Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Konkurrenzrechtliche Bewertung von Beihilfehandlungen zum Straßenhandel mit Kokain
Gesetze: § 52 StGB, § 53 StGB, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: Az: 35 KLs 5/19
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
I.
2Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte Mitglied einer Gruppierung, die in Dortmund unter Einsatz einer Vielzahl von „Läufern“ mit einem festen Schichtbetrieb rund um die Uhr einen schwunghaften Straßenhandel mit Kokain betrieb. Der Angeklagte fungierte gegen eine Entlohnung von 20 Euro täglich als sog. Bunkerhalter der Gruppierung. Das Kokain wurde zunächst von Bandenmitgliedern in einem anderen Bunker portioniert und in Beutel mit jeweils 35 Bubbles verpackt, sodann dem Angeklagten zur Lagerung in einem Versteck überbracht, bevor es von anderen Bandenmitgliedern zum gewinnbringenden Verkauf wieder abgeholt wurde. Im Tatzeitraum zwischen dem 5. und dem versteckte der Angeklagte sechs ihm in kurzen zeitlichen Abständen zur vorübergehenden Lagerung überbrachte Kokainmengen zwischen 14,8 Gramm und 35 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % Kokainhydrochlorid in seinem Keller.
II.
31. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Gehilfentätigkeit des Angeklagten als sechs selbständige Taten der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die naheliegende Möglichkeit, dass die Beihilfehandlungen zu einer Tat im Rechtssinne zusammenzufassen sind, nicht erörtert.
4a) Sind an mehreren Taten ‒ insbesondere an einer Deliktserie ‒ mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Dies gilt wegen der Akzessorietät der Beihilfe aber dann nicht, wenn mehrere an sich selbstständige Beihilfehandlungen eine Haupttat fördern. In einem solchen Fall werden die Beihilfehandlungen zu einer Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst. Fördert ein Gehilfe das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, bestimmt sich die Frage, ob insoweit eine oder mehrere Taten im Rechtssinne vorliegen, nach den Grundsätzen zur tatbestandlichen Bewertungseinheit, also danach, ob verschiedene Betätigungen des Haupttäters auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen ( Rn. 12; Rn. 5).
5b) Es bleibt unklar, welche Haupttat oder welche Haupttaten der Angeklagte gefördert hat. Es liegt jedoch nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils nahe, dass die an den Angeklagten gelieferten und von ihm gelagerten Kokainmengen aus einem einheitlichen Gesamtvorrat der Haupttäter stammten, die Lieferungen an den Angeklagten sich somit auf Seiten der Haupttäter nach den Grundsätzen der tatbestandlichen Bewertungseinheit als eine Tat im Rechtssinne darstellten und der Angeklagte deshalb nur eine Haupttat förderte. Hierfür spricht bereits der enge zeitliche Zusammenhang der Lieferungen, die zum Teil nur einige Stunden auseinanderlagen. Auch der festgestellte Umfang des von der Gruppierung betriebenen Straßenhandels legt nahe, dass die Haupttäter über einen größeren Kokainvorrat verfügten, aus dem sie die „Läufer“ fortlaufend versorgten.
6Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass die konkurrenzrechtliche Bewertung der Beihilfehandlungen des Angeklagten rechtlich unzutreffend und er hierdurch beschwert ist. Der neue Tatrichter wird daher Feststellungen zu der bzw. den vom Angeklagten geförderten Haupttat(en) zu treffen und die Beihilfehandlungen des Angeklagten diesen zuzuordnen haben.
7c) Es kommt deshalb nicht mehr entscheidend darauf an, dass nach den Urteilsfeststellungen auch unklar bleibt, ob die am sichergestellte Betäubungsmittelmenge eine Restmenge aus einer früheren Lieferung war und dieser Fall schon deshalb einer Verurteilung als selbstständige Tat nicht zugänglich war.
82. Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass eine Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB nur insoweit in Betracht kommt, als der Angeklagte die wirtschaftliche (Mit-)Verfügungsgewalt erlangt hat. Nach den bisherigen Feststellungen gilt das nur hinsichtlich seiner täglichen Entlohnung, nicht jedoch in Bezug auf die Erlöse aus der Veräußerung der von ihm gelagerten Betäubungsmittel.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:200520B4STR23.20.0
Fundstelle(n):
MAAAH-69021