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BVerwG Beschluss v. - 4 BN 65/20

Außenbereichssatzung; Verhältnis von Kommunalaufsicht und Normenkontrolle

Gesetze: § 35 Abs 6 BauGB, § 47 Abs 2 VwGO

Instanzenzug: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 1 N 17.1389 Urteil

Gründe

1Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Sie ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

2Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>, vom - 4 B 27.19 - ZfBR 2020, 173 Rn. 4 und vom - 4 BN 3.20 - juris Rn. 3).

31. Die Beschwerde möchte der Sache nach grundsätzlich klären lassen,

ob dem Normenkontrollantrag einer Behörde das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn sie bereits zuvor als Aufsichtsbehörde durch Bescheid die Aufhebung der Norm angeordnet und die Ersatzvornahme angedroht hat, gegen diesen Bescheid aber eine Anfechtungsklage anhängig ist.

4Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie ohne Revisionsverfahren beantwortet werden kann.

5Den Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO kann nach Absatz 2 der Vorschrift jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Norm stellen. Eine mögliche Rechtsverletzung braucht sie nicht geltend zu machen, sondern lediglich, dass sie die beanstandete Norm anzuwenden hat oder durch den Vollzug der Norm in ihrem Tätigkeitsbereich "betroffen" wird, diese also bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beachten hat ( 4 CN 4.10 - BVerwGE 140, 54 Rn. 17). Das Rechtsschutzbedürfnis einer Behörde ist immer dann gegeben, wenn sie mit der Ausführung der von ihr beanstandeten Norm befasst ist, ohne selbst über die Norm verfügen - insbesondere sie ändern oder aufheben - zu können ( 4 NB 10.88 - BVerwGE 81, 307 <310>). Es entfällt nicht, wenn die Behörde es unterlässt, den Erlass einer Norm zu untersagen (vgl. a.a.O. Rn. 18) oder im Wege der Kommunalaufsicht gegen deren Erlass einzuschreiten (.NE - ZfBR 2005, 815 <815 f.>; 14 N 91.2258 - BayVBl 1993, 626 <627>). Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt aber auch nicht allein durch einen auf Androhung und Ersatzvornahme gerichteten kommunalaufsichtsrechtlichen Bescheid: Jedenfalls so lange die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO besteht, ist die Behörde gehindert, den Bescheid zu vollziehen (stRspr, vgl. 8 C 398.59 - BVerwGE 13, 1 <6> und vom - 9 C 1.15 - BVerwGE 154, 68 Rn. 12) und damit selbst über die Norm zu verfügen.

62. Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob ein bebauter Bereich im Außenbereich im Sinne des § 35 Abs. 6 Satz 1 BauGB dadurch entstehen kann, dass eine Straße für beiderseits vorhandene Wohnbebauung verklammernde Wirkung entfaltet.

7Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie entzieht sich grundsätzlicher Klärung. Welche Anforderungen das Gesetz an einen bebauten Bereich im Außenbereich nach § 35 Abs. 6 Satz 1 BauGB stellt, ergibt sich aus dem Senatsurteil vom - 4 C 2.05 - (BVerwGE 126, 233 Rn. 13). Danach muss die vorhandene Bebauung auf eine weitere Bebauung im Wege der baulichen Verdichtung hindeuten und eine gewisse Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit erkennen lassen, die sie als Weiler, Splittersiedlung oder sonstigen Siedlungsansatz qualifiziert. Sie muss dabei in einem der Verdichtung zugänglichen Zusammenhang stehen; die Freiflächen dürfen diesen Zusammenhang nicht unterbrechen. Ob eine solche Unterbrechung vorliegt oder nicht, ist nach einer echten Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts zu beurteilen. Es bedarf also einer tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls. Dies gilt auch für die Frage, welche Bedeutung einer Straße zukommt (vgl. 4 B 273.94 - BRS 57 Nr. 93 zum Bebauungszusammenhang). Mehr ist rechtsgrundsätzlich nicht zu sagen.

83. Die weiteren von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich formulierten Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, weil der Verwaltungsgerichtshof die Unwirksamkeit der Außenbereichssatzung selbständig tragend mit dem Fehlen eines bebauten Bereichs im Außenbereich begründet hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 3 B 38.16 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 66 Rn. 3 und vom - 4 B 15.17 - BRS 86 Nr. 95 = juris Rn. 7).

9Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:151220B4BN65.20.0

Fundstelle(n):
ZAAAH-73450