Offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO bei Bescheid nach § 27 Abs. 2 KStG über die gesonderte Feststellung des steuerlichen
Eigenkapitals über 0 EUR infolge Nichtberücksichtigung einer Einlage in die Kapitalrücklage einer GmbH durch einen Forderungsverzicht
von Gesellschaftern
Leitsatz
1. Ein Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 KStG kann wegen der unterbliebenen
Berücksichtigung einer Kapitalrücklage im Sinne des § 272 Abs. 2 HGB nur dann infolge einer „offenbaren Unrichtigkeit” nach
§ 129 Satz 1 AO berichtigt werden, wenn u. a. aus den dem Finanzamt vorliegenden Unterlagen, sei es der Steuererklärung, den
beigefügten Anlagen, dem Prüfungsbericht oder den Handakten des Prüfers, die Bildung oder Erhöhung der Kapitalrücklage und
ein entsprechender Mittelzufluss bei der Kapitalgesellschaft klar und eindeutig ersichtlich ist (Anschluss an , EFG 2018 S. 11).
2. Wurde beim Erlass von Gesellschafterforderungen vereinbart, der Forderungsverzicht solle der Kapitalrücklage nach § 272
Abs. 2 Nr. 4 HGB gutschrieben werden, wurde auch in der Bilanz der GmbH eine entsprechende Kapitalrücklage ausgewiesen, wurde
aber in der beim Finanzamt eingereichten Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zu diesem Bilanzstichtag
bei den für das steuerliche Einlagekonto festzustellenden Beträgen ausdrücklich eine (gedruckte) Null eingetragen, so scheidet
eine Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO aus, wenn sich weder unmittelbar aus der Feststellungserklärung noch klar und eindeutig
aus den mit der Feststellungserklärung eingereichten Unterlagen ergibt, wer konkret nach welchen Maßgaben auf welche Forderungen
verzichtet hat, und wenn daher nur eine – vom Finanzamt nicht durchgeführte – weitere, die Anwendung des § 129 AO ausschließende
Sachverhaltsermittlung die Unstimmigkeiten zwischen den in der Feststellungserklärung gemachten Angaben und den mit der Feststellungserklärung
vorgelegten Unterlagen (im Streitfall: Köperschaftsteuererklärung nebst Anlagen, diverse Anlagen umfassender Bericht über
den Jahresabschluss) auflösen und die sich aus den vorgelegten Unterlagen ergebenden Fragen beantworten hätte können (vgl.
BFH- und FG-Rechtsprechung zur „offenbaren Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO).
3. Das Erlöschen von Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern führt nicht zwangsäufig zur Bildung einer Kapitalrücklage
bzw. zur Erhöhung einer bestehenden Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB.
4. Handelsrechtlich gehören alle Einlagen, die weder gezeichnetes Kapital noch Einlagen oder Kapitalanteile von unbeschränkt
persönlich haftenden Gesellschaftern sind, zur Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 HGB. Der handelsbilanzielle Ausweis einer
nicht in das Nennkapital geleisteten Einlage führt allerdings nicht automatisch zu einem Zugang beim steuerlichen Einlagekonto;
das steuerliche Einlagekonto muss nicht mit der handelsrechtlichen Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 HGB übereinstimmen, entscheidend
für den Zugang zum steuerlichen Einlagekonto ist vielmehr, ob eine Gesellschafterleistung nach den Wertungen des Steuerrechts
als Einlage zu qualifizieren ist.
Fundstelle(n): GmbH-StB 2021 S. 24 Nr. 1 QAAAH-63143
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FG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.12.2017 - 6 K 1902/15
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