Eisenbahnrechtliche Duldungsanordnung
Leitsatz
1. Einer Duldungsanordnung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AEG für Vorarbeiten eines Planfeststellungsverfahrens steht nicht entgegen, dass das Raumordnungsverfahren bei Erlass der Anordnung noch nicht abgeschlossen ist (vgl. 4 VR 1.20 -).
2. Die Anordnung einer langjährigen Inanspruchnahme eines Grundstücks (hier durch Grundwassermessstellen) bedarf der besonderen Begründung.
Gesetze: § 17 AEG
Gründe
I
1Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer Anordnung, die sie zur Duldung von Erkundungsbohrungen und der Errichtung und des Betriebes von Grundwassermessstellen auf ihrem Gemeindegebiet verpflichtet.
2Für die im Bundesverkehrswegeplan als vordringlicher Bedarf ausgewiesene Neubaustrecke von Gelnhausen nach Fulda hat die zuständige Landesbehörde ein Raumordnungsverfahren eingeleitet. Die Unterlagen lagen vom bis zum aus. Parallel zum Raumordnungsverfahren bereitet die Beigeladene das Planfeststellungsverfahren vor. Entlang der im Raumordnungsverfahren ermittelten Trassenvarianten IV und VII sollen insgesamt 93 Erkundungsbohrungen (84 entlang der Vorzugsvariante IV und 9 entlang der Trassenvariante VII) durchgeführt werden. Einige Bohrungen befinden sich innerhalb von Trinkwasser- bzw. Heilwasserschutzgebieten oder in der Nähe von Trinkwassergewinnungsanlagen ohne Wasserschutzgebiet. Mit Bescheid vom erließ die Antragsgegnerin nach vorheriger Anhörung der Antragstellerin die Duldungsanordnung und ordnete deren sofortige Vollziehbarkeit an. Danach sind an 19 Bohrpunkten Erkundungsbohrungen für die Dauer von zwei Monaten bis spätestens zu dulden. Für die Grundwassermessstellen ist die Duldungsfrist auf den festgesetzt.
3Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres am eingelegten Widerspruchs. Sie macht geltend, es sei angesichts des laufenden Raumordnungsverfahrens noch überhaupt nicht absehbar, welche Vorzugsvariante in ein Planfeststellungsverfahren einzubringen sei. Es handele sich bei den Bohrungen daher nicht um notwendige Vorarbeiten im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 AEG. Außerdem fehlten die erforderlichen wasserrechtlichen Erlaubnisse und die geplanten Bohrungen gefährdeten die Trinkwasserversorgung.
II
4Der Antrag ist zulässig.
5Über den Antrag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, weil die Duldungsanordnung der Vorbereitung der Planfeststellung eines nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. Anlage 1 Nr. 15 zu § 18e Abs. 1 AEG in die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fallenden Vorhabens dient (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 7 VR 10.12 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 31 Rn. 6 und vom - 4 VR 1.20 - juris Rn. 6).
6Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Als kommunale Gebietskörperschaft ist sie zwar nicht Trägerin von Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, sie kann jedoch wie ein privater Grundstückseigentümer geltend machen, die Inanspruchnahme ihres einfachrechtlich geschützten Eigentums verletze sie in ihren Rechten (vgl. 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <101 f.>).
7Der Antrag ist teilweise begründet.
8Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im Interesse der Beigeladenen angeordnet und in Übereinstimmung mit § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich begründet.
9Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden summarischen Prüfung erweist sich die Duldungsanordnung hinsichtlich der Erkundungsbohrungen als rechtmäßig. Insoweit überwiegt das öffentliche Interesse und das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Duldungsanordnung das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung. Dies gilt jedoch nicht für die Dauer der Inanspruchnahme der Grundstücke für die Errichtung und den Betrieb der Grundwassermessstellen (1.). Soweit die Anordnung nicht zu beanstanden ist, besteht ein besonderes Vollzugsinteresse (2.).
101. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AEG haben Eigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte zur Vorbereitung der Planung und der Baudurchführung eines Vorhabens oder von Unterhaltungsmaßnahmen notwendige Vermessungen, Boden- und Grundwasseruntersuchungen einschließlich der vorübergehenden Anbringung von Markierungszeichen und sonstige Vorarbeiten durch den Träger des Vorhabens oder von ihm Beauftragte zu dulden.
11a) Eine Anordnung nach dieser Vorschrift ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht ausgeschlossen, weil das Raumordnungsverfahren noch nicht abgeschlossen war. Zwar sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ROG i.V.m. § 1 Nr. 9 der Raumordnungsverordnung vom (BGBl. I S. 2766, zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom , BGBl. I S. 706) die Raumverträglichkeit eines Neubaus und wesentlicher Änderungen der Trassen von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes in einem Raumordnungsverfahren zu prüfen. Werden darin Trassenkorridore als Ziele der Raumordnung festgelegt, sind diese gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen öffentlicher Stellen zu beachten. Im Planfeststellungsverfahren ist die Festlegung des Trassenkorridors in diesem Fall durch die nachfolgende Planfeststellung hinzunehmen (vgl. 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329 <333> und Urteil vom - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 72). Grundsätze und sonstige Erfordernisse der Raumordnung sind in der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen. Dass die Ergebnisse des Raumordnungsverfahrens für die Planfeststellung verbindlich bzw. in der Abwägung zu berücksichtigen sind und das Planfeststellungsverfahren dem Raumordnungsverfahren zeitlich nachfolgt, bedeutet aber nicht, dass mit der Ausarbeitung der Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren erst begonnen werden darf, wenn das Raumordnungsverfahren abgeschlossen worden ist. Die zeitliche Abfolge von Raumordnungsverfahren und Planfeststellungsverfahren erfasst nicht die Ausarbeitung der Antragsunterlagen, die der Planfeststellung vorausgeht, jedoch kein Teil des Planfeststellungsverfahrens ist (vgl. 4 VR 1.20 - juris Rn. 16 zum Verhältnis von Bundesfachplanung und Planfeststellung). Eine Sperrwirkung des vorangehenden Raumordnungsverfahrens oder anderer übergeordneter Planungsverfahren für die erforderlichen Vorarbeiten der Planfeststellung würde zu nicht hinnehmbaren Verzögerungen der Planungsprozesse führen. Allerdings geht der Vorhabenträger, der bereits während des Raumordnungsverfahrens Unterlagen für das anschließende Planfeststellungsverfahren erarbeitet, das Risiko ein, dass sich dieser Aufwand als nutzlos erweist, weil die von ihm erarbeitete Planung den im Raumordnungsverfahren festgelegten Zielen und Grundsätzen der Raumordnung widerspricht.
12Lässt man Vorarbeiten vor Abschluss der übergeordneten Planungsstufe zu, trägt allerdings nicht nur der Vorhabenträger das Risiko, dass sich der Aufwand als nutzlos erweist, sondern auch der duldungsverpflichtete Eigentümer oder Nutzungsberechtigte. Vergleichbare Risiken sind mit Vorarbeiten im Sinne des § 17 AEG allerdings immer verbunden ( 4 VR 9.02 - Buchholz 407.4 § 16a FStrG Nr. 1 S. 2). Die als Vorarbeiten zu duldenden Untersuchungen können Planungshindernisse offenbaren, die eine Trassenführung über das untersuchte Grundstück ausschließen. Die zu duldenden Maßnahmen können sich auch aus anderen Gründen als vergeblich erweisen, wenn sich der Vorhabenträger oder in ihrer Abwägung die Behörde für eine räumliche Alternative entscheiden. Dieses Risiko ist dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten schon deswegen zumutbar, weil ihnen unter der Voraussetzung des § 17 Abs. 3 AEG ein Entschädigungsanspruch zusteht und es sich in der Regel um Eingriffe geringer Intensität handelt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 9 VR 2.17 - UPR 2017, 525 Rn. 14 und vom - 4 VR 1.20 - juris Rn. 17 zur Eingriffsintensität).
13Der Duldungsanordnung steht daher im vorliegenden Fall auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin im Raumordnungsverfahren umfangreiche Einwendungen gegen die vorgesehene Trassenwahl erhoben hat. Allein der Umstand, dass sie den Variantenvergleich als unzureichend bemängelt und unter Heranziehung einer von ihr in Auftrag gegebenen fachlichen Stellungnahme die Variante VII als vorzugswürdig erachtet, rechtfertigt nicht die Annahme, die Variante IV scheide - gegebenenfalls nach Durchführung ergänzender Untersuchungen und Modifikationen - als Vorzugsvariante eindeutig aus. Zudem hat die Beigeladene in ihrem Antrag auf Erlass der Duldungsanordnung ausgeführt, dass ein gestuftes Baugrunduntersuchungsprogramm durchgeführt werde. Die Stufen 1 und 2 lieferten Teilergebnisse, die unabhängig vom Ausgang des Raumordnungsverfahrens für die Planfeststellung erforderlich seien. Nach Abschluss des Raumordnungsverfahrens seien weitere Untersuchungsstufen notwendig.
14b) Die Duldungsanordnung scheitert nicht daran, dass noch nicht für sämtliche Bohrpunkte wasserrechtliche Erlaubnisse vorliegen. Zwar dürfen die Bohrungen nur ausgeführt werden, wenn die wasserrechtlichen Erlaubnisse erteilt sind. Deren Existenz ist aber keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Duldungsanordnung. Insoweit kommt es nur darauf an, dass die Erteilung der noch fehlenden Erlaubnis nicht ausgeschlossen sein darf. Hiervon kann schon angesichts der bereits erteilten Erlaubnisse keine Rede sein. Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom Erlaubnisse für weitere Bohrpunkte vorgelegt und unwidersprochen vorgetragen, dass damit bis auf den Bohrpunkt BK-IV-72 für alle Bohrungen wasserrechtliche Erlaubnisse vorliegen. Auch für den Bohrpunkt BK-IV-72 soll in Kürze eine Erlaubnis vorliegen.
15c) Es ist nicht erkennbar, dass die Erkundungsbohrungen die Trinkwasserversorgung der Antragstellerin gefährden. Soweit in der Stellungnahme des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) vom von einer gegenüber dem Ist-Zustand erhöhten Gefährdung des Grundwassers durch die vorgesehenen Bohrungen gesprochen wird, wird gleichzeitig darauf hingewiesen, dass dem durch technische Maßnahmen entgegengewirkt werden könne. Der Hinweis auf ein verbleibendes Restrisiko lässt nicht den Schluss zu, die Behörde habe dieses nie vollständig auszuschließende Risiko als so groß angesehen, dass es der Durchführung der Bohrungen entgegenstünde. Die Beigeladene hat ergänzend zu dieser Einschätzung durch ein Sachverständigenbüro für Geohydrologie (...) eine ausführliche Gefährdungsabschätzung der Trinkwassergewinnungsanlagen der Antragstellerin durch die Bohrungen erstellen lassen. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass nur durch die Bohrlöcher BK-IV-63 bis 66 im Einzugsgebiet des Tiefbrunnens "Quellenweg" ein erhöhtes Risiko für das Trinkwasser ausgehe, für die übrigen untersuchten Standorte schätzt die Untersuchung ein Risiko als nicht gegeben, sehr gering oder gering ein. Artesische Potenzialverhältnisse seien allein an den morphologisch tief gelegenen westlichen Bohrstandorten BK-IV-53 bis 56 vorstellbar, die sich allerdings weit im Abstrom der Tiefbrunnen befänden. Um dem erhöhten Risiko an den Bohrlöchern BK-IV-63 bis 68 entgegenzuwirken, werden unter anderem die Verwendung von Trinkwasser ohne weitere Zusätze als Spülflüssigkeit, eine genaue Spülkontrolle und Trübungsmessungen vorgeschlagen. Diese Gefährdungsabschätzung hat die Antragstellerin durch die H. überprüfen lassen. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Ausarbeitung um eine "gut recherchierte, ausgearbeitete und dargestellte Studie", handelt, die einen "fundierten geologischen und hydrogeologischen Überblick über die Verhältnisse im Bereich von Schlüchtern" bietet (S. 14). In der Zusammenfassung kommt die H. zu dem Ergebnis, dass "die ausführlichen Erläuterungen und vorgesehenen Maßnahmen (...) aus geologischer/hydrogeologischer Sicht als plausibel" erachtet werden und ihnen aus fachlicher Sicht zuzustimmen sei (S. 19).
16Soweit die Antragstellerin hiergegen einwendet, die Gefährdungsabschätzung sei gleichwohl lückenhaft, da sie nicht auch auf die im privaten bzw. im Besitz der Gemeinde Neuhof befindlichen Brunnen und Quellen eingehe, ist schon nicht ersichtlich und nicht dargetan, inwieweit durch die an diesen Standorten vorgesehenen Bohrungen gerade die Trinkwassergewinnungsanlagen der Antragstellerin nachteilig betroffen sein könnten. Abgesehen davon ist weder von der Antragstellerin dargetan noch sonst ersichtlich, dass sich mit den vorgesehenen Maßnahmen zur Risikominimierung nicht auch an diesen Gewinnungsanlagen Beeinträchtigungen des Trinkwassers vermeiden ließen. Dies gilt auch für den auf dem Gebiet der Antragstellerin gelegenen Brunnen "Ahlersbach". Dieser "entfernt liegende" Brunnen (Stellungnahme H. S. 14) ist im Übrigen wohl deswegen unberücksichtigt geblieben, weil er "vorübergehend nicht in Betrieb" ist (vgl. S. 8). Der Hinweis in der Stellungnahme der H., es fehle an einer abschließenden fachlichen Stellungnahme des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie zur Gefährdungsabschätzung, relativiert die Einschätzung der fachlichen Eignung der Gefährdungsabschätzung nicht. Dies gilt auch für die Feststellung, für einen Teil der Bohrungen lägen noch keine (wasserrechtlichen) Genehmigungen vor.
17d) Die Erkundungsbohrungen gehen auch in ihrer Eingriffsintensität nicht über das Maß dessen hinaus, was dem Grundstückseigentümer auf der Grundlage des § 17 AEG zuzumuten ist. Vorübergehende Erdbohrungen zum Zweck der Boden- und Grundwasseruntersuchung stellen typische Vorarbeiten dar, die im Hinblick auf Umfang und Zeitdauer der Maßnahme regelmäßig von geringer Eingriffsintensität sind (vgl. 9 VR 2.17 - UPR 2017, 525 Rn. 15). So liegt es auch hier. Die Erkundungsbohrungen sind auf zwei Monate pro Grundstück befristet und bis zum durchzuführen.
18Gegen eine nur geringe Eingriffsintensität spricht bei überschlägiger Prüfung auch nicht, dass geplant ist, die Bohrpunkte jedenfalls teilweise zu Grundwassermessstellen auszubauen und diese für einen längeren Zeitraum im Boden zu belassen. Aus der Begründung des Antrags auf Erlass der Duldungsverfügung geht hervor, dass die Beigeladene es im Hinblick auf die Auswahl der erforderlichen Vortriebstechnologie, und um eine Bewertung der möglichen Auswirkung durch die geplanten Tunnelvortriebe zu erhalten, für zwingend erforderlich erachtet, Erkundungen mit entsprechenden hydrogeologischen Versuchen in ausgebauten und nicht ausgebauten Bohrungen auszuführen. Der Ausbau der Bohrpunkte zu Grundwassermessstellen sei erforderlich, um die notwendigen Erkenntnisse über den Grundwasserstand auch über eine längere Zeitreihe zu erhalten, Versuche zu ermöglichen, die Aussagen über die Wasserdurchlässigkeit im Bereich der geplanten Tunnelvortriebe erlauben und entsprechende Angaben zur statischen Berechnung der Tunnel zur Verfügung zu stellen. Hieraus und aus den übrigen Ausführungen in der Antragsbegründung wird deutlich, dass die Beigeladene den Ausbau der Bohrlöcher zu Grundwassermessstellen und den Betrieb der Messstellen für die Einleitung und Durchführung des Planfeststellungsverfahrens benötigt. Hierdurch unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von derjenigen im Beschluss des 9. Senats des 9 VR 2.17 - (UPR 2017, 525). Die dort vorgesehene dauerhafte Einbringung massiver Betonpfähle diente nicht dem Abschluss des Planfeststellungsverfahrens, sondern der Ausschreibung der Baumaßnahmen und der Planung der Baudurchführung. Aus diesem Grund hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts angenommen, der angeordnete Eingriff überschreite das Maß dessen, was dem Eigentümer auf der Grundlage des § 16a FStrG zuzumuten sei. Unter dieser Prämisse könne erst ein zulasten der Antragstellerin bestandskräftiger oder jedenfalls vollziehbarer Planfeststellungsbeschluss mit der Möglichkeit der vorläufigen Besitzeinweisung eine tragfähige Grundlage für die Pflicht zur Duldung sein (vgl. 9 VR 2.17 - UPR 2017, 525 Rn. 15).
19e) Die Duldungsanordnung erweist sich allerdings bei überschlägiger Prüfung insoweit als rechtswidrig, als für die Grundwassermessstellen eine Duldungspflicht bis zum angeordnet wird. Weder aus der getroffenen Duldungsanordnung noch aus dem Antrag auf Erlass der Duldungsanordnung noch aus den sonstigen Unterlagen geht hervor, warum die Vorarbeiten für die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens einen derart außergewöhnlich langen Zeitraum benötigen. Es spricht vieles dafür, dass die Frist aus dem von der Beigeladenen der Antragstellerin vorgeschlagenen Gestattungsvertrag ohne nähere Prüfung in den Bescheid übernommen worden ist. Erweist sich die Fristsetzung als rechtswidrig, ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht nur hinsichtlich der zu langen Frist, sondern insgesamt für die angeordnete Maßnahme "Errichtung und Betrieb von Grundwassermessstellen" wiederherzustellen. Eine auf die Frist beschränkte Wiederherstellung hätte nämlich zur Folge, dass es an jeder zeitlichen Begrenzung der Maßnahme fehlte. Die Antragsgegnerin hat es in der Hand, durch eine angemessen lange nachvollziehbar begründete Fristsetzung das bisher Versäumte nachzuholen.
202. Soweit sich der Bescheid als rechtmäßig erweist, besteht auch ein besonderes Vollzugsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Dieses wird bereits dadurch indiziert, dass es sich bei der Neubaustrecke von Gelnhausen nach Fulda um ein Projekt des vordringlichen Bedarfs handelt, für das der Gesetzgeber in § 18 Abs. 2 Satz 1 AEG die sofortige Vollziehbarkeit der Planfeststellung als Grundentscheidung angeordnet hat. Diese Grundentscheidung ist auch bei den der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens dienenden Vorarbeiten zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid die Eilbedürftigkeit mit der Notwendigkeit der Erkundungen nicht nur für die Trassenwahl, sondern auch für weitere Vorarbeiten zur Erstellung der Planunterlagen und die notwendige Koordinierung der Bohrungen mit bereits begonnenen Untersuchungen auf privaten Grundstücken begründet. Der Antragstellerin drohen durch die vorgesehenen Maßnahmen keine erheblichen Beeinträchtigungen, insbesondere keine irreparablen Folgen. Die Eingriffsdauer ist hinsichtlich der Bohrungen auf zwei Monate bis zum befristet und von vergleichsweise geringer Eingriffsintensität.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 34.3 und 34.2.6 analog des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:271020B7VR4.20.0
Fundstelle(n):
NAAAH-64920