Chancen für Steuerberater
„Zum Restrukturierungsbeauftragten ist ein für den jeweiligen Einzelfall geeigneter, in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder eine sonstige natürliche Person mit vergleichbarer Qualifikation zu bestellen …“, so beginnt § 74 Abs. 1 StaRUG. An erster Stelle sind Steuerberater genannt, wohlgemerkt, danach Wirtschaftsprüfer, dann erst Rechtsanwälte. Das ist ein offenkundiger Bruch mit der Insolvenzpraxis der letzten zwei Jahrzehnte, in denen Steuerberater – nachdem sie noch zu Zeiten der Konkursordnung etwa ein Drittel des Marktes innehatten – faktisch marginalisiert worden waren. Die Ära der Insolvenzordnung war von einer zunehmenden Verrechtlichung geprägt und da dachten Insolvenzrichter wohl, sie sollten eher auf Menschen mit ihrer Ausbildung setzen. War das erfolgreich? Keineswegs. Quoten, die an Gläubiger ausgezahlt werden, sind nach wie vor so dramatisch niedrig, dass man dem bösen Wort vom „Konkurs des Konkurses“ die Berechtigung nicht ganz absprechen kann.
Nun kommt der neue Anlauf. Der deutsche Gesetzgeber hat früher, als es juristisch zwingend gewesen wäre, die europäische Restrukturierungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Das läutet eine neue Epoche ein. Und das bedeutet: Chancen für Unternehmen, die in Schwierigkeiten geraten sind und nicht mehr nur juristisch korrekt zu Grabe getragen werden, sondern denen mittels ökonomischen Gestaltungsgeschicks neues Leben eingehaucht werden kann. Chancen für Gläubiger, dadurch zu höheren Quoten zu gelangen. Chancen für den Erhalt von Strukturen und Arbeitsplätzen. Chancen für die Volkswirtschaft, der es gelingen könnte, den Ein- und auch den Austritt von Unternehmen in das und aus dem Marktgeschehen effizienter und erfolgreicher zu gestalten. Und nicht zuletzt: Chancen für neue Akteure.
Wer diese neuen Akteure sein könnten, darüber lässt das Gesetz keine Zweifel aufkommen. Steuerberater werden zuerst genannt, wenn es um Restrukturierung geht. Dorthin, zu Restrukturierung und Sanierung, wurden jetzt die Gewichte verschoben. Der Gesetzgeber hat entschlossen die Weichen gestellt, bevor die große Welle von Insolvenzen über die Unternehmen hereinbricht. Das ist für steuerberatende Berufe eine gute Nachricht.
Die neue Zeitschrift, die vor Ihnen liegt, soll Sie dabei unterstützen, Chancen wahrzunehmen und Ihre Kanzlei auf das, was an Aufgaben auf Angehörige steuerberatender Berufe zukommt, optimal vorzubereiten. Nicht mit blutleerer Theorie, sondern: Konkret, anfassbar, ergebnisorientiert. In diesem Sinne wünsche ich eine spannende und weiterführende Lektüre!
Volker Römermann
Fundstelle(n):
NWB Sanieren 2/2021 Seite 33
MAAAH-73706