Versuchte sexuelle Nötigung: Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft und geplantem Irrtum des Tatmittlers
Gesetze: § 22 StGB, § 25 Abs 1 StGB, § 177 StGB vom
Instanzenzug: LG Stendal Az: 502 KLs 4/19
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stendal vom wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Feststellungen tragen auch im Fall II.2 der Urteilsgründe den Schuldspruch wegen in mittelbarer Täterschaft begangener versuchter sexueller Nötigung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB (a.F).
Dabei kann der Senat offen lassen, ob die Feststellungen die tatgerichtliche Annahme tragen, dass der Tatmittler die Schwelle zum Versuch überschritt, indem er an der Haustür des Mehrfamilienhauses klingelte, um das Tatopfer nach Betreten der Wohnung in der irrigen Vorstellung einvernehmlichen Handelns im Rahmen eines „Vergewaltigungsrollenspiels“ sexuell zu nötigen. Es bleibt unklar, ob nach dem insoweit maßgeblichen Vorstellungbild des Tatmittlers mit der Betätigung der Klingel bereits die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten und ein weiterer Willensimpuls zur Umsetzung des Tatentschlusses nicht mehr erforderlich war (vgl. ‒ 2 StR 493/15, StV 2017, 441, 442; vom ‒ 1 StR 194/11, NStZ 2012, 85, und vom ‒ 4 StR 76/99, NStZ 1999, 395).
Die Feststellungen belegen jedoch, dass der als mittelbarer Täter im Sinne des § 25 Abs. 1 StGB handelnde Angeklagte die Schwelle zum Versuch bereits überschritten hatte.
Will der Täter die Tat nicht selbst, sondern durch einen Dritten begehen (§ 25 Abs. 1 StGB), so liegt ein unmittelbares Ansetzen zur Tat im Sinne des § 22 StGB regelmäßig vor, wenn der Täter seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat und dieser die Tathandlung nach den insoweit maßgeblichen Vorstellungen des Täters in engem Zusammenhang mit dem Abschluss der Einwirkung vornehmen soll, das geschützte Rechtsgut daher aus Sicht des Täters bereits in diesem Zeitpunkt gefährdet ist (vgl. , NJW 2020, 559, 560; vom - 2 StR 43/00; vom - 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 268 f.; vom - 4 StR 631/81, BGHSt 30, 363, 365; Beschluss vom - 1 StR 577/13, wistra 2015, 29, 32).
Gemessen hieran belegen die Feststellungen ein unmittelbares Ansetzen des Angeklagten zur Tatbestandsverwirklichung. Der Angeklagte hatte seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen, indem er am Vortag ‒ sich als das Tatopfer ausgebend ‒ mit dem Tatmittler ein konkretes Treffen für die Umsetzung des vermeintlichen sexuellen Rollenspiels für den Folgetag verabredete. Am folgenden Tag führte der Angeklagte den Chatverkehr mit dem Tatmittler fort und war sich dabei bewusst, dass der Tatmittler das Tatopfer aufgrund der bereits am Vortag getroffenen Verabredung nunmehr zeitnah aufsuchen und die vermeintlich einvernehmliche „Vergewaltigung“ vollziehen werde. Nach der Vorstellung des Angeklagten sollte die Tathandlung daher in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss seiner Einwirkung auf den Tatmittler durchgeführt werden; hierin lag ‒ auch nach der Vorstellung des Angeklagten ‒ bereits eine unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsguts.
Sost-Scheible
Quentin
Bartel
Sturm
Lutz
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:080920B4STR44.20.0
Fundstelle(n):
NJW 2021 S. 330 Nr. 5
RAAAH-69511