von 71,75 v.H.), ändert daran nichts.

20Gleichwohl ist die Auslegung des Klagebegehrens und dessen prozessuale Handhabung durch das Berufungsgericht im Ergebnis nicht zu beanstanden. Selbst wenn die oben angesprochenen - laienhaften, aber beachtlichen - Ausführungen der Klägerin persönlich als weitergehendes Anliegen verstanden werden, so liegt es doch in der Hand des anwaltlich beratenden Rechtsschutzsuchenden, sein Rechtsschutzbegehren im gerichtlichen Verfahren - aus welchen Gründen auch immer - einzugrenzen und auf bestimmte Einwände und (Angriffs-)Punkte zu konkretisieren, sein Anliegen also nur eingeschränkt vor Gericht zu bringen. Eine solche Konkretisierung und ggf. Beschränkung geschieht durch die prozessuale Antragstellung. So auch im Streitfall:

21Nach den angekündigten und gestellten Sachanträgen ihrer früheren und jetzigen Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin in beiden Instanzen nicht sämtliche der von ihr in ihrer persönlichen Widerspruchsbegründung tabellarisch aufgelisteten nachteiligen Punkte zur gerichtlichen Prüfung gestellt. Nach dem vor dem Verwaltungsgericht gestellten Hauptantrag ihres damaligen Prozessbevollmächtigten hat sie eine Neufestsetzung ihrer Alimentation allein unter zwei Gesichtspunkten begehrt, nämlich (1) unter Berücksichtigung eines Teildienstzuschlags als ruhegehaltfähig und (2) unter Nichtanwendung des Anpassungsfaktors von 0,95567. Ein Grund dafür mag gewesen sein, dass die Alimentation der Klägerin seinerzeit in insgesamt drei verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit unterschiedlicher Thematik zur Prüfung stand (vgl. VG Bremen 6 K 774/11 <Besoldung>; OVG Bremen 2 LC 14/18 <Anpassungsfaktor> sowie das vorliegende Verfahren OVG Bremen 2 LC 9/18).

22Nachdem die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht hinsichtlich der Nichtanwendung des Anpassungsfaktors von 0,95567 erfolgreich war (das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nach einem gerichtlichen Hinweis im Berufungsverfahren 2 LC 14/18 rechtskräftig geworden), hat sie im vorliegenden Berufungsverfahren durch ihren damaligen Prozessbevollmächtigten unter dem schriftsätzlich angekündigt, dass sie an ihrem erstinstanzlichen Antrag festhalte, soweit dieser abgewiesen wurde, mithin dass sie weiterhin (nun nur noch) die Neufestsetzung der Versorgung unter Berücksichtigung eines Teildienstzuschlags nach § 10 Abs. 1 BremBesG als ruhegehaltfähig begehre. Schon deutlich vor der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts in seinem schriftlichen rechtlichen Hinweis vom dargelegt, dass dieses Begehren nicht erfolgreich sein dürfte und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der einzige tragfähige Angriffspunkt und maßgebliche Grund für die von der Klägerin als Benachteiligung angesehene Höhe ihrer Versorgungsbezüge die Regelung über die ruhegehaltfähige Dienstzeit sei (S. 3 des rechtlichen Hinweises, wortgleich mit den späteren Urteilsgründen). Schon dies hätte der anwaltlich vertretenen Klägerin Anlass zur Überprüfung ihres angekündigten Berufungsantrags und zu dessen Klarstellung oder ausdrücklicher Änderung geben müssen.

23Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht sind ausweislich der darüber gefertigten Niederschrift Antragstellung und Rechtsschutzziel erörtert worden: Nachdem der Senatsvorsitzende zu Beginn erneut auf seinen rechtlichen Hinweis Bezug genommen hatte, hat wiederum die Klägerin persönlich erklärt, dass es ihr nicht so sehr um die Ruhegehaltfähigkeit des Zuschlags, sondern darum gehe, dass die zwölf Jahre ihrer Tätigkeit als begrenzt Dienstfähige nicht so behandelt werden dürften wie bei einer freiwilligen Teilzeitarbeit und dass sie sich auch gegenüber solchen begrenzt dienstfähigen Beamten benachteiligt sehe, die vorzeitig in den Ruhestand getreten seien. Der Senatsvorsitzende hat sodann darauf hingewiesen, dass nach der Fassung der von den früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin formulierten Anträge "stets explizit (nur) die Ruhegehaltfähigkeit des Zuschlags Klagegegenstand" sein sollte. Wenn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die von ihr geltend gemachte Benachteiligung tatsächlich zum Prozessgegenstand machen wollte, dann hätte es sich spätestens nach diesem Hinweis aufgedrängt, das Klageziel durch Sachantrag und Vorbringen klarzustellen (so ebenfalls die Prozesslage in dem von der Beschwerde angeführten Beschluss des Senats vom - 2 B 58.18 - ZBR 2019, 417 Rn. 13 a.E.). Gleichwohl hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch daraufhin lediglich den (bisherigen) Antrag gestellt, bei der Neufestsetzung der Versorgung einen Zuschlag nach § 10 Abs. 1 BremBesG (wegen begrenzter Dienstfähigkeit) als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen.

24Es kann dahinstehen, ob der Senatsvorsitzende des Berufungsgerichts (noch) stärker auf eine andere, sachdienliche Antragstellung hätte hinwirken können (vgl. § 86 Abs. 3 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO), die das Begehren der Klägerin "auf den Punkt gebracht" hätte. Nach dem im Vorfeld erteilten rechtlichen Hinweis sowie dem Verlauf der Berufungsverhandlung, wie er sich aus der darüber gefertigten Niederschrift ergibt, sowie mangels weiterer (der Beschwerde obliegenden) Darstellung des dort geführten Rechtsgesprächs hat das Berufungsgericht in der gebotenen Weise auf die Sach- und Rechtslage einschließlich der Prozesslage hingewiesen. Die Verpflichtung des Gerichts, das aus dem Antrag und Vorbringen ersichtliche Rechtsschutzziel des Klägers sachgerecht zu ermitteln (§ 88 VwGO), und die Verpflichtung des Vorsitzenden, auf sachdienliche Anträge hinzuwirken (§ 86 Abs. 3 VwGO), finden ihre Grenze, wenn der anwaltlich vertretene Kläger auch nach einem rechtlichen Hinweis des Gerichts auf die voraussichtliche Erfolglosigkeit des bislang angekündigten Antrags und auf die (aus Sicht des Gerichts) sich zutreffender Weise stellenden Rechtsfragen an seinem Antrag festhält. Aus den erteilten Hinweisen die zutreffenden Schlüsse zu ziehen, ist Aufgabe der anwaltlichen Prozessvertretung. Über deren ausdrückliche Anträge kann das Gericht nicht hinausgehen (§ 88 Halbs. 1 VwGO). Bei dieser Sachlage ist die Verfahrensrüge kein Mittel, Versäumnisse eines Beteiligten in den Vorinstanzen zu kompensieren (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 7 B 43.11 - Buchholz 445.4 § 58 WHG Nr. 1 Rn. 26 und vom - 2 B 20.14 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 381 Rn. 14, jeweils zur Aufklärungsrüge).

253. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 3 GKG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:270420B2B48.19.0

Fundstelle(n):
EAAAH-74134