Patentnichtigkeitsverfahren: Erweiterung des Schutzbereichs eines Patents durch Ergänzung des Patentanspruchs durch einen Verfahrensschritt - Nachrichtenübermittlungsdienst
Leitsatz
Nachrichtenübermittlungsdienst
Der Schutzbereich eines Patents, dessen erteilte Fassung ein auf einem Mobilfunkgerät im Zusammenwirken mit einem Server ausgeführtes Verfahren schützt, ist nicht zwingend schon deshalb erweitert, weil der Patentanspruch im Nichtigkeitsverfahren um einen Verfahrensschritt ergänzt wird, der auf dem Server ausgeführt wird (Ergänzung zu , GRUR 2019, 389, Schaltungsanordnung III).
Gesetze: Art 2 § 6 Abs 1 Nr 4 IntPatÜbkG
Instanzenzug: Az: 5 Ni 22/16 (EP) Urteil
Tatbestand
1Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 177 072 (Streitpatents), das am unter Inanspruchnahme australischer Prioritäten vom und angemeldet wurde und einen Nachrichtenübermittlungsdienst in einem drahtlosen Kommunikationsnetzwerk betrifft. Patentanspruch 1, auf den sich fünfzehn Ansprüche zurückbeziehen, lautet nach einem Beschränkungsverfahren wie folgt:
A method for providing a messaging service on a sender’s mobile wireless device in a wireless communications network; the method comprising:
the sender’s mobile wireless device (112) retrieving, a destination address associated with a recipient’s mobile wireless device (122), from an outgoing message on the sender’s mobile wireless device (112);
the sender’s mobile wireless device verifying whether the destination address is capable of receiving the outgoing message via a packet-switched bearer,
wherein the step of verifying the destination address involves sending an address verification request to a message server;
wherein the verification request is sent to the message server (170) via base station (180) and the Internet (160) using a WPAN or WLAN;
in the event verification is affirmative, the sender’s mobile wireless device then automatically sending the outgoing message to the recipient’s mobile wireless device at the destination address via the packet-switched bearer;
but otherwise, the sender’s mobile wireless device automatically sending the outgoing message to the recipient’s mobile wireless device at the destination address via an SMS bearer.
2Die Patentansprüche 17 und 18 schützen sinngemäß eine Mobilfunkeinrichtung und ein Computerprogrammprodukt, mit denen ein solches Verfahren ausgeführt werden kann.
3Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Die Beklagte hat das Streitpatent in der geltenden Fassung und hilfsweise in fünf geänderten Fassungen verteidigt.
4Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt und fünf weitere Hilfsanträge stellt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Gründe
5Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
6I. Das Streitpatent betrifft einen Nachrichtenübermittlungsdienst in einem drahtlosen Kommunikationsnetzwerk.
71. In der Streitpatentschrift wird ausgeführt, der Short Messaging Service (SMS) sei sehr populär, habe aber das Manko, dass eine Nachricht nicht mehr als 160 Zeichen umfassen dürfe. Ferner müsse eine Nachricht mehrere Übermittlungszentralen (Short Messaging Service Centres - SMSC) oder SMSC-Gateways passieren, wenn das Netzwerk des Empfängers von einem anderen Anbieter betrieben werde oder andere Funkstandards verwende als das Netzwerk des Absenders.
8Der Enhanced Messaging Service (EMS), der die SMS-Infrastruktur nutze, ermögliche es, bis zu 255 SMS-Nachrichten zu einer EMS-Nachricht zu bündeln, deren Inhalt mit Animationen, Bildern, Tönen und formatiertem Text angereichert sein könne.
9Über den Multimedia Messaging Service (MMS) könnten multimediale Nachrichten, die Bilder, Audio-Clips und Videos beinhalten könnten, versendet werden. Anders als SMS und EMS übermittle der MMS Nachrichten über einen paketvermittelten Träger. Dies ermögliche die Übertragung von Nachrichten in unbegrenzter Größe und mit höherer Geschwindigkeit.
10Bei der Mobile Instant Messaging-Technologie (MIM) könnten sich Mobilfunkeinrichtungen über ein IP-Datennetzwerk in ein Echtzeit-Instant-Messaging einschalten. Hierzu müssten sich Nutzer entweder mit einem Benutzernamen (tag) oder mit einem Alias-Namen (handle) bei einem Instant-Messaging-Dienstanbieter registrieren, um Nachrichten senden und empfangen zu können. Teilweise werde auch verlangt, dass während einer Chat-Sitzung die Verbindung mit dem Internet durchgehend aufrechterhalten werde.
112. In der Streitpatentschrift wird nicht ausgeführt, welches technische Problem die Erfindung betrifft.
12Vor dem aufgezeigten Hintergrund kann das technische Problem darin gesehen werden, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das den Versand und Empfang von Nachrichten mit Hilfe unterschiedlicher Dienste möglichst unkompliziert und kostengünstig ermöglicht.
133. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der geltenden Fassung von Patentanspruch 1 ein Verfahren für die Bereitstellung eines Nachrichtenübermittlungsdienstes vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
144. Die mit den Patentansprüchen 17 und 18 geschützten Gegenstände weisen vergleichbare Merkmale auf und unterliegen deshalb derselben Beurteilung wie der Gegenstand von Patentanspruch 1.
155. Einige Merkmale bedürfen näherer Betrachtung.
16a) Ein wesentlicher Vorteil des Verfahrens besteht darin, dass eine Nachricht je nach den Umständen über einen paketvermittelten oder einen SMS-Träger versandt werden kann.
17Die Grundlage bildet gemäß Merkmal 2 eine Zieladresse einer ausgehenden Nachricht, die mit einer Mobilfunkeinrichtung des Empfängers assoziiert ist. Gemäß Merkmal 3 wird durch Abfrage auf einem Nachrichten überprüft, ob diese Zieladresse die Nachricht auch über einen paketvermittelten Träger empfangen kann. Wenn dies der Fall ist, erfolgt die Übermittlung gemäß Merkmal 4 paketvermittelt, ansonsten gemäß Merkmal 5 über einen SMS-Träger.
18b) In welcher Weise die Zieladresse mit der Mobilfunkeinrichtung des Empfängers assoziiert ist, überlässt das Streitpatent dem Fachmann.
19Nach der Beschreibung des Streitpatents kann es sich um eine Mobilfunknummer oder um einen kurzen Zahlencode handeln, der für eine Telefonnummer, eine E-Mail-Adresse, den Nutzernamen (user handle) in einem IM-System, eine IP-Adresse oder eine Kombination aus diesen Angaben stehen kann. Dies soll es ermöglichen, alle Nutzer mit Hilfe ihrer Mobilfunknummer zu identifizieren, so dass sich der Nutzer - anders als bei herkömmlichen MIM-Clients - nicht mit einem Nutzernamen (user name, tag, handle) registrieren müsse (Abs. 12).
20c) Die Festlegung in Merkmal 2.1, wonach die Zieladresse aus einer abgehenden Nachricht auf der Mobilfunkeinrichtung des Senders abgerufen wird, setzt voraus, dass bereits eine zum Versand bestimmte Nachricht erstellt ist, die diese Adressinformation enthält.
21aa) Welche Struktur diese Nachricht hat, ist in Patentanspruch 1 nicht näher festgelegt.
22Entgegen der Auffassung der Berufung ergeben sich aus den Ausführungen in der Beschreibung, die die Verwendung von XML-Strukturen schildern, keine diesbezüglichen Einschränkungen. Diese Ausführungen beschreiben lediglich ein Ausführungsbeispiel und haben im Patentanspruch keinen Niederschlag gefunden.
23Dass die Struktur der Nachricht im Zeitpunkt des Abrufs der Zieladresse noch nicht endgültig feststeht, ergibt sich zudem aus der Schilderung des Ausführungsbeispiels, dessen Ablauf schematisch in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 dargestellt ist.
24Nachdem das System in Schritt 220 vom Nachrichten Informationen über den möglichen Versandweg erhalten hat, wird die Nachricht in den Schritten 230 bzw. 240 für den jeweiligen Träger formatiert. Beim Versand über einen SMS-Träger wird in Schritt 245 noch eine Systemnachricht hinzugefügt (Abs. 57). Beide Maßnahmen haben Auswirkungen auf die Struktur der Nachricht. Daraus ergibt sich, dass die Nachricht im Zeitpunkt des Versands nicht zwingend dieselbe Struktur haben muss wie im Zeitpunkt des Abrufs der Zieladresse.
25bb) Aus dem in Figur 3 dargestellten Ausführungsbeispiel ergibt sich darüber hinaus, dass auch der Inhalt der Nachricht im Zeitpunkt des Abrufs der Zieladresse noch nicht feststehen muss.
26Beim Versand über einen paketvermittelten Träger wird dem Benutzer vor dem Formatieren in Schritt 224 die Option zum Hinzufügen von Anhängen gegeben (Abs. 57). Das Bereitstellen dieser Option ist in den Patentansprüchen 9 und 10 ausdrücklich unter Schutz gestellt. Daraus ist zu entnehmen, dass inhaltliche Veränderungen der Nachricht vor dem Versand möglich bleiben.
27Vor diesem Hintergrund kann Patentanspruch 1 auch nicht entnommen werden, dass die Nachricht im Zeitpunkt des Abrufs der Zieladresse schon einen gewissen Mindestinhalt haben muss. Zwar muss der Benutzer bei dem in Figur 3 dargestellten Ausführungsbeispiel den Text der Nachricht schon vor dem genannten Zeitpunkt eingeben, während er danach nur noch die Möglichkeit zum Anfügen von Anlagen hat. Patentanspruch 1 greift diese Unterscheidung aber nicht auf, sondern enthält gerade keine Vorgaben hinsichtlich des Inhalts der Nachricht zu diesem frühen Zeitpunkt.
28cc) Daraus ist zu folgern, dass es ausreicht, wenn eine Grundstruktur vorhanden ist, die in einem späteren Verfahrensstadium zu einer versandfertigen Nachricht ergänzt werden kann. Hinsichtlich des Inhalts dieser Grundstruktur ergibt sich aus Merkmal 2.1 lediglich die Mindestanforderung, dass wenigstens eine Angabe vorhanden sein muss, die die Abfrage der Zieladresse ermöglicht.
29d) Vor dem aufgezeigten Hintergrund können auch die Merkmale 4 und 5 nicht dahin verstanden werden, dass der Sendevorgang sofort nach Abschluss des Verifikationsvorgangs ausgelöst wird.
30Der Wortlaut der beiden Merkmale, die vorsehen, dass die abgehende Nachricht in Abhängigkeit vom Ergebnis des Verifikationsvorgangs automatisch über einen paketvermittelten oder über einen SMS-Träger versendet wird, könnte allerdings für einen sofortigen Versand ohne Änderungsmöglichkeit sprechen. Diese Auslegung stünde indes in Widerspruch zu den Ausführungen in der Beschreibung, die eine Modifikation der Nachricht zwischen dem Verifikationsvorgang und dem Versand vorsieht.
31Im Lichte der Beschreibung sind die Merkmale 4 und 5 dahin auszulegen, dass sich der Begriff "automatisch" lediglich auf die Festlegung des Trägers und die Nutzung dieses Trägers nach Auslösen des Sendevorgangs durch den Nutzer bezieht.
32e) Die in Merkmal 3 vorgesehene Verifikation, ob die Zieladresse eine abgehende Nachricht über einen paketvermittelten Träger empfangen kann, kann sich auf die Frage beschränken, ob der Empfänger der Nachricht überhaupt über einen solchen Träger erreichbar ist. Eine Beschränkung darauf ist aber nicht zwingend.
33aa) Patentanspruch 1 enthält keine Vorgaben hinsichtlich der Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die Eignung der Zieladresse zum Empfang der Nachricht über einen paketvermittelten Träger bejaht werden kann. Deshalb bleibt es grundsätzlich dem Fachmann überlassen, welche Kriterien er insoweit definiert.
34bb) Aus den allgemeinen Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents, wonach das Verfahren den Schritt umfassen kann, die abgehende Nachricht in eine Warteschlange für die spätere Zustellung einzureihen (Abs. 31), ergibt sich kein engeres Verständnis des Patentanspruchs.
35Patentanspruch 1 greift dieses in der Beschreibung nur optional vorgesehene Merkmal nicht auf. Dementsprechend ist der Gegenstand des Patents nicht auf Verfahren beschränkt, die eine solche Warteschlange bedienen können und den Versand über den paketvermittelten Träger nicht davon abhängig machen, dass der Empfänger aktuell mit dem Nachrichten verbunden ist.
36cc) Aus dem in der Beschreibung geschilderten Ausführungsbeispiel ergibt sich ebenfalls kein engeres Verständnis.
37Bei diesem Ausführungsbeispiel überprüft der Nachrichten zunächst, ob die Zieladresse in einem Teilnehmerverzeichnis aufgeführt ist. Sofern dies der Fall ist, überprüft der ergänzend, ob die Nachrichtenwarteschlange des Empfängers eine bestimmte Länge überschritten hat. Wenn eine der beiden Prüfungen negativ ausfällt, gibt der Nachrichten die Auskunft, dass ein SMS-Träger verwendet werden muss (Abs. 55 f.).
38Diese Ausgestaltung deutet zwar darauf hin, dass ein Versand auch dann erfolgen kann, wenn der Empfänger nicht mit dem Nachrichten verbunden ist. Auch diese Anforderung hat in Patentanspruch 1 indes keinen Niederschlag gefunden. Der Anspruch sieht eine Warteschlange nicht zwingend vor und enthält auch im Übrigen keine Vorgaben bezüglich der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Versand über einen paketvermittelten Träger als möglich angesehen werden soll.
39Das von der Berufung postulierte Verständnis, dass die Empfangsfähigkeit der Zieladresse auch dann zwingend zu bejahen sei, wenn der Empfänger mangels Verbindung zum Nachrichtenserver temporär nicht empfangsbereit ist, stünde zudem in Widerspruch zu dem geschilderten Ausführungsbeispiel. Bei diesem wird die abstrakte Möglichkeit der Übermittlung gerade nicht als ausreichendes Kriterium betrachtet, sondern anhand der Länge der Warteschlange zusätzlich überprüft, ob mit einem Nachrichtenempfang in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Dies bestätigt das bereits durch den Wortlaut nahegelegte Verständnis, dass der Fachmann in der Festlegung der Kriterien grundsätzlich frei bleibt.
40II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
41Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung sei dem Fachmann, einem Diplomingenieur der Elektrotechnik mit der Fachrichtung Nachrichtentechnik, der über praktische Erfahrung bei der Konzeption von Nachrichtenübermittlungssystemen im Bereich Mobilfunk- und Internetkommunikation verfüge und mit den einschlägigen Standards vertraut sei, durch die koreanische Patentanmeldung 10 2006 0077401 (K4a) in Verbindung mit seinem Fachwissen nahegelegt. K4a offenbare ein Verfahren zum Instant Messaging (IM), bei dem eine über das Internet und damit paketvermittelt arbeitende IM-Nachrichtenübertragung mit einer SMS-Nachrichtenübertragung kombiniert werde. Damit werde eine einheitliche Schnittstelle für das Senden von Nachrichten sowohl über den IM-Dienst als auch über den SMS zur Verfügung gestellt und so die Benutzerfreundlichkeit verbessert. Von diesem Verfahren unterscheide sich das erfindungsgemäße Verfahren lediglich darin, dass die Verifikationsanforderung über WPAN oder WLAN und nicht über einen paketvermittelten Dienst erfolge. Dies begründe keine erfinderische Tätigkeit, da zum Prioritätszeitpunkt Mobilfunkeinrichtungen mit Nahbereichsfunkschnittstelle (WLAN/WPAN) serienreif und damit dem Fachmann auch bekannt gewesen seien. Für den Fachmann habe aus Kostengründen Veranlassung bestanden, die Verifikationsanforderung über WLAN oder WPAN zu übermitteln, da die Nutzung des paketvermittelten Dienstes über das Mobilfunknetz im Prioritätszeitpunkt sehr teuer gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten müsse der Nutzer nicht nur bei dem Verfahren der K4a bei einem Dienst registriert sein, um das Verfahren nutzen zu können. Auch beim Verfahren nach dem Streitpatent müsse sich der Nutzer mit einem Nachrichtenserver verbinden, wofür er entsprechende Verbindungsdaten benötige. Erst danach könne eine Verifikationsanforderung an den Nachrichtenserver gesendet und überprüft werden, ob ein Nutzer in einem Teilnehmerverzeichnis eingetragen und damit registriert sei. Dass bei dem erfindungsgemäßen Verfahren eine Mobiltelefonnummer als Kennung ausreiche, bedeute nicht, dass eine Registrierung nicht erforderlich sei. Der Nutzer werde vielmehr mit dieser Telefonnummer registriert. Dass beim Verfahren nach der K4a das Empfangsgerät zwingend online sein müsse, während beim erfindungsgemäßen Verfahren die prinzipielle Eignung des Empfangsgeräts, eine Nachricht über einen paketvermittelten Träger zu empfangen, ausreiche, führe zu keiner anderen Beurteilung. Diese Prüfung sei nicht Teil des beanspruchten Verfahrens. Von Patentanspruch 1 werde auch der Fall erfasst, dass das Empfangsgerät zum Zeitpunkt der Verifikationsabfrage online sei.
42Das nach Hilfsantrag 1‘ in Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung zusätzlich vorgesehene Merkmal, dass der Nachrichtensender nach Erhalt der Verifikationsanforderung prüft, ob die Zieladresse auf einer Teilnehmerliste steht, ergebe sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus K4a in Verbindung mit seinem Fachwissen. Der IM-Server, der beim Verfahren nach der K4a den Instant-Messaging-Dienst bereitstelle, verwalte den Status und den Empfangsmodus des jeweiligen Benutzers sowie die Nachrichtenempfangsliste und die Umgebungsinformationen der abonnierten Benutzer. Dies entspreche einer Teilnehmeradressliste im Sinne des mit Hilfsantrag 1‘ hinzugefügten Merkmals und lege die nach diesem Merkmal vorgesehene Überprüfung nahe.
43Die nach Hilfsantrag 2‘ gegenüber der geltenden Fassung von Patentanspruch 1 zusätzlich vorgesehenen Merkmale seien dem Fachmann ebenfalls durch die K4a nahegelegt. Das Versenden einer paketvermittelten Nachricht unter Verwendung eines WiFi-Protokolls stelle sich für den Fachmann als eine alltägliche Implementierungsvariante dar. Wenn er aus Kostengründen bereits in Betracht gezogen habe, die Verifikationsanfrage über WLAN zu versenden, dränge es sich für ihn auf, auch die paketvermittelte Nachricht über WLAN und damit gemäß dem WiFi-Protokoll auf der Sicherungsschicht zu versenden.
44Der mit Hilfsantrag 3‘ verteidigte Gegenstand sei dem Fachmann durch die internationale Anmeldung 01/414777 (K16) nahegelegt. Diese Entgegenhaltung offenbare ein Instant-Messaging-System, das Telefonnummern als Adressen verwende. Für den Fachmann habe es daher nahegelegen, bei dem Verfahren nach der K4a ebenfalls Telefonnummern als Zieladresse zu verwenden, zumal es im Prioritätszeitpunkt zum Fachwissen gehört habe, eine einzige Telefonnummer als Adresse für eine Vielzahl von Diensten vorzusehen.
45Der mit Hilfsantrag 4‘ verteidigte Gegenstand beruhe aus den gleichen Gründen wie die mit dem Hauptantrag und Hilfsantrag 3‘ verteidigten Fassungen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
46Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung von Hilfsantrag 5‘ sei unzulässig, da der Gegenstand von Patentanspruch 1 in dieser Fassung über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgehe. Nach dem mit dieser Antragsfassung hinzugefügten Merkmal sei vorgesehen, dass der Nachrichtenserver nach Erhalt der Verifikationsanforderung prüft, ob die Warteschlange der Nachrichten an der Zieladresse nicht eine vorher festgelegte maximale Länge überschritten hat. Indessen enthalte Patentanspruch 1 anders als die in den ursprünglichen Unterlagen geschilderten Ausführungsbeispiele keine Regelung darüber, welche Konsequenzen die nach dem hinzugefügten Merkmal vorzunehmende Prüfung in Bezug auf die Auswahl des für die Übermittlung der Nachricht zu verwendenden Trägers und die entsprechende Rückmeldung an die sendende Mobilfunkeinrichtung habe.
47III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren hinsichtlich der geltenden Fassung des Streitpatents und hinsichtlich der mit den Hilfsanträgen 1‘, 2‘, 3‘ und 4‘ verteidigten Fassungen, die die Beklagte in der Berufungsinstanz als Hilfsanträge 1, 2, 3 und 9 erneut zur Entscheidung gestellt hat, im Ergebnis stand.
481. Ob der Gegenstand von Patenanspruch 1 in der geltenden Fassung dem Fachmann durch K4a nahegelegt war, kann dahingestellt bleiben. Er ist dem Fachmann jedenfalls durch die Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung WO 2004/061583 (K5) nahegelegt.
49a) K5 betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Unterstützung einer drahtlosen Kommunikation (Nachrichtenübermittlung).
50Die Entgegenhaltung befasst sich mit dem Problem der Inkompatibilität von unterschiedlichen Übermittlungsstandards wie zum Beispiel SMS und MMS (Abs. 2). Als besonders nachteilig sieht K5 den Umstand an, dass der Sender die Inkompatibilität erst nach dem Versand der Nachricht feststellen kann (Abs. 4).
51Zur Abhilfe schlägt K5 vor, vor der Versendung einer Nachricht abzufragen, welche Art von Nachrichtenformat das Empfängergerät zu empfangen in der Lage ist (Abs. 23).
52aa) In der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 der K5 sind mehrere Ausführungsbeispiele dargestellt:
53bb) Das in K5 vorgeschlagene Mobilfunkgerät (100) kommuniziert mittels einer speziellen Schaltung (104) mit dem Netz (108), um Informationen darüber abzufragen, welche Nachrichtenübermittlungsformate das Mobilfunkgerät des Empfängers verarbeiten kann. Diese Informationen werden im Mobilfunkgerät (100) gespeichert und mit dem Gerät des Empfängers assoziiert (Abs. 25).
54Die Informationen darüber, welche Nachrichtenübermittlungsformate vom Mobilfunkgerät des Empfängers unterstützt werden, müssen indessen nicht zwingend (nur) im Mobilfunkgerät des Empfängers gespeichert sein. In einer alternativen Ausführungsform der K5 können die Angaben zu den vom Empfängergerät unterstützten Nachrichtenübermittlungsformaten auch in einem mit dem Mobilfunkgerät des Senders verbundenen Adressbuch gespeichert werden (Abs. 64). In einer weiteren Ausführungsform der K5 können derartige Informationen über Kapazitäten des Empfängergeräts auch an einem anderen Ort gespeichert sein, beispielsweise in einer Netzwerkvorrichtung, wie etwa einem Web-Server oder einem anderen Server, in dem Angaben zu den unterstützten Nachrichtenübermittlungsformaten für verschiedene Vorrichtungen hinterlegt sein können (Abs. 39).
55cc) Über eine Schaltung (106) wird die Nachricht in einem unterstützten Format versendet (Abs. 25).
56Bei einer der in K5 offenbarten Ausführungsformen kann der Nutzer in Abhängigkeit von den vom Mobilfunkgerät des Empfängers unterstützten Nachrichtenformaten entscheiden, ob er die Nachricht überhaupt noch versenden will. So kann er die Übermittlung abbrechen, wenn feststeht, dass das Empfängergerät das vom Sender gewählte Nachrichtenformat nicht unterstützt (Abs. 26 und 33).
57In einer alternativen Ausführungsform kontaktiert das Mobilfunkgerät des Senders, während dieser die aktuelle Nachricht eingibt, das Netzwerk, um eine Verbindung zu der Adresse des Empfängers (z.B. MSISDN) und deren Home Location Register (HLR) herzustellen und festzustellen, ob die Adresse in der Lage ist, eine Nachricht im MMS-Format zu empfangen. Ist dies der Fall, wird die entsprechend formatierte Nachricht an das Mobilfunkgerät des Empfängers übermittelt. Wird dagegen das MMS-Format vom Mobilfunkgerät des Empfängers nicht unterstützt, informiert das Mobilfunkgerät den Sender darüber und schlägt ihm vor, die Nachricht als SMS-Nachricht zu formatieren und zu versenden, unter Hinweis darauf, dass angehängte Multimediadateien verloren gehen. Der Nutzer kann dann entscheiden, ob die Nachricht über SMS oder MMS versendet oder der Sendevorgang abgebrochen werden soll (Abs. 61-62).
58b) Damit sind, wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, die Merkmale 1, 2, 2.1, 3 und 3.1 offenbart.
59c) Entgegen der Auffassung der Berufung ist auch Merkmal 4 offenbart.
60Unterstützt das Mobilfunkgerät des Empfängers ein vom Mobilfunkgerät des Senders unterstütztes Nachrichtenübermittlungsformat, wird die Nachricht in diesem Format versendet. Handelt es sich bei dem von beiden Geräten unterstützten Format um einen paketvermittelten Träger, wird die Nachricht dementsprechend auch über einen solchen versendet (Abs. 25 und 61).
61d) Nicht offenbart ist dagegen, wie auch die Klägerin nicht in Frage stellt, Merkmal 3.2.
62e) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist Merkmal 5 ebenfalls nicht offenbart.
63Das Verfahren nach K5 legt in dem Fall, dass das Mobilfunkgerät des Empfängers nicht in der Lage ist, Nachrichten über einen paketvermittelten Träger (im geschilderten Ausführungsbeispiel MMS-Nachrichten) zu empfangen, nicht automatisch fest, dass die Nachricht über einen SMS-Träger gesendet wird, sondern bietet dem Sender die Wahl an zwischen einer Übermittlung als SMS- oder MMS-Nachricht oder dem Abbruch des Übermittlungsvorgangs (Abs. 26 und 62).
64f) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann ausgehend von K5 nahegelegt.
65aa) Der Fachmann hatte ausgehend von K5 Anlass, die Überprüfung, ob die Zieladresse Nachrichten über einen paketvermittelten Träger empfangen kann, wahlweise über WPAN oder WLAN vorzunehmen.
66K5 befasst sich mit Geräten, die unterschiedliche Standards beherrschen. Dies legte es dem Fachmann nahe, die Lösung der K5 auch für solche Geräte in Betracht zu ziehen, die von Haus aus nicht nur über Mobilfunk-, sondern auch über WPAN- oder WLAN-Funktionen verfügen. Für solche Geräte bot es sich an, für die paketvermittelte Kommunikation das in der Regel kostengünstigere WPAN oder WLAN einzusetzen, sofern das jeweilige Gerät dies beherrscht und ein entsprechendes Netz zur Verfügung steht.
67Der Einwand der Berufung, technische Schwierigkeiten und Aspekte der Systemsicherheit hätten den Fachmann davon abgehalten, die Adressverifikationsanforderung unter Verwendung eines WPAN oder WLAN zu versenden, weil Mobilfunknetzbetreiber ihre Netzwerke gegen Eingriffe Dritter von außen abgesichert hätten und es einer speziellen Autorisierung bedürfe, um aus dem WPAN oder WLAN auf das Mobilfunknetz zugreifen zu können, geht fehl. Entgegen der Auffassung der Berufung kommt eine Adressverifikationsanforderung im Sinne von Merkmal 3.1 bei dem in K5 offenbarten System nicht nur in Form einer Abfrage auf das Home Location Register (HLR) des Mobilfunknetzes in Betracht. Wie bereits oben dargelegt wurde, können die benötigten Informationen nach der Beschreibung von K5 auch auf einem Webserver hinterlegt sein (Abs. 39). Zumindest bei dieser Variante standen die von der Berufung aufgezeigten technischen Schwierigkeiten und Sicherheitsbedenken einer Adressverifikationsanforderung über WPAN oder WLAN nicht im Wege.
68bb) Ob dem Benutzer die Gelegenheit zum Abbruch des Sendevorgangs gegeben wird, wenn sich herausstellt, dass der Versand nur auf dem SMS-Träger erfolgen kann, ist eine Frage der zweckmäßigen Ausgestaltung im Einzelfall. So sieht K5 vor, dass das vorgeschlagene Verfahren in den einzelnen geschilderten Ausführungsbeispielen wahlweise jeweils entweder mit oder ohne Benutzerführung (user prompts) ausgestaltet sein kann (Abs. 55). Vor diesem Hintergrund vermag eine Gestaltung des Verfahrens, mit der die Auswahl zwischen einem SMS-Träger und einem paketvermittelten Träger abhängig vom Vorliegen der jeweils hierfür geltenden Voraussetzungen automatisch erfolgt, nicht zur Bejahung erfinderischer Tätigkeit zu führen.
692. Das Streitpatent erweist sich auch in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 9 nicht als rechtsbeständig.
70a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 (in erster Instanz: Hilfsantrag 1‘) beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
71aa) Nach Hilfsantrag 1 sollen die Ansprüche 17 und 18 gestrichen werden. In Patentanspruch 1 ist folgendes zusätzliches Merkmal vorgesehen:
72bb) Ob der damit verteidigte Gegenstand in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist, kann dahinstehen. Er war dem Fachmann jedenfalls durch K5 nahegelegt. Das in K5 vorgeschlagene Verfahren sieht in dem bereits erwähnten Ausführungsbeispiel ebenfalls vor, die Erreichbarkeit eines Teilnehmers anhand einer Teilnehmerliste zu überprüfen (Abs. 33, 39).
73b) Der mit Hilfsantrag 2 (in erster Instanz: Hilfsantrag 2‘) verteidigte Gegenstand von Patentanspruch 1 beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
74aa) Nach Hilfsantrag 2 sind gegenüber der Fassung nach Hauptantrag folgende zusätzliche Merkmale vorgesehen, wobei Patentanspruch 17 sich auf die geänderte Fassung von Patentanspruch 1 zurückbeziehen und Patentanspruch 18 entsprechend angepasst werden soll:
75bb) Merkmal 3.3 entspricht der Sache nach dem Merkmal 3.3 gemäß Hilfsantrag 1 und unterliegt keiner abweichenden Beurteilung.
76cc) Merkmal 4.1 vermag die Patentfähigkeit auch in Kombination mit diesem Merkmal nicht zu begründen.
77Wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, stellt das Versenden einer Nachricht unter Nutzung eines WiFi-Protokolls für den Fachmann eine naheliegende Maßnahme dar. Wenn WiFi, also ein WLAN-Netz zur Verfügung steht, liegt es nahe, nicht nur die Verifikationsanfrage, sondern auch die Nachricht selbst darüber zu versenden.
78Entgegen der Auffassung der Berufung standen der Übermittlung von MMS über ein WLAN im Prioritätszeitpunkt keine Hindernisse entgegen, die den Fachmann von einer solchen Lösung abgehalten hätten. Die von der Berufung aufgezeigten Schwierigkeiten, die IP-Adresse eines Empfängergeräts im WLAN zu ermitteln, sind schon deshalb irrelevant, weil Merkmal 4.1, wie die Klägerin zu Recht ausführt, lediglich den Versand der Nachricht vom Sender an das drahtlose Kommunikationsnetzwerk betrifft, nicht aber den Empfang der Nachricht.
79c) Der mit Hilfsantrag 3 (in erster Instanz: Hilfsantrag 3‘) verteidigte Gegenstand von Patentanspruch 1 ist ebenfalls nicht patentfähig.
80aa) Nach Hilfsantrag 3 sind gegenüber der Fassung nach Hauptantrag folgende zusätzliche Merkmale vorgesehen, wobei Patentanspruch 17 sich auf die geänderte Fassung von Patentanspruch 1 zurückbeziehen und Patentanspruch 18 entsprechend angepasst werden soll:
81bb) Die nach dem neu hinzugefügten Merkmal 2.2 vorgesehene Verwendung einer Mobiltelefonnummer als Zieladresse war dem Fachmann, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, durch K16 nahegelegt.
82Diese Entgegenhaltung offenbart ein Instant-Messenger-System und ein Verfahren zur Übermittlung von Sofortnachrichten, die es einem Sender ermöglichen, eine Sofortnachricht an einen Empfänger zu senden, wenn er nur dessen Mobiltelefonnummer, nicht aber dessen Instant-Messenger-Adresse kennt.
83cc) In Bezug auf Merkmal 4.1 gilt dasselbe wie zu Hilfsantrag 2, der dieses Merkmal ebenfalls vorsieht.
84dd) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts wird eine SMS-Nachricht nach dem GSM-Standard systembedingt immer an das Kernnetz gesendet. Diese Feststellungen tragen die vom Patentgericht gezogene Schlussfolgerung, dass Merkmal 5.1 für den Fachmann eine Selbstverständlichkeit darstellt.
85d) Die erstmals im Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge 4 bis 8 sind gemäß § 116 Abs. 2 und § 117 Satz 1 PatG sowie § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht sachdienlich sind und die Klägerin ihnen nicht zugestimmt hat.
86Das Patentgericht hat in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis bereits mitgeteilt, dass der Gegenstand der Patentansprüche 1, 17 und 18 im Hinblick auf K4a, aber auch ausgehend von K5 nicht erfinderisch sein dürfte. Die Beklagte hatte daher Anlass, diese Hilfsanträge, die der weiteren Abgrenzung von den genannten Entgegenhaltungen dienen, schon in erster Instanz zu stellen (vgl. , GRUR 2016, 365 Rn. 26 - Telekommunikationsverbindung).
87e) Der mit Hilfsantrag 9 (in erster Instanz: Hilfsantrag 4‘) verteidigte Gegenstand von Patentanspruch 1 beruht ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
88aa) Nach Hilfsantrag 9 sollen die Ansprüche 17 und 18 gestrichen werden. In Patentanspruch 1 sind gegenüber der Fassung nach Hauptantrag folgende zusätzliche Merkmale vorgesehen:
89Ferner sind folgende Änderungen vorgesehen:
90Merkmal 3.1 soll dahin ergänzt werden, dass die Adressverifikationsanforderung über das zweite Netzwerk (over the second network) an den Nachrichtenserver gesendet wird.
91In Merkmal 3.2 sollen vor den Wörtern "base station" die Wörter "the wireless Internet" eingefügt werden.
92Merkmal 4 soll dahin ergänzt werden, dass die abgehende Nachricht durch den Nachrichtenserver über WLAN oder WPAN über das zweite Netzwerk gesendet wird.
93Schließlich soll Merkmal 5 dahin ergänzt werden, dass die abgehende Nachricht über das Kernnetzwerk (140; over the core network) an die Mobilfunkeinrichtung des Empfängers gesendet wird.
94bb) Hinsichtlich des Merkmals 2.2 und der Ergänzung von Merkmal 5 gelten die Ausführungen zu Hilfsantrag 3 entsprechend.
95cc) Die übrigen neu hinzugefügten bzw. ergänzten Merkmale betreffen die Übermittlung der Verifikationsanfrage und der abgehenden Nachricht über WLAN bzw. WPAN. Insoweit gelten die Ausführungen zur geltenden Fassung und zu Hilfsantrag 2 entsprechend.
96IV. Dagegen hat das Streitpatent - anders als das Patentgericht angenommen hat - in der Fassung von Hilfsantrag 10 (in erster Instanz: Hilfsantrag 5‘) Bestand.
971. Nach Hilfsantrag 10 sollen die Ansprüche 17 und 18 gestrichen werden. In Patentanspruch 1 ist gegenüber der Fassung nach Hilfsantrag 1 folgendes zusätzliches Merkmal vorgesehen:
982. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der damit verteidigte Gegenstand in den ursprünglich eingereichten Unterlagen hinreichend offenbart.
99Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Anmeldung ein zwingender Zusammenhang zwischen dem Ergebnis der beiden in den Merkmalen 3.3 und 3.4 vorgesehenen Überprüfungen und der automatischen Auswahl eines Trägers zu entnehmen ist.
100Ein solcher Zusammenhang ergibt sich entgegen der Auffassung des Patentgerichts auch aus der mit Hilfsantrag 10 verteidigten Fassung des Patentanspruchs, und zwar jedenfalls aus dem Zusammenspiel der beiden genannten Merkmale mit den Merkmalen 4 und 5, die eine automatische Auswahl eines Trägers ausdrücklich vorsehen. Eine bestätigte Verifikation im Sinne von Merkmal 4 liegt nur dann vor, wenn beide in den Merkmalen 3.3 und 3.4 vorgesehenen Überprüfungen ein positives Ergebnis gezeitigt haben.
1013. Hilfsantrag 10 ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht auf eine Erweiterung des Schutzbereichs gerichtet.
102a) Nach der Rechtsprechung des Senats führt die nachträgliche Einbeziehung eines vom Streitpatent in der erteilten Fassung nicht geschützten Gegenstands in einen Patentanspruch zu einer Erweiterung des Schutzbereichs.
103Das Patentnichtigkeitsverfahren eröffnet dem Patentinhaber zwar die Möglichkeit, das Schutzrecht in eingeschränkter Fassung zu verteidigen. Es dient aber nicht darüber hinaus der Gestaltung des Patents. Deshalb darf ein Patentanspruch im Nichtigkeitsverfahren nicht so geändert werden, dass er einen von der erteilten Fassung nicht umfassten Gegenstand einbezieht (, GRUR 2019, 389 Rn. 33 - Schaltungsanordnung III; Urteil vom - X ZR 149/01, GRUR 2005, 145, 146 - Elektronisches Modul).
104b) Im Streitfall führt die Einfügung von Merkmal 3.4 nicht dazu, dass der Patentanspruch auf einen von der geltenden Fassung nicht umfassten Gegenstand gerichtet ist.
105Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 schon in der geltenden Fassung nicht auf ein Verfahren beschränkt, das allein auf der Mobilfunkeinrichtung ausgeführt wird. Patentanspruch 1 setzt vielmehr bereits in der geltenden Fassung voraus, dass ein Nachrichtenserver vorhanden ist und dass dieser eine Verifikationsanfrage beantwortet.
106Zwar enthält die geltende Fassung keine Vorgaben dazu, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit der Nachrichtenserver die Anfrage mit "affirmative" beantwortet. Die Festlegung solcher Kriterien ist im Streitfall aber gleichbedeutend mit einer Konkretisierung der an den Server gerichteten Anfrage. Der Sache nach führt die Einfügung von Merkmal 3.4 dazu, dass der Server nicht mehr um Auskunft darüber gebeten wird, ob der angegebene Empfänger überhaupt auf einem bestimmten Kommunikationsweg erreichbar ist, sondern um Auskunft darüber, ob der Empfänger voraussichtlich ohne Komplikationen erreichbar ist. Im Vergleich zum Gegenstand der geltenden Fassung ist dies lediglich eine Konkretisierung des Verfahrens, das die Mobilfunkeinrichtung im Zusammenwirken mit dem Server ausführt.
1074. Das mit Hilfsantrag 10 neu hinzugefügte Merkmal 3.4 wird dem Fachmann durch keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen nahegelegt.
108a) Insbesondere ergab sich für den Fachmann entgegen der Auffassung der Klägerin aus der Technischen Spezifikation 3G TS 22.140 Version 0.1.0 (K21) keine Anregung, die Trägerauswahl von der Überschreitung einer bestimmten Länge der Nachrichtenwarteschlange auf Empfängerseite abhängig zu machen.
109In K21 ist lediglich ausgeführt, dass Nachrichten in eine Schlange eingereiht werden, wenn das Mobilfunkgerät des Empfängers vom Netzwerk nicht erreicht werden kann, und dass ein kontrollierter Zustellmechanismus erforderlich ist, sobald die Erreichbarkeit wieder gegeben ist (Abschnitt 5.2, S. 8 unter "Message queuing"). Daraus ergibt sich keine Anregung, schon die Auswahl des für den Versand einer Nachricht eingesetzten Trägers von der Länge der Warteschlange abhängig zu machen.
110b) Das nicht näher spezifizierte und von der Beklagten bestrittene Vorbringen der Klägerin, die Messung der Länge der Warteschlange sei bereits im Stand der Technik ein übliches und naheliegendes Mittel gewesen, um die Verfügbarkeit des Empfängers zu überprüfen, vermag nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu führen.
111Die Klägerin hat weder Entgegenhaltungen vorgelegt noch sonstige konkrete Umstände aufgezeigt, aus denen sich die Üblichkeit oder das Naheliegen dieser Vorgehensweise ergibt. Auf dieser Grundlage kann die Patentfähigkeit nicht verneint werden.
112V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:151220UXZR120.18.0
Fundstelle(n):
FAAAH-70441