Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Erneute Anordnung der Unterbringung bei Verurteilung wegen der vor einer früheren Verurteilung begangenen Tat
Gesetze: § 55 Abs 2 StGB, § 64 StGB, § 67f StGB
Instanzenzug: Az: 4 StR 670/19 Beschlussvorgehend LG Essen Az: 27 KLs 36/18nachgehend Az: 4 StR 670/19 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen besonders schweren Raubes unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Wuppertal vom - 26 KLs 10/18 - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass drei Jahre der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vorweg zu vollziehen sind. Schließlich hat das Landgericht eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Der Senat hat den Urteilstenor - der Anregung des Generalbundesanwalts folgend - im Hinblick auf das Datum des Urteils des Landgerichts Wuppertal berichtigt, das vom und nicht vom datiert.
32. Darüber hinaus hat der Senat - in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die im Urteil des Landgerichts Wuppertal vom angeordnete und noch nicht erledigte Maßregel nach § 64 StPO aufrecht erhalten und die (erneute) Maßregelanordnung aufgehoben.
4Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegen. Bei dieser Sachlage war, weil der Angeklagte die dem hiesigen Verfahren zugrundeliegende Tat am und damit vor der Vorverurteilung durch das Landgericht Wuppertal begangen hat, die in jenem Urteil angeordnete und derzeit vollzogene Maßregel gemäß § 55 Abs. 2 StGB aufrecht zu erhalten. Für eine - erneute ‒ Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bestand kein Raum, weil die jetzt abgeurteilte Tat vor der früheren, die Maßregel anordnenden Verurteilung des Angeklagten begangen wurde. In diesem Fall haben die Grundsätze der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) Vorrang vor der Regelung des § 67f StGB (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 477/17, NStZ 2018, 526; vom - 1 StR 456/17, StV 2019, 272, 273; vom - 5 StR 417/16, StV 2017, 575, und vom - 3 StR 406/10, NStZ-RR 2011, 105; Urteil vom - 4 StR 622/81, BGHSt 30, 305).
53. Auch die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB kann nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat nicht geprüft, ob entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB auf eine Anordnung des Vorwegvollzugs verzichtet werden kann, obwohl hierzu Anlass bestand.
6In Fällen, in denen nachträglich eine so hohe Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird, dass eine nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am Halbstrafenzeitpunkt orientierte Anordnung des Vorwegvollzugs - wie hier - zu einer Herausnahme des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug führen müsste, kann entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB auf eine Entscheidung über einen Vorwegvollzug verzichtet werden (BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 477/17, NStZ 2018, 526, 527; vom - 4 StR 261/17, StV 2019, 271 und vom - 3 StR 243/18, NStZ-RR 2019, 208 f.).
7Da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt, bedarf es der Aufhebung der Feststellungen nicht. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen insbesondere zum Stand der Therapie treffen.
84. Die Entscheidung über den Adhäsionsantrag des Neben- und Adhäsionsklägers begegnet rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht den Angeklagten verurteilt hat, den Nebenkläger von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe eines Betrages von 1.029,35 € freizustellen. Zur Begründung hat das Landgericht lediglich ausgeführt, dass die Höhe des aus § 823 Abs. 1 BGB folgenden Anspruchs sich nach der Höhe der Schmerzensgeldforderung richte. Diese knappen Ausführungen erlauben dem Senat nicht die Nachprüfung, ob der insoweit zuerkannte Anspruch auf Freistellung dem Grunde und der Höhe nach rechtsfehlerfrei bestimmt worden ist. Der Senat hat daher insoweit gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO von einer Entscheidung abgesehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:270820B4STR670.19.1
Fundstelle(n):
QAAAH-69225