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StuB Nr. 2 vom Seite 54

Einschätzung der wirtschaftlichen Lage in Zeiten der Corona-Pandemie

Insolvenz- und handelsrechtliche Kernpunkte und Gestaltungsmöglichkeiten

Prof. Dr. Stefan Müller und Dr. Jens Reinke

Die derzeitige Corona-Pandemie und die Maßnahmen zu deren Bekämpfung bedeuten für sehr viele Unternehmen bislang kaum gekannte Unsicherheiten für die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage. Diese ist aber für die Steuerung und die Abbildung des Unternehmens unabdingbar. Teilweise mit empfindlichen Sanktionen verbunden sind dabei pflichtgemäß vorzunehmende Abschätzungen auf Basis der insolvenz- und handelsrechtlichen Vorschriften und deren Auslegungen durchzuführen. Daher sollen im Folgenden kurz die Implikationen aus der Insolvenzantragspflicht sowie der Unternehmensfortführungsprognose nach § 252 Abs. 1 Satz 2 HGB im Besonderen und der weiteren Rechnungslegung im Allgemeinen herausgearbeitet werden.

Zwirner/Zimny/Vodermeier, Jahresabschluss 2020 in der Corona-Pandemie, Beilage zu StuB 21/2020 S. 1, NWB UAAAH-62336

Kernfragen
  • Welche Einschätzungen müssen im Rahmen der Insolvenzantragspflicht aktuell und trotz der bestehenden Unsicherheiten getroffen werden?

  • Wie ist die Fortführungsprognose nach § 252 Abs. 1 Satz 2 HGB zu treffen und wie wirkt hier die Unsicherheit?

  • Welchen Einfluss hat der Aufstellungszeitpunkt auf Ansatz, Bewertung und Ausweis?

I. Einleitung

Nach ca. einem Jahr der Corona-Pandemie haben Legislative, Exekutive und Judikative eine Vielzahl von Regelungen zur Bekämpfung getroffen, die auch wirtschaftliche Handlungsfreiräume einschränken (müssen). Die naturgemäß schwer steuerbaren Folgen führen dabei häufig zu sehr kurzfristigen Entscheidungen, so dass viele Unternehmen kaum noch längere Planungssicherheiten haben. Als eine Reaktion darauf wurde im Frühjahr 2020 die Insolvenzantragspflicht – sofern der Grund der Insolvenz in der Corona-Pandemie zu sehen war – ausgesetzt und ab nur beschränkt auf die Zahlungsunfähigkeit nach §§ 17 f. InsO wieder eingeführt. Seit dem gilt auch grds. wieder die Überschuldung nach § 19 InsO als Insolvenzantragsgrund. Mit dem Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) kann allerdings im Januar 2021 noch von der Insolvenzantragspflicht nach § 15 InsO abgesehen werden, wenn ein Antrag auf November- und/oder Dezemberhilfen gestellt wurde und dieser Antrag Aussicht auf Erfolg hat sowie damit die Gründe für die Insolvenzantragspflicht beseitigt werden (§ 1 Abs. 3 COVInsAG i. d. F. des SanInsFoG). Dies bedingt eine stetige Betrachtung der Insolvenzgefahr des Unternehmens, um nicht die empfindlichen Sanktionen zu riskieren, die aus einer möglichen Verschleppung resultieren. [i]Bonnecke, Corona-induzierte Bestandsgefährdung, StuB 23-24/2020 S. 946, NWB BAAAH-65277 Mujkanovic, Ist die Überschuldung als Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren überflüssig?, StuB 16/2020 S. 632, NWB CAAAH-55924 Mujkanovic, Going concern in der Corona-Krise, StuB 12/2020 S. 455, NWB WAAAH-50816 Lüdenbach, Auswirkungen der Corona-Krise auf den Betreiber eines Vergnügungsparks, StuB 8/2020 S. 315, NWB BAAAH-46365 Rinker, Auswirkungen des Corona-Virus auf den HGB-Jahresabschluss und Lagebericht, StuB 7/2020 S. 256, NWB QAAAH-45349

Unverändert sind die Vorgaben für die Rechnungslegung geblieben, d. h. es ist für die anstehende Aufstellung von Abschluss und Lagebericht für das Geschäftsjahr 2020 zwingend, die wirtschaftliche Lage für die Bestätigung der S. 55Unternehmensfortführungsprämisse, die Bestimmung der Bilanzierung und die Formulierung der Pflichtangaben in Anhang und Lagebericht einzuschätzen. Dabei kommt der Problematik der Abgrenzung der wertaufhellenden und wertbegründenden Ereignisse eine besondere Bedeutung zu. Die hohen Unsicherheiten über den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie, der nötigen Maßnahmen zu deren Bekämpfung sowie über die staatlichen Hilfsprogramme, um die Auswirkungen wirtschaftlich abzumildern, führen hier zu ganz besonderen Herausforderungen.

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