Einkommensteuer | Berücksichtigung verlusterhöhender Besteuerungsgrundlagen (BFH)
Eine Besteuerungsgrundlage (hier: Altersentlastungsbetrag) ist einem Steuerbescheid "zu Grunde gelegt", wenn sie in ihm (in zutreffender Höhe) berücksichtigt ist. Zumindest bei einem auf null Euro lautenden Steuerbescheid ist nicht zusätzlich erforderlich, dass sie sich auf die Höhe der festzusetzenden Steuer ausgewirkt hat (Abgrenzung von ; ; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Altersentlastungsbetrag den Verlustabzug erhöht. Die Kläger wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Gesamtbetrag der Einkünfte belief sich beim Kläger auf -27.597 € und bei der Klägerin auf -1.095 €. Für den Kläger wurde ein Altersentlastungsbetrag von 1.216 € und für die Klägerin von 1.095 € abgezogen. Das FA setzte die Einkommensteuer für 2015 auf null € fest. Das Finanzamt ließ die Altersentlastungsbeträge bei der Feststellung des zum 31.12. verbleibenden Verlustabzugs unberücksichtigt und stellte den verbleibenden Verlust für den Kläger auf 26.381 € fest. Für die Klägerin unterblieb eine Feststellung.
Gegen beide Bescheide (Einkommensteuer und gesonderte Verlustfeststellung) erhoben der Kläger und seine Ehefrau Einsprüche, die das FA zurückwies. Die daraufhin erhobene Klage richtet sich gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung mit dem Antrag, den verbleibenden Verlustvortrag unter Einbeziehung des Altersentlastungsbetrags zu berechnen.
Das FG hat der Klage, ohne näher auf ihre Zulässigkeit einzugehen, stattgegeben ().
Der BFH hat das FG Urteil auf die Revision des FA aufgehoben:
Die Revision ist mit der Maßgabe begründet, dass die Klage unzulässig ist. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage als unzulässig (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Es fehlt die für die Erhebung einer Anfechtungsklage erforderliche Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO).
Gem. § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist bei der Anfechtung eines Steuerbescheids, in dem die Steuerschuld auf null € festgesetzt worden ist (sog. Nullbescheid), grundsätzlich nicht möglich. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn sich der Bescheid für den Kläger deshalb nachteilig auswirkt, weil in ihm angesetzte Besteuerungsgrundlagen im Rahmen anderer Verfahren verbindliche Entscheidungsvorgaben liefern (ständige Rechtsprechung, vgl. ).
Die Klage gegen einen auf null € lautenden Steuerbescheid ist zulässig, wenn geltend gemacht wird, eine den verbleibenden Verlustvortrag erhöhende Besteuerungsgrundlage sei in ihm nicht berücksichtigt (Beseitigung der negativen Bindungswirkung).
Ist die Besteuerungsgrundlage im Steuerbescheid berücksichtigt (positive Bindungswirkung), besteht jedoch Streit über die Frage, ob sie den verbleibenden Verlustvortrag erhöht (hier: Altersentlastungsbetrag), muss die Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid gerichtet werden. Im Steuerbescheid wird nicht über die Berechnung des Verlustvortrags entschieden.
Nach diesen Grundsätzen kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Das FG hat zu Unrecht die Zulässigkeit der Klage bejaht. Die Klage richtet sich ausdrücklich und eindeutig nur gegen den Einkommensteuerbescheid. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den ist nicht deshalb zum Gegenstand der Klage geworden, weil die gegen den Einkommensteuerbescheid und den Verlustfeststellungsbescheid gerichteten Einsprüche in der Einspruchsentscheidung verbunden worden sind und weil der Klageschrift eine Abschrift der Einspruchsentscheidung beigefügt war.
Für die gegen den Einkommensteuerbescheid gerichtete Klage fehlt die erforderliche Beschwer, weil die nach dem Vortrag des Klägers den Verlustabzug erhöhende Besteuerungsgrundlage, nämlich der Altersentlastungsbetrag gem. § 24a EStG, in diesem Bescheid nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten in zutreffender Höhe berücksichtigt ist. Damit entfaltet der Bescheid die vom Kläger erstrebte positive Bindungswirkung für die Verlustfeststellung. Die Frage, ob der Altersentlastungsbetrag den Verlustabzug erhöht, betrifft dagegen die Berechnung des verbleibenden Verlustvortrags und kann unter den gegebenen Umständen nur im Verfahren gegen den Feststellungsbescheid geklärt werden. Wäre auch die Höhe des Altersentlastungsbetrags streitig, hätte der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid und den Feststellungsbescheid Klage erheben müssen.
Anmerkung von Dr. Nils Trossen, Richter im IX. Senat des BFH:
Die Entscheidung berührt zum einen das Verhältnis von Einkommensteuerbescheid und Verlustfeststellungsbescheid und zum anderen die Frage, ob der Altersentlastungsbetrag den Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG erhöht.
Wird die Berücksichtigung eines höheren Verlustvortrags begehrt, muss aufgrund der in § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG geregelten (und in der Praxis häufig übersehenen) Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheids für den Verlustfeststellungsbescheid neben der Verlustfeststellung auch die Einkommensteuerveranlagung mit dem Einspruch angegriffen und offen gehalten werden. Denn wird die gesonderte Feststellung eines höheren Verlustvortrags erstrebt, muss gegen den Einkommensteuerbescheid des Entstehungsjahrs oder des Rücktragsjahrs vorgegangen werden, wenn und soweit in diesen Bescheiden Besteuerungsgrundlagen nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt worden sind, aus denen sich die geltend gemachte Erhöhung des Verlustvortrags ergibt. Dies gilt auch im Fall eines Null-Bescheids. Erst wenn die den Verlustabzug erhöhende Besteuerungsgrundlage im Einkommensteuerbescheid berücksichtigt ist, kann der Verlustfeststellungsbescheid geändert oder erstmalig erlassen werden. Daher ist insbesondere bei der Einlegung eines Einspruchs durch Formulierung einer klaren und eindeutigen Betreffzeile darauf zu achten, dass eindeutig beide Bescheide angegriffen werden.
Der Altersentlastungsbetrag erhöht nicht den vortragsfähigen Verlust und hat mithin auf diesen keine Auswirkung. Dies folgt - auch wenn dies der BFH aufgrund der Abweisung der Klage als unzulässig nicht entscheiden brauchte - eindeutig aus dem Gesetz, wonach sich die Höhe des Verlustvortrags anhand der nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 und Abs. 2 EStG ermittelt (§ 10d Abs. 4 Satz 2 EStG). Mit der Umstellung der Rentenbesteuerung wird der Altersentlastungsbetrag, der aktuell 16 % der Einkünfte und höchstens 760 € beträgt, weiter bis zum Jahr 2040 auf 0 € abgeschmolzen.
Quelle: ; NWB Datenbank (RD)
Fundstelle(n):
DAAAH-66902