Folgen der Erstattung von Sonderausgaben in einem späteren Veranlagungszeitraum
I. Erstattung aufgrund einer tatsächlichen Überzahlung
Ist im Jahr der Erstattung von Sonderausgaben ein Ausgleich mit gleichartigen Aufwendungen nicht oder nicht in vollem Umfang möglich, so ist der Sonderausgabenabzug des Jahres der Verausgabung insoweit um eine nachträgliche Erstattung zu mindern (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO; vgl. ESt-Kartei § 10 Fach 5 Karte 9). Diese Rechtsgrundsätze sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden und beziehen sich auf alle Arten von Sonderausgaben. Gleichartige Aufwendungen in diesem Sinne sind die Sonderausgaben der jeweiligen Nummer im § 10 EStG, nicht aber der Kennzahl im Vordruck. Somit sind also zunächst z. B. Erstattungen zu Haftpflichtversicherungen auch mit Zahlungen für Krankenversicherungen des gleichen Veranlagungszeitraums zu verrechnen, bevor ein Übererstattungsbetrag mit entsprechenden Zahlungen eines Vorjahres zu verrechnen ist.
Übererstattungen ergeben sich insbesondere im Bereich der Kirchensteuer. In diesen Fällen ist zunächst mittels ,,I-Abfrage'' zu ermitteln, für welche Jahre die Erstattung erfolgte und in welchen Jahren die nunmehr erstattete Kirchensteuer gezahlt wurde.
Wirkt sich in dem Jahr, auf das die Übererstattung entfällt, diese nicht oder nicht in voller Höhe aus, da bereits eine in diesem Jahr erfolgte Erstattung mit der gezahlten Kirchensteuer gegengerechnet wurde, sind keine weiteren Änderungen durchzuführen.
Beispiel 1:
Bei der Veranlagung 2001 des A beträgt die gezahlte Kirchensteuer 5.000 DM und die im Jahr 2001 für das Jahr 2000 erstattete Kirchensteuer 8.000 DM.
Im Jahr 2000 wurden Kirchensteuervorauszahlungen i. H. v. 10.000 DM gezahlt und 9.000 DM für das Jahr 1999 erstattet. Diese wurden bei der Veranlagung 2000 gegengerechnet.
Im Jahr 2001 mindert der Erstattungsbetrag die dort gezahlte Kirchensteuer (5.000 DM) bis auf 0 DM. Der Erstattungsüberhang (3.000 DM) mindert dann die Kirchensteuerzahlung im Jahr 2000 bis auf 0 DM. Der übersteigende Betrag von 2.000 DM (10.000 DM - 9.000 DM - 3.000 DM) wirkt sich nicht aus. Eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO kommt nicht in Betracht, da die Erstattung für das Jahr 1999 im Jahr der Erstattung für das Jahr 2000 gegengerechnet wurde und sich dort ausgewirkt hat. Es ergibt sich kein Kaskadeneffekt!
Entfällt die Übererstattung auf mehrere Veranlagungszeiträume, ist wie folgt zu verfahren:
Beispiel 2:
Bei der Veranlagung 2001 des A beträgt die gezahlte Kirchensteuer insgesamt 10.000 DM und die erstattete Kirchensteuer insgesamt 30.000 DM (22.500 DM für 2000 und 7.500 DM für 1998).
Für das Jahr 2000 wurden Kirchensteuervorauszahlungen i. H. v. 30.000 DM geleistet. Für das Jahr 1998 wurden Vorauszahlungen i. H. v. 10.000 DM sowie eine Nachzahlung i. H. v. 5.000 DM in dem Jahr 1999 geleistet.
Im Jahr 2001 mindert der Erstattungsbetrag die dort gezahlte Kirchensteuer (10.000 DM) bis auf 0 DM.
Hinsichtlich des Erstattungsüberhangs von 20.000 DM sind die ursprünglichen Zahlungsjahre zu korrigieren. Hierzu ist die Übererstattung den einzelnen Jahren zuzuordnen, auf die sie entfällt.
Die Übererstattung beträgt 2/3 (20.000 DM / 30.000 DM) der im Jahr 2001 erstatteten Kirchensteuer.
Demnach entfällt die Übererstattung auf das Jahr 2000 i. H. v. 2/3 von 22.500 DM = 15.000 DM auf das Jahr 1998 i. H. v. 2/3 von 7.500 DM = 5.000 DM
Der Einkommensteuerbescheid 2000 ist, soweit er bereits bestandskräftig ist, nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern. Dabei ist der Betrag in der Kennzahl für die Kirchensteuererstattung um den Übererstattungsbetrag (15.000 DM) zu erhöhen.
Die Erstattung zuviel gezahlter Kirchensteuer für das Jahr 1998 ist grundsätzlich im jüngsten Zahlungsjahr (hier: 1999) zu berücksichtigen. Nur wenn sie sich dort nicht in voller Höhe auswirkt, z. B. weil die gezahlte Kirchensteuer bereits mit im Jahr 1999 erstatteter Kirchensteuer verrechnet wurde, erfolgt eine Korrektur des nächst älteren Jahres (hier: 1998).
Erstattungen in Euro, die auf einen Veranlagungszeitraum vor 2002 (DM-Jahr) entfallen, sind für Zwecke der Verrechnung mit dem amtlichen Kurs in DM umzurechnen (1 Euro = 1,95583 DM).
Bei den Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO bitte ich, auf den besonderen Zinslauf des § 233 a Abs. 1 a AO zu achten. Das Jahr in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist, ist das Erstattungsjahr. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Erstattungsjahres, § 175 Abs. 1 Satz 2 AO.
II. Erstattung aufgrund rechtsgrundlos erfolgter Zahlungen
Die oben dargestellten Fälle der Erstattung aufgrund einer tatsächlichen Überzahlung der Kirchensteuerschuld (z. B. zu hoch festgesetzte Vorauszahlungen oder Kirchensteuer-Kappung) sind zu unterscheiden von rechtsgrundlos erfolgten Zahlungen, die der Steuerpflichtige geleistet hat, obwohl er kein Mitglied einer hebeberechtigten Kirche ist.
Beispiel 3:
Der Steuerpflichtige A tritt mit Wirkung zum aus der Kirche aus. Sein Arbeitgeber behält Kirchensteuer für das gesamte Kalenderjahr 2002 i. H. v. 3.600 Euro ein.
Für die Zeit, in der keine Kirchenmitgliedschaft bestand (Februar bis Dezember 2002) erfolgten die Kirchensteuerzahlungen ohne Rechtsgrund. A war durch diese Zahlungen nicht endgültig wirtschaftlich belastet, weil ein Erstattungsanspruch bestand. Ist im Zeitpunkt der Zahlung bereits abzusehen oder kann abgesehen werden, dass der Steuerpflichtige nicht endgültig wirtschaftlich belastet ist, kann der Steuerpflichtige die Aufwendungen nicht als Sonderausgaben ansetzen.
Als gezahlte Kirchensteuer i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG können somit im Jahr 2002 nur Aufwendungen für die Dauer der Kirchenzugehörigkeit i. H. v. 1/12 von 3.600 Euro = 300 Euro (vgl. § 5 Abs. 3 Kirchensteuergesetz) berücksichtigt werden. Die sich bei der Veranlagung 2002 ergebende Kirchensteuererstattung führt nicht zu einer nachträglichen Korrektur des Sonderausgabenabzugs nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, da bereits die tatsächliche wirtschaftliche Belastung bei der Veranlagung berücksichtigt wurde.
OFD Frankfurt am Main v. - S
2221
Fundstelle(n):
NWB EN 775/2003
OAAAA-77620