Eigenkündigung - Feststellungsklage des Arbeitgebers
Gesetze: § 256 Abs 1 ZPO, § 256 Abs 2 ZPO, § 139 Abs 3 ZPO, § 4 S 1 KSchG
Instanzenzug: ArbG Suhl Az: 1 Ca 533/18 Teilurteilvorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht Az: 1 Sa 387/18 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
2Der Beklagte war beim Kläger angestellt und absolvierte auf dessen Kosten bis Ende 2016 die Laufbahnausbildung des mittleren feuerwehrtechnischen Dienstes. In der von den Parteien geschlossenen Vereinbarung über die Rückerstattung von Fortbildungskosten (Nebenabrede) heißt es ua.:
3Mit Schreiben vom , dem Kläger zugegangen am , kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum .
4Der Kläger teilte dem Beklagten mit, dass das Arbeitsverhältnis nach § 34 TVöD-VKA erst zum ende und er verpflichtet sei, die gemäß § 6 Abs. 2 Nebenabrede geminderten Fortbildungskosten zu erstatten. In der Folge kürzte er die Nettobezüge des Beklagten für die Monate Februar und März 2018 um jeweils ca. 600,00 Euro.
5Mit Schreiben vom , dem Kläger zugegangen am , kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen der Vergütungsabzüge außerordentlich zum , hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin.
6Der Kläger hat gemeint, die außerordentliche Eigenkündigung des Beklagten sei unwirksam gewesen.
7Der Kläger hat beantragt
8Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Teilurteil stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten als unbegründet abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
9Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung des Beklagten im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Sie ist unzulässig.
10I. Der Klageantrag ist in seinem ersten Teil am Wortlaut von § 4 Satz 1 KSchG orientiert. Diese Vorschrift ist für eine Klage - zumal des Arbeitgebers - gegen eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht einschlägig (für eine Klage des kündigenden Arbeitnehmers vgl. - Rn. 13 ff., BAGE 160, 221). Der Antrag ist daher gemäß dem vom Kläger nicht beanstandeten Verständnis beider Vorinstanzen insgesamt - nur - als Feststellungsklage (§ 256 ZPO) auszulegen, mit der der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien bis zum festgestellt werden soll (vgl. - zu II 1 a der Gründe, BAGE 84, 255).
11II. Für den Antrag, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum festzustellen, fehlt ein rechtliches Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO.
121. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Es handelt sich um eine - auch noch im Revisionsverfahren zu prüfende - Prozessvoraussetzung. Sie stellt sicher, dass die Gerichte das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses tatsächlich klären können und nicht über bloße Meinungsverschiedenheiten der Betroffenen befinden. Es gehört nicht zu den Aufgaben der Gerichte, einer Partei zu bescheinigen, ob sie im Recht war oder nicht, oder eine alle Prozessbeteiligten interessierende Rechtsfrage gutachterlich zu beantworten. Erforderlich ist damit grundsätzlich, dass es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis handelt. Wird die Klage auf Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, ist sie lediglich zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben. Für einen Feststellungsantrag, der ursprünglich auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis gerichtet war, gilt nichts anderes. Wird ein solches während des Rechtsstreits durch Zeitablauf oder Änderung tatsächlicher Umstände zu einem vergangenen, bleibt die Feststellungsklage nur zulässig, wenn sich aus der erstrebten Feststellung konkrete gegenwärtige oder zukünftige Rechtsfolgen ableiten lassen. Dabei muss das rechtliche Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses selbst bestehen; ein Interesse an der Klärung streitiger Vorfragen genügt nicht (vgl. - Rn. 18 zu einem Feststellungsantrag im Beschlussverfahren; - Rn. 13 ff.).
132. Der Kläger hat auch auf einen Hinweis des Senats nach § 139 Abs. 3 ZPO keine Tatsachen vorgebracht, die ein rechtliches Interesse an der begehrten alsbaldigen Feststellung begründen.
14a) Die ursprünglich von ihm für sein Feststellungsbegehren gegebene Begründung, er müsse zur Planung seiner Arbeitsorganisation darauf vertrauen können, dass Kündigungsfristen eingehalten werden, trägt jedenfalls seit dem nicht mehr. Unstreitig ist das Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des durch eine ordentliche Eigenkündigung des Beklagten aufgelöst worden. Seither konnte der Kläger in keinem Fall mehr eine Arbeitsleistung des Beklagten beanspruchen.
15b) Es kann dahinstehen, ob die Feststellung, ein Arbeitsverhältnis habe bis zu einem bestimmten Termin fortbestanden, geeignet sein kann, den Arbeitgeber hinsichtlich der zur Grundlage einer außerordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers gemachten Vorwürfe zu rehabilitieren (vgl. - zu B I 3 b und c der Gründe). Das ist zweifelhaft, weil es sich beim Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 BGB bzw. der Unwirksamkeit einer außerordentlichen Eigenkündigung um eine bloße, nicht in Rechtskraft erwachsende Vorfrage der begehrten Feststellung handelt. Jedenfalls ist im Streitfall eine fortwirkende, rehabilitierungsbedürftige Herabsetzung des Klägers in Bezug auf den vom Beklagten angeführten Kündigungsgrund weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (zu den Anforderungen an ein Feststellungsinteresse aufgrund eines Rehabilitierungsinteresses vgl. - Rn. 17 ff.). Die Parteien streiten ausschließlich über die Rechtsfrage, ob die Nebenabrede wirksam ist und dem Kläger hieraus - fällige - Rückzahlungsansprüche zustanden. Der Beklagte hat die außerordentliche Eigenkündigung nicht auf streitige, ehrenrührige Tatsachenbehauptungen gestützt.
16c) Der Kläger möchte nicht die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten aufgrund einer rechtswidrigen Lösung aus dem Arbeitsverhältnis vorbereiten. Dazu wäre der gewählte Antrag auch untauglich, weil auf ihn lediglich eine Vorfrage bzw. ein Element des Rechtsverhältnisses „Schadensersatzanspruch“, nämlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien erst mit Ablauf des , festgestellt (vgl. - Rn. 15) und damit keine abschließende Klärung über das Bestehen von Schadensersatzansprüchen des Klägers gegen den Beklagten bewirkt würde.
17d) Ein Feststellungsinteresse ergibt sich nicht daraus, dass die Sozialversicherungsträger und Sozialgerichte an eine arbeitsgerichtliche Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in einem bestimmten Zeitraum rechtlich gebunden wären. Eine solche präjudizielle Wirkung müsste gesetzlich vorgeschrieben sein. Das ist nicht der Fall (vgl. - zu B III 2 e aa der Gründe, BAGE 95, 141).
18e) Der Kläger bedarf der erstrebten Feststellung nicht, um seine Pflichten gegenüber der Zusatzversorgungskasse Thüringen erfüllen zu können. Er hat für die Monate Mai und Juni 2018 in keinem Fall mehr Beiträge für den Beklagten abzuführen. Das folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 16 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrags über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes - Altersvorsorge-TV-Kommunal - (ATV-K) vom in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 7 vom . Danach entspricht das zusatzversorgungspflichtige Entgelt dem steuerpflichtigen Arbeitslohn. Von diesem ist ein bestimmter Vomhundertsatz an die Zusatzversorgungseinrichtung abzuführen. Dem Beklagten stünde mangels Arbeitsleistung auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für beide Monate kein der Besteuerung unterliegender Arbeitslohn mehr zu.
19f) Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses in anderer Hinsicht zwischen den Parteien im Streit wäre (vgl. dazu - zu II 1 b der Gründe, BAGE 84, 255; - 2 AZR 142/92 - zu II 1 b der Gründe) und deshalb ein rechtliches Interesse des Klägers an einer alsbaldigen Feststellung bestünde.
20g) Ein Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung liegt schließlich nicht im Hinblick auf die in der Nebenabrede bestimmte Pflicht des Beklagten vor, unter bestimmten Umständen einen Teil der Fortbildungskosten zu erstatten. Mit einer stattgebenden Entscheidung erwüchse allein in Rechtskraft, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum fortbestanden hat. Hingegen nähme die Vorfrage, ob die außerordentliche Eigenkündigung des Beklagten unwirksam war, nicht an der materiellen Rechtskraft eines Feststellungsurteils teil. Erst recht stünde nicht in der Rechtskraft fähiger Weise fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf Veranlassung des Klägers iSv. § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Nebenabrede geendet hat bzw. die Monate Mai und Juni 2018 nicht als „Monate der Beschäftigung“ iSv. § 6 Abs. 2 Nebenabrede anzusehen sind. Dessen ungeachtet könnten selbst solche Feststellungen dem Kläger eine Leistungsklage nicht ersparen. Der Beklagte leugnet einen Rückzahlungsanspruch nicht - wenigstens nicht nur - deshalb, weil das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Klägers geendet habe oder die Höhe der Rückforderung übersetzt sei. Vielmehr hält er dem Rückzahlungsverlangen - zumindest auch - andere Einwände betreffend den Anspruchsgrund, nämlich die Wirksamkeit der Nebenabrede, entgegen. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass er das Rückzahlungsbegehren des Klägers auch nur teilweise als berechtigt ansähe, sobald die außerordentliche Eigenkündigung für unwirksam befunden würde. Die begehrte Feststellung schüfe keinen Rechtsfrieden (vgl. - Rn. 24 ff.; - 6 AZR 84/18 - Rn. 15 f.).
21III. Die Klage ist auch nicht als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Dazu müsste der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum für die Entscheidung über einen Hauptantrag vorgreiflich sein (vgl. - Rn. 20). Die Vorgreiflichkeit ist zwar von Amts wegen zu beachten, doch findet eine Amtsermittlung nicht statt (für das Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vgl. - Rn. 22, BAGE 133, 75). Der Kläger hat trotz eines Hinweises des Senats gemäß § 139 Abs. 3 ZPO schon nicht vorgetragen, dass zwischen den Parteien weitere Klage- oder Widerklageanträge aus dem vormals einheitlichen Verfahren noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren (vgl. - Rn. 18 f.) in erster oder zweiter Instanz rechtshängig gewesen seien.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2020:011020.U.2AZR214.20.0
Fundstelle(n):
BB 2020 S. 2867 Nr. 50
NJW 2020 S. 10 Nr. 49
NJW 2020 S. 3675 Nr. 50
MAAAH-63568