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LSG Hamburg Urteil v. - L 2 U 1/20

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung des Ereignisses vom 18. Januar 2018 als Arbeitsunfall in der Schüler-Unfallversicherung streitig. Der am xxxxx 1999 geborene Kläger war Schüler des im G. belegenen H.-Gymnasiums in H1-W. und als Schüler bei der Beklagten versichert. Am 18. Januar 2018 hielt sich der Kläger in der zweiten großen Pause gemeinsam mit zwei Mitschülern gegen 11:45 Uhr im Stadtpark auf. Der Stadtpark befindet sich in unmittelbarer Nähe der Schule, er ist durch den G. vom Schulgelände getrennt. In diesem Zeitraum herrschte generell ein Unwetter in Form von Sturm und Schneefall (Sturmtief "Friederike"), wobei das genaue Wetter zum Unfallzeitpunkt am Unfallort zwischen den Beteiligten streitig ist. Im Stadtpark rauchte der Kläger mit einem der Mitschüler und hielt sich dort zur Erholung auf. Während dieses Aufenthalts fiel dem Kläger ein sehr großer und schwerer Ast auf den Kopf und den Körper. Durch den Ast erlitt der Kläger, der sofort bewusstlos war, ein Polytrauma mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma sowie Frakturen des Wadenbeins und des Volkmanndreiecks. Der Kläger wurde nach Eintreffen des Notarztes am Unfallort intubiert und sodann auf der Intensivstation im Universitätsklinikum E., H1 stationär behandelt. Im Durchgangsarztbericht vom 22. Januar 2018 heißt es zur Frage, ob Verdacht auf Alkohol-, Drogen-, Medikamenteneinfluss bestehe, "Ja", die Blutuntersuchung der am 18. Januar 2018 um 13:44 Uhr gezogenen Probe ergab einen Wert von 59 ng/ml Cannabinoiden im Serum (Referenzwert * ( 20 ng/ml). Nach der Extubation am 31. Januar 2018 war der Kläger wach und ansprechbar, konnte aber zunächst nur mit einfachen Sätzen kommunizieren. Angaben zum Unfallgeschehen konnte der Kläger nicht machen. Im Polizeibericht vom 19. Januar 2018 heißt es: "Am Einsatzort teilten mir die Zeugen/ Schüler R. und S. mit, dass sie sich mit dem Geschädigten zum Rauchen im Stadtpark befunden hätten." Im Auskunftsbogen der Beklagten beantwortete der Mitschüler Niklas R. am 2. Februar 2018 die Frage, warum das Schulgelände verlassen worden sei mit: "Um in Ruhe eine zu rauchen". Es sei von der Schule erlaubt worden, das Gelände während der Pausen zu verlassen. Der Mitschüler J. S. gab am 14. Februar 2018 telefonisch gegenüber der Beklagten an, der Kläger habe am Unfalltag den Schulhof zum Rauchen verlassen. Man gehe regelmäßig zum Rauchen in den Stadtpark, so auch an diesem Tag. Der Vater des Klägers gab auf dem Fragebogen am 28. Januar 2018 an, der Kläger habe das Schulgelände verlassen, "um die Pause in ruhigerer Umgebung des Stadtparks zu verbringen". Schülern ab der 10. Klasse sei es mit Erlaubnis der Eltern ebenso wie volljährigen Schülern erlaubt, das Schulgelände zu verlassen. Infolge des Unfallereignisses konnte der Kläger an den anstehenden Abitur-Prüfungen nicht teilnehmen. Die Teilnahme des Klägers an einer zeitlich versetzten Wiederholung der Abitur-Prüfungen nach seiner Genesung blieb erfolglos. Mit Bescheid vom 20. April 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Behandlung zu Lasten der Beklagten abgebrochen werde. Ein Schulunfall liege nicht vor. Eine versicherte Tätigkeit habe nicht vorgelegen, weil der Kläger den Schulhof zum Rauchen verlassen habe und der Verzehr von Genussmitteln sowie die damit zusammenhängenden Wege dem privaten, nicht versicherten Bereich angehörten. Das Aufsuchen des Stadtparks sei aus eigenwirtschaftlichen Zwecken erfolgt, sodass der Kläger nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2018 ist im Wesentlichen ausgeführt, die objektive Handlungstendenz des Klägers sei maßgeblich auf das eigenwirtschaftliche Interesse des Rauchens ausgerichtet gewesen. Unter Berücksichtigung der extremen Wetterlage an diesem Tag mit Herausgabe einer Unwetterwarnung am Vormittag gebe es keine Hinweise darauf, dass der Erholungscharakter für das Verlassen des Schulgeländes im Vordergrund gestanden habe. Eine Erholung hätte auch auf dem Schulgelände stattfinden können. Schließlich könne auch ein gruppendynamisches Verhalten, das zu einem gesetzlichen Unfallschutz hätte führen können, nicht festgestellt werden. Der Kläger sei bereits volljährig und habe die Entscheidung, das Schulgelände zum Rauchen zu verlassen, bewusst getroffen. Daher sei Unfallversicherungsschutz abzulehnen. Mit der Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe mit seinen Freunden das Schulgelände verlassen, um im Stadtpark seine Pause zu verbringen und sich dort vom Schulbetrieb in ruhiger Umgebung zu erholen. Das Rauchen sei auf dem Schulgelände verboten und die Schüler seien dazu angehalten, den Schulhof zum Rauchen zu verlassen. Das Verlassen des Schulhofs - auch zum Rauchen - sei von der Schule gestattet. Insgesamt sei das Rauchen nebensächlich gewesen. Der herabgefallene Ast sei daher nicht seinem persönlichen, eigenwirtschaftlichen Risiko zuzurechnen. Dies beruhe darauf, dass Freistunden und Pausen auch außerhalb des Schulgeländes vom Versicherungsschutz erfasst seien. Eine mit dem Rauchen spezifische Gefahr, die den Versicherungsschutz hätte entfallen lassen können, sei nicht eingetreten. Selbst wenn er das Schulgelände nur zum Rauchen verlassen hätte, so liege im Zweifel eine geringfügige private Unterbrechung vor, die keine Rolle für die Wertung des Unfalls als Versicherungsfall spielen könne. So habe das Bundessozialgericht (BSG) in einem Fall für das Zündeln mit Explosionsmitteln durch Schüler entschieden. Werde eine geringfügige private Unterbrechung ebenfalls abgelehnt, so sei im Zweifel eine gemischte Tätigkeit gegeben. Im Rahmen der gemischten Tätigkeit habe die Erholung im Stadtpark im Vordergrund, das Rauchen dagegen im Hintergrund gestanden, sodass sein gesamtes Verhalten vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz erfasst werde. Auch müsse die Beklagte die Eigenart eines Jugendlichen berücksichtigen. Diese sei aufgrund einer Entscheidung des BSG mangels Annahme schematischer Altersgrenzen auch bei einem bereits Volljährigen anzuwenden. Hier spiele das gruppendynamische Verhalten von Schülern eine wesentliche Rolle, das in seinem Falle ebenfalls zu berücksichtigen sei. Die Beklagte dürfe den Versicherungsschutz nicht allein mit dem Argument "wegwischen", dass das Rauchen im Vordergrund gestanden habe. Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2019 Beweis erhoben unter anderem durch die Vernehmung der Schulleiterin des H.-Gymnasiums. Diese hat angegeben, das Rauchen sei auf dem Schulgelände verboten, sodass weder Schüler noch Lehrer auf dem Schulgelände rauchen dürften. Das Schulgelände sei sehr groß und grenze auf der einen Seite an den Stadtpark. Dort sei auch der Ein- und Ausgang, der insbesondere in den Pausen von Lehrkräften beaufsichtigt werde. Eine Raucherregelung existiere nicht, weil auf dem Schulgelände das Rauchen verboten sei. Die Unterrichtszeiten gestalteten sich in der Weise, dass immer 90 Minuten Unterricht sei und dann eine 30-minütige Pause folge. Kleine Pausen gebe es nicht. Die Pausenaufsichten erfolgten durch die Lehrkräfte, das seien regelmäßig 10-12 Personen, die eine aktive Pause gestalteten. Die Schüler bis zu den 9ten Klassen sollten sich draußen aufhalten und dürften das Schulgelände nicht verlassen. Die Schüler ab der 10ten Klasse dürften das Schulgelände verlassen. Dies werde durch die Pausenaufsichten kontrolliert, ggf. durch Vorzeigen des Schülerausweises. Das Schulgelände werde verlassen, um sich u.a. frei zu bewegen, essen zu kaufen, spazieren zu gehen oder um zu rauchen. Die Schulleitung gehe davon aus, dass ab der 10ten Klasse die Schüler reif genug seien, sich außerhalb des Schulgeländes zu bewegen. Die Eltern seien in der Weise darüber informiert, dass sie dies entsprechend unterschreiben müssten, als Information. Ab 18 Jahren sei dies nicht mehr relevant. Man halte die Schüler regelmäßig an, sich gut außerhalb des Schulgeländes zu verhalten. Dies sei ein alltägliches und geläufiges Verfahren, sodass hierüber mit den Schülern nichts Schriftliches festgehalten werde. Bei Regen dürften die Schüler (insbesondere bis zu den 9ten Klassen), die sonst aus den Gebäuden rausmüssten, in den Schulgebäuden bleiben. Es gingen trotzdem einige hinaus, sodass die Pausenaufsichten sich sowohl innen als auch draußen aufhielten. Oberstufenschüler würden ihrer Wahrnehmung nach oft auch bei schlechtem Wetter das Schulgelände verlassen. Die Schule habe 1450 Schüler. Es sei eine sehr alte Schule und im Verhältnis sei der Schulhof sehr klein. Nach heutigen Maßstäben sei dieser doppelt so groß auszugestalten. Wenn man wirklich Ruhe zur Erholung brauche, sei dies auf dem Schulhof in der Pause fast nicht möglich, weil die jüngeren Schüler dort spielten und sehr laut seien. Eine Erholung auf dem Pausenhof und in den Schulgebäuden sei aber grundsätzlich möglich. Bei extremen Wetterlagen gebe es zumindest seit dem letzten Jahr neue Hinweise von der Schulbehörde. Sie selbst habe Warnhinweise bei Glatteis gemacht und nach dem Unfall des Klägers gebe sie auch Sturmwarnungen, dass keiner in den Stadtpark gehen soll, entsprechend an die Schüler weiter. Für die Oberstufenschüler sei wegen des Lärms und der eingeschränkten Sitzmöglichkeiten der Stadtpark schon zum Teil als erweiterter Pausenhof zu sehen. Mit Urteil vom 29. November 2019 hat das Sozialgericht unter Aufhebung des Bescheides vom 20. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2018 festgestellt, dass das Ereignis vom 18. Januar 2018 ein Arbeitsunfall sei. Insbesondere habe der Kläger während des Aufenthalts im Stadtpark zur Erholung vom Schulunterricht in der zweiten großen Schulpause eine versicherte Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ausgeübt. Dazu gehörten Verrichtungen eines Schülers während des Besuchs einer allgemeinbildenden Schule. Nach der Rechtsprechung des BSG sei das Merkmal "während des Besuchs von allgemeinbildenden Schulen" dahin zu verstehen, dass der Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift beschränkt sei auf diejenigen Veranstaltungen, die in den organisatorischen Verantwortungsbereich der besuchten Schule fielen. Dem Versicherungsschutz unterlägen in erster Linie Betätigungen während des Unterrichts, in den dazwischenliegenden Pausen und solche im Rahmen sogenannter Schulveranstaltungen. Außerhalb dieses Verantwortungsbereichs bestehe in der Regel auch kein Versicherungsschutz bei Verrichtungen, die wesentlich durch den Schulbesuch bedingt seien und ihm deshalb an sich nach dem Recht der gewerblichen Unfallversicherung zuzuordnen wären. In der Schülerunfallversicherung bedürfe es beispielsweise bei Veranstaltungen eines engeren ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Teilnahme an der Veranstaltung und dem Schulbesuch. Dieser ursächliche Zusammenhang sei nur dann gegeben, wenn die betreffende Veranstaltung von der besuchten Schule organisatorisch getragen werde. Dies gelte für alle Lehrplanveranstaltungen, für nicht in den Lehrplan aufgenommene Veranstaltungen nur dann, wenn es sich um eine Veranstaltung der besuchten Schule handele, diese mithin organisatorisch von ihr getragen werde. Hiermit habe der Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass ein Versicherungsschutz nur dann bestehe, wenn die Schule die Möglichkeit habe, auf den Ablauf der Veranstaltung Einfluss zu nehmen und so die sich hieraus ergebenden Gefahren zu mindern. Versicherungsschutz sei hingegen nicht anzunehmen für Unfälle, die sich außerhalb des Bereichs jeder Einwirkungsmöglichkeit einer ordnungsgemäßen schulischen Aufsicht ereigneten. Die innere schulische Verbundenheit von Unfallereignis und Verletztem, die in dem Unfall zum Ausdruck kommen müsse, erfordere stets, dass die konkrete Verletzungshandlung durch die Besonderheiten des Schulbetriebs geprägt sei, was i.d.R. eine engere räumliche und zeitliche Nähe zu dem organisierten Betrieb der Schule voraussetze. Der unmittelbare räumliche und zeitliche Zusammenhang zum Schulbesuch entfalle grundsätzlich, wenn schulische Aufsichtsmaßnahmen nicht mehr gewährleistet seien. Allerdings könne auch dann Versicherungsschutz in der Schülerunfallversicherung bestehen, wenn der räumlich-zeitliche Zusammenhang (z.B. bei Klassenfahrten, Museums- und Theaterbesuchen ggf. außerhalb der Unterrichtszeit) oder wirksame schulische Aufsichtsmaßnahmen (z.B. bei Schülerbetriebspraktika im In- und Ausland; Tätigkeiten in der Schülermitverwaltung) weitgehend gelockert seien. Ein "Besuch der Schule", wie ihn § 2 Abs. 2 Nr. 8&8201;Buchst. b SGB VII tatbestandlich voraussetze, finde folglich nicht ausschließlich im Schulgebäude und auf dem Schulgelände statt. Auch Unfälle außerhalb des Schulgeländes könnten daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zu Haftungsfragen schulbezogen sein, wenn sie auf die Vor- oder Nachwirkungen des Schulbetriebs zurückzuführen seien. Der Kläger sei während der Erholungspause im Stadtpark versichert gewesen, weil diese Tätigkeit von dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule mitgetragen worden sei, auch wenn der Stadtpark nicht unmittelbarer Teil des Schulgeländes sei. Dies ergebe sich für die Kammer aus der Zeugenaussage der Schulleiterin. Denn der räumliche Verantwortungsbereich der Schule sei aufgrund der räumlichen Nähe zum Schulgelände/-hof und dem stark begrenzten Platzangebot des Schulhofes für die Schüler des H.-Gymnasiums auf den Stadtparkbereich gelockert gewesen. Der Stadtpark werde von der Schule für die Erholungspausen als "erweiterter Schulhof" nicht nur toleriert, sondern auch befürwortet. Auf eine solche Handhabung bzw. regelmäßige Übung der Schulpausengestaltung ab der 10. Klasse zur Erholung nehme die Schule insofern "organisatorischen" Einfluss, als dass sie den Schülern ab dieser Klassenstufe und vor Erreichen der Volljährigkeit - mit schriftlicher Bestätigung der Eltern - das Verlassen des Schulgeländes zur Erholung konkret erlaube. Dabei genüge bereits die Unterschrift der Eltern, es erfolge nach Aussage der Zeugin keine weiteren Hinweise auf Haftung oder "Versicherungsschutz" etc. an die Eltern. Diese grundsätzliche Erweiterung des organisatorischen Verantwortungsbereiches sei auch daran zu erkennen, dass die Schule den Schülern aufgebe, sich außerhalb des Schulgeländes ordnungsgemäß zu verhalten. Die Schule bzw. die Schulleitung halte insoweit die Schüler regelmäßig dazu an, sich entsprechend zu verhalten. Die Nutzung des Stadtparks als ausgelagerter (erweiterter) Schulhof für die Oberstufenschüler zum Zwecke einer Erholung vom Schulunterricht in ruhiger Atmosphäre werde auch durch die Aussage des Zeugen Niklas R. bestätigt. Dieser habe vorgetragen, dass er mit dem Kläger und dem Zeugen J. S. hinausgegangen sei, um frische Luft zu schnappen. Im Stadtpark wären sie herumgelaufen und hätten sich unterhalten. Der Zeuge verbringe seine Pausen regelmäßig draußen, indem er sich etwas zu Essen hole oder in den Stadtpark zur Erholung gehe. Dies tue er auch als Nichtraucher. Am Tage des Unfallgeschehens habe er keine Unwetterwarnungen mitbekommen, vielmehr sei der Stadtpark in den Wochen davor bereits von umgefallenen Bäumen befreit worden. Er sei in letzter Sekunde vor dem herabfallenden Ast weggesprungen und dadurch nicht getroffen worden. Nichts Anderes ergebe sich aus den Aussagen der beiden weiteren Zeugen J. S. und Wiebke Rasch. Der sachliche Zusammenhang zwischen dem Aufenthalt des Klägers im Stadtpark und dem Besuch der allgemeinbildenden Schule sei durch das Rauchen nicht entfallen, da es nach der objektiven Handlungstendenz des Klägers maßgeblich auf die Erholung vom Schulunterricht und nicht wesentlich auf das Rauchen angekommen sei. Der Aufenthalt des Klägers im Stadtpark sei trotz des Rauchens nicht als unversicherte, eigenwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen. Schließlich komme es auf die Prüfung einer gemischten Tätigkeit oder einer geringfügigen Unterbrechung nicht an. Die Unfallkausalität sei gegeben. Der versicherte Aufenthalt des Klägers im Stadtpark zur Erholung vom Schulunterricht als versicherte Tätigkeit sei kausal und wesentlich für das Unfallereignis. Allein dieser Erholungsaufenthalt habe zum Unfallereignis geführt. Die nichtversicherte Tätigkeit des Rauchens habe keine wesentliche Bedeutung für das Unfallereignis, denn infolge des Rauchens habe sich keine Gefahr realisiert, die zum Unfallereignis geführt habe. Im vorliegenden Fall habe sich die Gefahr aus dem Spaziergang im Park realisiert, nicht etwa eine rauchspezifische Gefahr. Das Rauchen habe mangels besonderer Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt nicht wesentlich beigetragen. Die Beklagte hat gegen das ihr am 23. Dezember 2019 zugestellte Urteil am 9. Januar 2020 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, es sei in dem erstinstanzlichen Urteil keine Auseinandersetzung mit den Erstangaben der beteiligten Schüler erfolgt, aus welchen sich eine private Handlungstendenz entnehmen lasse. Diesen Erstangaben komme, weil sie von versicherungsrechtlichen Überlegungen unbeeinflusst seien, grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu. Auch ein Spaziergang in der Pause außerhalb des Schulgeländes sei grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzuordnen. Laut einem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes habe im Übrigen zum Unfallzeitpunkt starker Schneefall geherrscht, was einen Spaziergang zur reinen Erholung nahezu ausschließe. Dass der Stadtpark in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule falle, sei auszuschließen. Eine Pausenaufsicht werde dort nicht ausgeübt. Aufgrund der Torkontrollen Ende der Verantwortungsbereich der Schule eindeutig am Schultor. Wesentliches Kennzeichen einer schulisch organisierten Veranstaltung sei, dass sie unter Aufsicht der Schule stattfinde. Hier sei es jedoch ständige Übung, dass die Schule das Verlassen des Schulgeländes in die Verantwortung der Eltern bzw. des volljährigen Schülers stelle und die Schüler wüssten, dass im Stadtpark keine Kontrolle durch die Schule stattfinde. Im Übrigen stelle eine Ausweitung des organisatorischen Verantwortungsbereiches der Schule auf den Stadtpark eine grenzenlose Ausdehnung des Unfallversicherungsschutzes dar. Das Urteil werfe die Frage auf, wo der Schutz beginnen und enden solle. Nach dem Urteil seien die Schüler dann ja beispielsweise auch beim privaten Einkauf im Stadtpark versichert, was eine klare Ungleichbehandlung mit anderen, identischen Sachverhalten außerhalb des Stadtparks bedinge. Schon aus Gründen der Rechtsklarheit könne sich der gesetzliche Unfallversicherungsschutz während des Schulbetriebs nur auf das Schulgelände beziehen.

Fundstelle(n):
LAAAH-68327

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LSG Hamburg, Urteil v. 28.10.2020 - L 2 U 1/20

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