Verfahrensrecht / Grunderwerbsteuer | Änderung GrESt-Bescheid nach Kaufpreisherabsetzung (BFH)
Die Herabsetzung der Gegenleistung i.S. des § 16 Abs. 3 GrEStG ermöglicht keine Änderung der festgesetzten Grunderwerbsteuer als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (; veröffentlicht am ).
Hintergrund: § 16 Abs. 3 GrEStG lässt als spezialgesetzliche Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG unter den dort näher aufgeführten Voraussetzungen auf Antrag die Änderung einer Steuerfestsetzung zu, wenn die Gegenleistung nach Entstehung der Steuer herabgesetzt wird. Eine nachträgliche Herabsetzung der Gegenleistung erlaubt aber nur dann eine Änderung der Steuerfestsetzung, wenn die Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) oder wenn die Herabsetzung (Minderung) aufgrund des § 437 BGB vollzogen wird (§ 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG). Tritt ein Ereignis ein, das nach § 16 Abs. 3 GrEStG die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung begründet, endet die Festsetzungsfrist (§§ 169 bis 171 AO) insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses (§ 16 Abs. 4 GrEStG).
Sachverhalt: Die Klägerin erwarb 2007 Grundvermögen, sodass das beklagte FA im selben Jahr noch Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin festsetzte. Mit Schreiben v. beantragte die Klägerin eine Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Zur Begründung trug sie vor, der Grundstückskaufpreis sei nachträglich gemindert worden. Verkäufer und Klägerin hätten im Rahmen der Vertragsverhandlungen vereinbart, dass der Verkäufer nach Abschluss des Grundstückskaufvertrages weitere Grundstücksteile vermieten. Zur Absicherung der Klägerin sei deshalb ein Teilbetrag auf ein Notaranderkonto überwiesen worden, um den, sollte es dem Verkäufer nicht gelingen, die Mietverträge abzuschließen, der Kaufpreis reduziert werden sollte. Nachdem es dem Verkäufer in der Folgezeit nur in geringem Umfang gelungen sei, weitere Mietverträge abzuschließen, habe es nachfolgend zwischen dem Verkäufer und der Klägerin Streitigkeiten hinsichtlich der Voraussetzungen der Auskehrung des hinterlegten Kaufpreises gegeben. 2009 sei dann ein Vergleich geschlossen worden. Die Kaufpreisminderung sei daher gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO als rückwirkendes Ereignis steuermindernd zu berücksichtigen. Das FG München wies die Klage als unbegründet ab (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 10.8.2018).
Der BFH verneinte ebenfalls die Änderung:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen An¬spruch auf Änderung des bestandskräftigen Grunderwerbsteuerbescheids hat. Ein solcher ergibt sich weder aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO noch aus § 16 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG.
Ein nachträgliches Ereignis mit steuerrechtlicher Rückwirkung muss zu einer Änderung des Sachverhalts führen, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hat, und nicht nur zu einer veränderten (rechtlichen) Beurteilung des nämlichen Sachverhalts (vgl. , ).
Der Umstand, dass einem Ereignis ertragssteuerrechtlich Rückwirkung zukommt, ist somit für Zwecke der Grunderwerbsteuer nicht ausschlaggebend (vgl. ).
Die Herabsetzung der Gegenleistung i.S. des § 16 Abs. 3 GrEStG ermöglicht nach der insoweit zwingenden gesetzlichen Systematik keine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Das folgt aus § 16 Abs. 4 GrEStG und § 175 Abs. 1 Satz 2 AO und entspricht dem Grundsatz, dass die steuerrechtliche Wirkung für die Vergangenheit autonom für das jeweilige materielle Steuergesetz zu beurteilen ist (vgl. ).
Wäre ein Ereignis, das nach § 16 Abs. 1 bis 3 GrEStG die Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung begründet, namentlich die Herabsetzung der Gegenleistung, ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, liefe § 16 Abs. 4 GrEStG ausnahmslos leer. Denn mit dem Ende des Kalenderjahres einer Kaufpreisherabsetzung i.S. des § 16 Abs. 3 GrEStG würde dann die vierjährige Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO erneut beginnen. Damit bedürfte es des § 16 Abs. 4 GrEStG nicht, wonach die Festsetzungsfrist (§§ 169 bis 171 AO) lediglich nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses endet. Eine Auslegung, mit der eine gesetzliche Vorschrift jeglichen Anwendungsbereich verlöre, widerspräche der gesetzlichen Systematik, kann von Gesetzes wegen nicht gewollt sein und wäre offenkundig unzutreffend (vgl. ).
Quelle: ; NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
WAAAH-63543