Verfahren der Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Umgangsrechtsentscheidung: Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Rechtsbeschwerde und Darlegungslast des Rechtsbeschwerdeführers
Leitsatz
Eine nach § 28 IntFamRVG im Verfahren der Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Umgangsrechtsentscheidung statthafte Rechtsbeschwerde ist nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Der Beschwerdeführer muss den Zulassungsgrund bzw. die Zulassungsvoraussetzungen nicht nur benennen, sondern auch zu den jeweiligen Voraussetzungen substantiiert vortragen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom - XII ZB 170/11, FamRZ 2012, 1561).
Gesetze: § 1 Nr 2 IntFamRVG, § 28 IntFamRVG, § 29 S 1 IntFamRVG, § 574 Abs 1 S 1 Nr 1 ZPO, § 574 Abs 2 ZPO, § 575 Abs 3 Nr 2 ZPO, Art 26 KSÜ
Instanzenzug: Hanseatisches Az: 12 UF 39/19vorgehend Az: 289 FH 3/17
Gründe
I.
1Der Antragsteller begehrt die Vollstreckbarerklärung einer russischen Umgangsrechtsentscheidung.
2Der Antragsteller ist der Vater des im Januar 2006 geborenen Kindes N. und des im August 2008 geborenen Kindes V., die aus seiner in der Russischen Föderation geführten und im Jahre 2011 geschiedenen Ehe mit der Antragsgegnerin hervorgegangen sind. Nach der Trennung der Eltern lebten die beiden Kinder bei der Mutter. Am erließ das russische Bezirksgericht Oktjabrskij in Wladimir eine Entscheidung, mit der Umgang des Antragstellers an seinem Wohnort mit den beiden Kindern wöchentlich jeweils von Samstag, 17.00 Uhr, bis Sonntag, 19.00 Uhr, bestimmt wurde. Im Juli 2015 zog die Antragsgegnerin mit den beiden Kindern nach Deutschland um, wo sie nach wie vor wohnt.
3Der Antragsteller hat im Jahre 2016 beim Amtsgericht die Vollstreckbarerklärung der Umgangsentscheidung vom beantragt. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Leninskij in Wladimir vom wurde der Umgang des Antragstellers dahingehend abgeändert, dass er am Wohnort der Kinder in Deutschland sowie bei deren Ferienbesuchen auch auf dem Gebiet der Russischen Föderation an bestimmten Orten und mit einer Mindestdauer von zwei Stunden zur Tageszeit zu erfolgen habe. Hiergegen legte der Antragsteller Rechtsmittel ein. Mit Schriftsatz vom hat die Antragsgegnerin dem Amtsgericht die Kopie einer russischen Gerichtsentscheidung übersandt und mitgeteilt, das Rechtsmittel des Antragstellers sei damit wie folgt beschieden worden: „Die Entscheidung des Bezirksgerichts Leninskij der Stadt Vladimir vom wird ohne Änderung belassen und die Gegenklage (Rechtsmittel) [des Antragstellers] wird abgewiesen.“
4Daraufhin hat das den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückgewiesen, weil die Umgangsrechtsentscheidung vom durch die in der Russischen Föderation zwischenzeitlich ergangenen neuen Entscheidungen erster und zweiter Instanz zum Umgang ihre Wirksamkeit verloren habe.
5Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist ohne Erfolg geblieben. Das Oberlandesgericht hat den Antragsteller mit einem ihm im Wege der Auslandszustellung bekannt gegebenem, mit Gründen versehenem Hinweisbeschluss vom auf seine Absicht hingewiesen, die Beschwerde ohne mündliche Erörterung zurückzuweisen, und - nachdem der Antragsteller hierzu nicht mehr Stellung genommen hat - mit Beschluss vom wie angekündigt entschieden. Die Vollstreckbarkeit sei nicht anzuordnen, da mit dem Beschluss des Bezirksgerichts vom eine abändernde und neuere Umgangsrechtsentscheidung vorliege.
6Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Rechtsbeschwerde, mit der er seinen Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Beschlusses vom weiterverfolgt.
II.
7Die Rechtsbeschwerde ist zwar gemäß §§ 1 Nr. 2, 28 IntFamRVG, Art. 26 KSÜ, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ohne Zulassung statthaft, da die Russische Föderation und Deutschland Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom (Kinderschutzübereinkommen - KSÜ; BGBl. 2009 II S. 602, 603) sind. Die Rechtsbeschwerde ist aber unzulässig, weil die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
81. Gemäß § 28 IntFamRVG findet gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nach Maßgabe des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO statt. Nach § 29 Satz 1 IntFamRVG ist § 575 Abs. 1 bis 4 ZPO entsprechend anzuwenden. Gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Begründung der Rechtsbeschwerde in den Fällen des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, also wenn die Rechtsbeschwerde - wie hier - aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung statthaft ist, eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO enthalten. Nach dieser Bestimmung ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (Nr. 2). Der Beschwerdeführer muss den Zulassungsgrund bzw. die Zulassungsvoraussetzungen nicht nur benennen, sondern auch zu den jeweiligen Voraussetzungen substantiiert vortragen (Senatsbeschluss vom - XII ZB 170/11 - FamRZ 2012, 1561 Rn. 8 f. mwN).
92. Diesen Anforderungen wird die Rechtsbeschwerdebegründung des Antragstellers nicht gerecht.
10Die Rechtsbeschwerde trägt zwar vor, dass das Oberlandesgericht gegen seine Amtsermittlungspflicht aus § 26 FamFG verstoßen habe, weil es ohne deutsche Übersetzung der von der Antragsgegnerin am vorgelegten russischen Rechtsmittelentscheidung entschieden habe. Sie macht geltend, darin liege eine Verletzung des Anspruchs des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG sowie des fair-trial-Grundsatzes, was den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) begründe.
11Damit ist aber ein Zulassungsgrund nicht in der erforderlichen Art und Weise dargelegt. Zum einen ergibt sich eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten nicht aus dem Vorbringen des Antragstellers in der Rechtsbeschwerdebegründung, da er selbst ausführt, vom Oberlandesgericht auf die beabsichtigte Zurückweisung und deren Begründung hingewiesen worden zu sein. Daher hatte er auch nach seiner Darstellung ausreichend Gelegenheit, sich zu äußern und einer unrichtigen Feststellung des Oberlandesgerichts zum Inhalt der russischen Rechtsmittelentscheidung entgegenzutreten. Zum anderen teilt der Antragsteller - der schon nicht geltend macht, es sei Vortrag von ihm übergangen worden - auch nicht mit, an welchem Vortrag er aufgrund eines seine Verfahrensgrundrechte verletzenden gerichtlichen Vorgehens gehindert worden sein soll (vgl. etwa Senatsbeschluss vom - XII ZB 445/19 - NJW-RR 2020, 573 Rn. 14 und - FamRZ 2003, 1005 mwN). Vielmehr stellt er nach wie vor nicht in Abrede, dass die Entscheidung des russischen Rechtsmittelgerichts den von der Antragsgegnerin dargestellten Inhalt - nämlich die Zurückweisung seines Rechtsmittels - hatte, obwohl ihm als Russisch Sprechendem der Inhalt dieser Entscheidung bekannt ist.
123. Ein Zulassungsgrund ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Vielmehr lässt die angefochtene Entscheidung schon keinen Rechtsfehler erkennen und verstößt insbesondere nicht gegen § 26 FamFG iVm §§ 14 Nr. 2, 10 IntFamRVG.
13Gemäß § 26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Über Art und Umfang seiner Ermittlungen entscheidet grundsätzlich der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (vgl. etwa Senatsbeschluss vom - XII ZB 242/19 - FamRZ 2020, 1300 Rn. 16 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom - XII ZB 337/15 - FamRZ 2017, 1209 Rn. 14). Auch wenn im Rahmen des Amtsermittlungsverfahrens - anders als bei Geltung des § 138 Abs. 3 ZPO - das Fehlen eines Bestreitens nicht dazu führt, dass eine Tatsache als zugestanden anzusehen ist (vgl. auch § 29 Abs. 1 Satz 2 FamFG), kann der Tatrichter im Einzelfall von einer weiteren Beweisaufnahme absehen, wenn ersichtlich ist, dass der schweigende Beteiligte die Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung einräumen wollte und sich hiergegen auch seitens des Gerichts keine Bedenken ergeben (vgl. etwa Keidel/Sternal FamFG 20. Aufl. § 26 Rn. 14; Zöller/Feskorn ZPO 33. Aufl. § 26 FamFG Rn. 2).
14Nach diesen rechtlichen Maßgaben war das Oberlandesgericht im vorliegenden Einzelfall nicht verpflichtet, die russische Rechtsmittelentscheidung ins Deutsche übersetzen zu lassen. Die Antragsgegnerin hatte sie dem Amtsgericht in Kopie vorgelegt und als Tenor die vollständige Bestätigung der das Umgangsrecht neu regelnden erstinstanzlichen Entscheidung vom mitgeteilt. Dem hat der - vor dem Amtsgericht anwaltlich vertretene - Russisch sprechende Antragsteller weder in erster Instanz noch mit seiner Beschwerde oder auf den Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts hin widersprochen, was aber in dieser streitig geführten Sache bei einem hiervon aus Sicht des Antragstellers abweichenden Inhalt der russischen Rechtsmittelentscheidung in jedem Fall zu erwarten gewesen wäre. Bei dieser Sachlage durfte das Oberlandesgericht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin den Inhalt der Entscheidung zutreffend dargestellt hatte.
15Soweit die Rechtsbeschwerde Verletzungen der durch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Art. 8 EMRK garantierten Rechte des Antragstellers mit der Begründung geltend macht, das Amtsgericht habe nicht binnen angemessener Frist über seinen Antrag auf Vollstreckbarerklärung entschieden, ist dies für die vorliegende Entscheidung ohne Belang. Daher bedarf keiner näheren Erörterung, dass allein aus der Verfahrensdauer nicht auf eine Rechtsverletzung geschlossen werden kann und die Rechtsbeschwerde keine dem Amtsgericht zuzurechnende Verfahrensverzögerung darlegt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:111120BXIIZB318.20.0
Fundstelle(n):
NJW-RR 2021 S. 129 Nr. 3
EAAAH-65801