Pflichtverteidigerbestellung: Beiordnung eines neuen Verteidigers bei "offenkundigem Mangel" der Verteidigung
Gesetze: Art 6 Abs 3 Buchst c MRK
Instanzenzug: Az: 120 KLs 1/20
Gründe
1Der Senat stellt die Entscheidung über das fristgerecht eingegangene, entsprechend § 300 StPO als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das auszulegende Gesuch des Angeklagten sowie gegebenenfalls über den Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO zurück.
2Die Sache ist zur Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers an das Landgericht zurückzugeben. Es liegt hier ein „offenkundiger Mangel“ der Verteidigung vor. Der Verteidiger, Rechtsanwalt B. , hat nicht, wie es seine Pflicht gewesen wäre (vgl. , NJW 1983, 2762, 2765), die Revision des Angeklagten form- und fristgerecht begründet und auf das Anschreiben des Senats zur Stellungnahme zu dem Antrag des Generalbundesanwalts nicht reagiert. In dieser Situation verlangt Art. 6 Abs. 3 Buchst. c MRK nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte positive Maßnahmen seitens der zuständigen Behörden, um diesem Zustand abzuhelfen (EGMR, Urteil vom - 38830/97, NJW 2003, 1229, 1230). Dies wird das Landgericht durch Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers zu veranlassen haben (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 265/15, StraFo 2016, 382; , NStZ-RR 2018, 84).
3Der Senat weist darauf hin, dass der neu beizuordnende Pflichtverteidiger ab seiner Bestellung form- und fristgerecht die Revision zu begründen haben wird. Das wird den Senat in die Lage versetzen, über das anhängige Wiedereinsetzungsgesuch und gegebenenfalls über den Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO zu befinden (vgl. ).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:161220B2STR299.20.0
Fundstelle(n):
wistra 2021 S. 160 Nr. 4
LAAAH-71194