StuB Nr. 1 vom Seite 1

Der FISG-RegE als Weihnachtsgeschenk

Prof. Dr. Patrick Velte, Lüneburg |

Nicht einmal zwei Monate nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs für ein Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) wurde am der Gesetzentwurf für ein FISG veröffentlicht (vgl. Kurzmeldung ab S. 32). Die Maßnahmen konzentrieren sich weiterhin auf die Reform des deutschen Enforcement-Systems und der Abschlussprüfung . Kontrovers diskutiert wird die Anhebung der Haftungsvorschriften für die Abschlussprüfer. In diesem Kontext liegen die weitreichendsten Anpassungen gegenüber dem RefE vor. Es erfolgte im Gesetzentwurf eine deutliche Abmilderung und unternehmensspezifische Abstufung der Haftungsgrenzen. So soll die Haftungsobergrenze für fahrlässiges Fehlverhalten des Abschlussprüfers bei Kapitalgesellschaften, welche keine Public Interest Entities (PIEs) repräsentieren, auf 1,5 Mio. € (und nicht mehr auf 2 Mio. € wie ursprünglich beabsichtigt) angehoben werden. Bei Banken und Versicherungen, sofern diese nicht-kapitalmarktorientierte PIEs darstellen, ist dagegen eine Haftungsgrenze von 4 Mio. € geplant. Für kapitalmarktorientierte PIEs ist eine Grenze von 16 Mio. € (anstelle von ursprünglich geplanten 20 Mio. €) in Aussicht gestellt. Die Beweislast für grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten der Abschlussprüfer soll ausdrücklich der Antragsteller tragen.

Der Gesetzentwurf für ein FISG sieht keine wesentlichen Anpassungen beim Vorstand und Aufsichtsrat im Vergleich zum RefE vor. Die geplante Einrichtung eines angemessenen und wirksamen internen Kontrollsystems (IKS) und Risikomanagementsystems (RMS) bei börsennotierten Aktiengesellschaften soll nicht länger in § 93 AktG, sondern in § 91 AktG integriert werden. Wenngleich der Gesetzgeber in der Begründung für ein FISG eine definitorische Abgrenzung eines IKS vornimmt, bleiben die Elemente eines RMS unklar. Auch wird nicht länger in der Gesetzesbegründung auf die Einrichtung eines Compliance Management (Systems) (CMS) hingewiesen. Die explizite Klarstellung der Einrichtungs- und Überwachungspflicht eines CMS bei börsennotierten Aktiengesellschaften durch Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer würde allerdings eine zielführende Maßnahme als Reaktion auf den Wirecard-Skandal und den Fall von Top Management Fraud darstellen. Mit Blick auf den Aufsichtsrat enthält der RegE ausdrücklich eine künftige Verpflichtung, bei PIEs zwei Finanzexperten vorzuhalten. Eine noch im RefE aufgeführte Möglichkeit, die geforderte Expertise auf den Gebieten Rechnungslegung und Abschlussprüfung bei einer Person zu bündeln, soll nicht mehr möglich sein. Begrüßenswert ist auch die sprachliche Klarstellung, dass sich der geplante direkte Informationszugriff zum einen auf den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses und zum anderen auf sämtliche Leiter derjenigen Zentralbereiche unterhalb des Vorstands bezieht, die für die Überwachungsaufgaben des Prüfungsausschusses relevant sind.

Fazit: Es ist bedauerlich, dass sich die Bundesregierung nicht genügend Zeit nimmt, eine ganzheitliche und sorgfältige Abwägung von künftigen Corporate Governance-Regulierungen als Reaktion auf den Wirecard-Skandal vorzunehmen. Die überwiegenden Reformmaßnahmen betreffen das Enforcement und die Abschlussprüfung, während die geplanten Regulierungen beim Vorstand und Aufsichtsrat sehr moderat ausfallen und unklar bleibt, ob das Fraud-Risiko hierdurch signifikant abgesenkt werden kann.

Patrick Velte

Fundstelle(n):
StuB 1/2021 Seite 1
NWB TAAAH-67092