BGH Beschluss v. - VIII ZA 6/20

Beiordnung eines Notanwalts: Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung bei Berufung ohne Erreichen des Beschwerdewerts

Gesetze: § 2 ZPO, § 3 ZPO, § 78b ZPO, § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 1 S 238/19vorgehend Az: 224 C 273/17nachgehend Az: VIII ZA 6/20 Beschluss

Gründe

I.

1Durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts Köln wurde der Beklagte - ein Rechtsanwalt - verurteilt, Technikern der Firma T.    E.    S.      GmbH nach Vorankündigung und innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens den Zutritt zu seiner von der Klägerin gemieteten Wohnung zwecks Anbringung von Rauchmeldern zu dulden.

2Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde durch zweites Versäumnisurteil verworfen. Einen nochmaligen "Einspruch" hiergegen hat das Amtsgericht Köln durch Urteil als unzulässig, da nicht statthaft (§§ 345, 514 Abs. 2 ZPO) und nicht fristgerecht erhoben, verworfen.

3Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Diese hat das als unzulässig verworfen. Der Wert der Beschwer liege - ebenso wie der Streitwert - bei lediglich 500 €. Durch die Duldung werde der Beklagte "allenfalls unwesentlich und über einen überschaubaren Zeitraum belastet". Auf eine Beschwer des Beklagten durch ein von der Klägerin weiter betriebenes Räumungsverfahren komme es nicht an.

4Zur Einlegung und Begründung einer hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde - wozu er vorsorglich um Wiedereinsetzung nachsucht - beantragt der Beklagte die Beiordnung eines Notanwalts.

II.

5Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b ZPO ist erfolglos.

6Hiernach kann einer Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

71. Die zuerst genannte Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Partei trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden hat. Ihre diesbezüglichen Bemühungen hat die Partei dem Gericht - innerhalb der Rechtsmittelfrist - substantiiert darzulegen und nachzuweisen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZA 14/11, WuM 2011, 699 Rn. 3; vom - VIII ZR 239/12, NJW 2013, 1011 Rn. 3; vom - III ZA 22/16, juris Rn. 3; jeweils mwN). Darzulegen ist in diesem Zusammenhang, welche Rechtsanwälte aus welchen Gründen zur Übernahme des Mandats nicht bereit waren (Senatsbeschluss vom - VIII ZB 80/11, juris Rn. 9).

8Daran fehlt es hier. Der Beklagte hat zwar innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt, aber nicht dargelegt, aus welchen Gründen die von ihm genannten Rechtsanwälte zur Übernahme des Mandats nicht bereit waren. Seine bloße Erklärung, die Rechtsanwälte hätten eine Vertretung abgelehnt, genügt den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung und einen Nachweis nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - III ZB 4/95, NJW-RR 1995, 1016 unter 2; vom - V ZA 14/11, aaO). Darauf ist der Beklagte auch mit Schreiben des hingewiesen worden.

92. Im Übrigen ist die Rechtsverfolgung aussichtslos.

10a) Aussichtslosigkeit ist immer dann gegeben, wenn ein günstiges Ergebnis der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XI ZR 5/12, juris Rn. 1; vom - IX ZR 155/17, juris Rn. 4; vom - III ZR 85/19, juris Rn. 5).

11b) Dies ist hier der Fall. Die Berufung des Beklagten war mangels Erreichens des Beschwerdewerts unzulässig.

12aa) Gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Berufung gegen ein Urteil, in dem das Gericht erster Instanz - wie im Streitfall - die Berufung nicht zugelassen hat, nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € übersteigt. Nach §§ 2, 3 ZPO wird der Wert des Beschwerdegegenstands vom Berufungsgericht nach freiem Ermessen festgesetzt. Die Bewertung des Rechtsmittelinteresses kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht bei der seinem freien Ermessen unterliegenden Wertfestsetzung die Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise, mithin fehlerhaft, Gebrauch gemacht hat. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn das Berufungsgericht bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden Umstände nicht umfassend berücksichtigt hat (vgl. , WRP 2013, 1364 Rn. 10; vom - VIII ZR 79/14, NJW 2015, 873 Rn. 14; Beschlüsse vom - III ZB 20/14, MMR 2015, 136 Rn. 8; vom - VIII ZB 66/18, NJW 2019, 2468 Rn. 9).

13bb) Solche Ermessensfehler sind dem Berufungsgericht vorliegend nicht unterlaufen.

14Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich der Beschwerdewert nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers. Das gilt auch, wenn dieser - wie hier - zur Duldung der Zutrittsgewährung verurteilt worden ist und sich dagegen wendet (vgl. , NJW-RR 2010, 1081 Rn. 8). Maßgebend ist somit das Interesse des Beklagten den Zutritt zu seiner Wohnung zwecks Anbringung der Rauchmelder nicht dulden zu müssen. Die Erfüllung dieses Anspruchs der Klägerin verlangt vom Beklagten keine besonderen Aufwendungen. Das Zutrittsrecht besteht nur nach einer Vorankündigung mit einer Frist von fünf Tagen und dient ausschließlich zur einmaligen Anbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Rauchmelder. Anders als der Beklagte meint, ändert der Umstand, dass "auch noch zwei weitere nicht benannte Personen" anwesend seien, um die Rauchmelder anzubringen, hieran nichts. Vor diesem Hintergrund sind - anders als bei einer dauerhaft bestehenden Verpflichtung zur Zutrittsgewährung (vgl. hierzu , NJW-RR 2007, 1384 Rn. 8) - Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwer den von dem Berufungsgericht geschätzten Betrag von 500 € übersteigen könnte, nicht erkennbar.

15Ein Fall von § 514 Abs. 2 ZPO, bei welchem die Zulässigkeit der Berufung nicht vom Wert des Beschwerdegegenstands abhängt, lag nicht vor, da der Beklagte gegen das - mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene - zweite Versäumnisurteil keine Berufung, sondern erneut ausdrücklich "Einspruch" und erst gegen das diesen als unzulässig verwerfende Urteil - die unzulässige - Berufung eingelegt hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:201020BVIIIZA6.20.0

Fundstelle(n):
NAAAH-67658