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BGH Urteil v. - VII ZR 91/18

Architektenhaftung: Bemessung des Schadens nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten

Gesetze: § 249 S 1 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 631 Abs 1 BGB, § 634 Nr 4 BGB, § 636 BGB

Instanzenzug: Az: I-12 U 113/16vorgehend LG Bochum Az: I-2 O 356/15

Tatbestand

1Die Klägerin, eine Bauträgerin, begehrt von dem beklagten Architekten Schadensersatz wegen mangelhafter Planung.

2Die Klägerin beauftragte den Beklagten am mit Planungsleistungen der Leistungsphasen 1 bis 5 gemäß § 15 HOAI (2002) betreffend die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage auf dem Grundstück "A.              19" in B.      sowie mit der Erstellung eines Entwässerungsgesuchs. Der Beklagte erbrachte die vereinbarten Planungsleistungen, die auch die Planung der Flachdächer des Objekts umfasste. Die Klägerin bezahlte die vom Beklagten erbrachten und mit Schlussrechnung vom abgerechneten Leistungen.

3Am wurde das Objekt fertiggestellt und durch die Wohnungseigentümergemeinschaft "A.               19" gegenüber der Klägerin abgenommen. Im Jahr 2013 leitete die Wohnungseigentümergemeinschaft ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Klägerin ein, in welchem sie unter anderem die Mangelhaftigkeit der Flachdächer rügte.

4Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz mit der Begründung, die Mangelhaftigkeit der Flachdächer beruhe auf von ihm zu verantwortenden Planungsfehlern. Den Schadensersatz bemisst sie nach den voraussichtlich erforderlichen - noch nicht aufgewendeten - "fiktiven" Mängelbeseitigungskosten. Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von 172.067,74 € nebst Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - teilweise abgeändert und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 151.778,02 € nebst Zinsen zu zahlen. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren Schäden aufgrund der mangelhaften Planung der Flachdächer zu ersetzen.

5Auf die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Senat unter Zurückweisung der weiteren Beschwerde die Revision zugelassen, soweit das Berufungsgericht unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten verurteilt hat, an die Klägerin 151.778,02 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen, wobei die Zulassung auf die Anspruchshöhe beschränkt worden ist. Mit seiner im Umfang der Zulassung eingelegten Revision beantragt der Beklagte, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

6Mit der Anschlussberufung beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Berufungsgericht ihre Berufung gegen die Abweisung der Klage auf Zahlung in Höhe eines Betrags von 20.289,72 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zurückgewiesen hat und der Klage auch insoweit stattzugeben.

Gründe

7Die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin führen im tenorierten Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für ab dem und bis zum geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB.

I.

9Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - ausgeführt:

10Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 631 Abs. 1, § 634 Nr. 4, §§ 636, 280 Abs. 1 BGB. Der Beklagte habe die Flachdächer in mehrfacher Hinsicht mangelhaft geplant. Der geplante Dachaufbau entspreche nicht den anerkannten Regeln der Technik, was zu Wassereinlagerungen in der Dachkonstruktion und zu Schimmelschäden geführt habe. Ferner habe der Beklagte bei der Planung die Brandschutzvorgaben nicht berücksichtigt.

11Der Klägerin sei hierdurch ein Schaden in der ausgeurteilten Höhe entstanden. Sie könne ihren Schadensersatzanspruch nach den Kosten berechnen, die für eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung erforderlich seien. Der Sache nach handele es sich um einen Regressanspruch. Der Beklagte habe seine Werkleistungen im Vertragsverhältnis zur Klägerin erbracht, was grundsätzlich unabhängig vom Vertragsverhältnis zu den Erwerbern zu betrachten sei. Der von dem Beklagten in seinem Vertragsverhältnis zur Klägerin schuldhaft verursachte Mangel selbst sei bereits der bei der Klägerin eingetretene Schaden. Abweichend von § 249 Satz 1 BGB werde dieser Schaden durch den zur Mängelbeseitigung erforderlichen Betrag abgegolten. Die Schadenshöhe hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten sei mit 172.067,74 € netto nicht streitig. Abzüglich der Sowieso-Kosten in Höhe von 20.289,72 € ergebe sich der ausgeurteilte Betrag.

II. Revision des Beklagten

12Die Revision des Beklagten hat Erfolg.

131. Aufgrund der beschränkten Zulassung der Revision und der Zurückweisung der weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten durch den Senat steht rechtskräftig fest, dass der Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen mangelhafter Planung der Flachdächer zusteht.

142. Keinen Bestand haben die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Höhe dieses Anspruchs.

15Die Ermittlung der Höhe des Vermögensschadens der Klägerin durch das Berufungsgericht beruht auf der Annahme, der Schaden lasse sich nach den erforderlichen, tatsächlich jedoch (noch) nicht angefallenen - "fiktiven" - (Netto)Mängelbeseitigungskosten betreffend die Flachdächer bemessen. Diese im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des Senats stehende Auffassung trifft nicht zu. Der Senat hat mit nach Erlass der angefochtenen Entscheidung veröffentlichtem Urteil vom (VII ZR 46/17 Rn. 60 bis 67, BGHZ 218, 1) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass im Verhältnis zum Architekten hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der "fiktiven Mängelbeseitigungskosten" betreffend das Bauwerk ausscheidet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann deshalb ein Schaden des Beklagten in der vom Berufungsgericht angenommenen Höhe nicht festgestellt werden.

163. Das angefochtene Urteil war danach - beschränkt auf die Anspruchshöhe - insoweit aufzuheben, als der Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 151.778,02 € nebst Zinsen verurteilt worden ist.

III. Anschlussrevision der Klägerin

17Die zulässige - zur Höhe des Schadensersatzanspruchs eingelegte - Anschlussrevision der Klägerin hat ebenfalls Erfolg.

181. Die Feststellungen zur Höhe des Schadensersatzanspruchs haben auch insoweit keinen Bestand, als das Berufungsgericht den nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessenen Schadensersatzanspruch der Klägerin im Rahmen der Vorteilsausgleichung um Sowieso-Kosten in Höhe von 20.289,72 € gekürzt hat. Da der Senat - wie ausgeführt - entschieden hat, dass im Verhältnis zum Architekten hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der "fiktiven" Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk ausscheidet, kommt auch eine auf dieser Schadensbemessung beruhende Kürzung unter dem Gesichtspunkt von Sowieso-Kosten nicht in Betracht.

192. Das Urteil war danach - im angefochtenen Umfang - auch insoweit aufzuheben, als die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der Klage in Höhe von 20.289,72 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zurückgewiesen worden ist.

IV.

20Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen der Mängel der Flachdächer neu festzustellen und zu bemessen. Hierzu muss die Klägerin zunächst auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Senats Gelegenheit bekommen, ihren Schaden anderweitig darzulegen und zu beziffern. Sodann wird das Berufungsgericht nach Anhörung der Parteien Feststellungen zur Schadenshöhe neu zu treffen haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:240920UVIIZR91.18.0

Fundstelle(n):
NJW 2021 S. 467 Nr. 7
UAAAH-65249