Online-Nachricht - Donnerstag, 11.03.2021

Einkommensteuer | Versorgungsfreibetrag bei Versorgungsbezügen nach beamtenrechtlichen Grundsätzen (BFH)

Eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer nach einer Ruhelohnordnung, Satzung, Dienstordnung oder einem (Tarif-)Vertrag von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft eine lebenslängliche Alters- oder Dienstunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung auf der Grundlage seines Arbeitsentgelts und der Dauer seiner Dienstzeit gewährt wird. Die zugesagte Versorgung muss nach Voraussetzung, Art und Umfang ungeachtet gewisser Abweichungen einer beamtenrechtlichen Versorgung in wesentlichen Grundzügen gleichstehen (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Versorgungsbezüge sind nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG das Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, der Unterhaltsbeitrag oder ein gleichartiger Bezug auf Grund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften (Buchst. a), nach beamtenrechtlichen Grundsätzen von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Verbänden von Körperschaften (Buchst. b) oder in anderen Fällen Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge; wobei Bezüge wegen Erreichens einer Altersgrenze nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG erst dann als Versorgungsbezüge gelten, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat (Nr. 2).

Sachverhalt: Streitig ist, unter welchen Voraussetzungen Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen i. S. von § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG vorliegen (hier: Betriebsrente einer Krankenkasse).

Der Kläger nahm zunächst Altersteilzeit in Anspruch und bezog nach deren Beendigung seit dem eine Altersrente sowie die betriebliche Altersversorgung von der X-Krankenkasse. Im August 2013 vollendete der Kläger das 63. Lebensjahr.

Als Kalenderjahr des Versorgungsbeginns war in den Lohnsteuerbescheinigungen jeweils 2013 ausgewiesen. In den Einkommensteuererklärungen für 2013 und 2014 gab der Kläger als Versorgungsbeginn das Jahr 2010 an. Das FA berücksichtigte den Bruttoarbeitslohn erklärungsgemäß. Es legte allerdings einen Versorgungsbeginn im Jahr 2013 zugrunde.

Mit ihrer nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage begehrten die Kläger - soweit es hier von Bedeutung ist -, den Versorgungsfreibetrag und den Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag ausgehend von einem Versorgungsbeginn im Jahr 2010 zu berücksichtigen. Das FG wies die Klage ab ().

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen und das FG Urteil aufgehoben:

  • Das FG ist zu Unrecht von einem Versorgungsbezug erst ab August 2013, dem Zeitpunkt der Vollendung des 63. Lebensjahres des Klägers, ausgegangen. Der Kläger hat vielmehr bereits seit dem Versorgungsbezüge i. S. von § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG bezogen. Der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag sind dementsprechend ausgehend von einem Versorgungsbeginn im Jahr 2010 zu berechnen.

  • Ruhegehälter und gleichartige Bezüge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen i. S. von § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG werden im Gegensatz zu den Versorgungsbezügen gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht unmittelbar auf Grund eines Gesetzes, sondern auf Grund der Satzung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft bzw. auf vertraglicher oder tarifvertraglicher Grundlage von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft geleistet.

  • Die Versorgungszusage muss hierzu auf dem Alimentationsprinzip beruhen. Dem Arbeitnehmer muss ein Rechtsanspruch auf die Leistung für den Fall des Alters oder der Invalidität gewährt werden. Die Versorgung muss nach Voraussetzung, Art und Umfang ungeachtet gewisser Abweichungen einer beamtenrechtlichen Versorgung gleichstehen, z. B. bei der Bemessung nach der Tätigkeitsdauer und dem zuletzt bezogenen Arbeitsentgelt.

  • Die dem Kläger von der X-Krankenkasse zugesagte betriebliche Altersversorgung erfüllt die dargelegten Voraussetzungen für Ruhegehälter und gleichartige Bezüge nach beamtenrechtlichen Grundsätzen i. S. von § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG.

  • Versorgungsbezüge nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG setzen nicht voraus, dass auch das vorangegangene Dienstverhältnis beamtenrechtlichen Grundsätzen entsprach.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 EStG sind Versorgungsbezüge

  • im öffentlichen Dienst das Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, der Unterhaltsbeitrag oder ein gleichartiger Bezug

oder

  • in anderen Fällen (d.h. „im privaten Dienst“) Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge (§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG).

Bezüge wegen Erreichens einer Altersgrenze gelten nicht schon ab Versorgungsbeginn, sondern erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat. Dieser Unterschied, der sich - wie der Streitfall zeigt - bei der Bemessung des Versorgungsfreibetrags und des Zuschlags zu Versorgungsfreibetrag auswirken kann, ist aber durch sachliche Gründe gerechtfertigt (). Zudem gebietet es der allgemeine Gleichheitssatz nicht, nach beamtenrechtlichen Vorschriften gewährte Ruhegehälter wie Renten aus der gesetzlichen Sozialversicherung nur mit einem Besteuerungsanteil zu erfassen ().

Wesentliches (gemeinsames) Merkmal der Versorgungsbezüge i. S. von § 19 Abs. 2 EStG ist, dass sie keine Gegenleistung für Dienstleistungen darstellen, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden, ihnen also Versorgungscharakter zukommt.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NWB UAAAH-73605