Nachfolgeentscheidung zu zur Gemeinnützigkeit eines mit einer deutschen Stiftung vergleichbaren,
mit seinen inländischen Einkünften als Körperschaft im Sinne des § 2 Nr. 1 KStG beschränkt steuerpflichtigen, im Vereinigten
Königreich ansässigen Colleges (ohne Geschäftsleitung oder Sitz im Inland): Förderung der Allgemeinheit, maßgebliche „Satzung”,
Bezahlung der Mitglieder des Verwaltungsrats, Anforderungen an Satzung, Ausnahme vom Erfordernis der satzungsmäßigen Vermögensbindung
Inlandsbezug und Förderung des Ansehens Deutschands
Leitsatz
1. Ein im 16. Jahrhundert gegründetes College im Vereinigten Königreich, das nicht „mitgliedschaftlich” organisiert ist und
z. B. keine Gesellschafter oder Mitglieder im Sinne einer das Verbandsvermögen innehabenden Personengruppe hat, ist seiner
Organisation und Struktur nach in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht einer Stiftung deutschen Rechts i. S. von § 1
Abs. 1 Nr. 5 KStG vergleichbar, ohne seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz im Inland zu haben, wenn es u. a. mit Erlaubnis
des Königshauses „immerwährend” einem bestimmten Zweck (dem Studium der Wissenschaft, der heiligen Theologie und der Philosophie
wie der guten Künste) dienen soll, vom Begründer hierzu endgültig Vermögen auf das College – und nicht etwa auf die Organe
des Colleges – übertragen worden ist und wenn das Collegevermögen nicht direkt für die Forschungs- und Lehrtätigkeit ausgegeben
(verbraucht), sondern vielmehr dauerhaft verwaltet und angelegt wird, um aus den laufenden Erträgen des Vermögens den Collegebetrieb
zu finanzieren.
2. Das College fördert Wissenschaft und Forschung und damit die Allgemeinheit, wenn es u. a. einen umfangreichen Lehr- und
Forschungsbetrieb an einer Universität unterhält, zu diesem Zweck Professoren (Fellows) beschäftigt, Einrichtungen wie z.
B. eine Bibliothek, Hörsäle etc. unterhält und Stipendien an besonders begabte Studenten oder an solche vergibt, die die erforderlichen
Kosten für das Studium nicht aus eigenen Mitteln aufbringen können.
3. Für die „Satzung” des Colleges im Sinne der §§ 59, 60 AO ist nicht nur auf deren Statuten, sondern auch auf die historische
Gründungsurkunde aus dem Jahr 1555 (sog. „Royal Patent”) abzustellen.
4. Soweit die Mitglieder des Verwaltungsrats in ihrer Eigenschaft als Präsident bzw. als Fellows für ihre Lehrtätigkeit am
College vergütet werden, stellt dies keine Zuwendung im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 AO dar, wenn die Angemessenheit
der vom Verwaltungsrat festgesetzten Bezüge der Kontrolle bzw. dem Zustimmungsvorbehalt durch einen Visitator unterliegt.
5. Das Erfordernis der Ausschließlichkeit im Sinne des § 56 AO ist auch dann erfüllt, wenn zwar nicht ausdrücklich die Begriffe
„ausschließlich” bzw. „unmittelbar” (§ 57 AO) verwendet werden, wenn sich aber aus dem „Royal Patent” und den Statuten des
Colleges bei verständiger historischer Auslegung hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das College seine Zwecke der
Förderung von Wissenschaft und Forschung ausschließlich verfolgt.
6. Für das College gilt wie für alle Stiftungen, die vor dem errichtet worden sind, gemäß § 62 AO a. F. eine Ausnahme
von dem Erfordernis der satzungsmäßigen Vermögensbindung, wenn es einer staatlichen Aufsicht unterliegt (im Streitfall: Überwachung
des als „charity” i. S.von Part 1, Section 1, des Charities Act anerkannten Colleges durch die Maßnahmen und Befugnisse der
nach Part 2 Chapter 1 Charities Act 2006 eingerichtete Charity Commission).
7. Die Anlage von Teilen des Vermögensstocks einer gemeinnützigen Einrichtung in – teils verlustträchtige – Immobilien ist
als Maßnahme der Vermögensverwaltung grundsätzlich nicht gemeinnützigkeitsschädlich; dies gilt insbesondere dann, wenn sich
diese Investitionen als Teil einer auf Risikostreuung basierenden Anlagestrategie darstellen.
8. Für den Inlandsbezug nach § 51 Abs. 2 AO ist es ausreichend, wenn die Körperschaft nur im Ausland tätig ist, dabei aber
auch im Inland lebende natürliche Personen fördert, selbst wenn die Personen sich zu diesem Zweck im Ausland aufhalten (im
Streitfall: Ausbildung auch von deutschen Studenten).
9. Die Lehr- und Forschungstätigkeit des Colleges kann zum Ansehen Deutschlands beitragen, wenn es im Bereich Moderne Sprachen
verschiedene Studiengänge, darunter auch Deutsch, anbietet, dieser Studiengang eine vertiefte Darstellung der deutschsprachigen
Kultur und Literatur beinhaltet und hierdurch den Studenten ein grundsätzlich positives Bild von Deutschland als einer Kulturnation
vermittelt wird.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): BB 2019 S. 2659 Nr. 45 EFG 2019 S. 793 Nr. 10 ErbStB 2021 S. 12 Nr. 1 QAAAH-64316
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FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 28.06.2018 - 9 K 11080/17
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