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BGH Urteil v. - VIII ZR 48/18

Kraftfahrzeug-Leasingvertrag: Pflicht des Leasinggebers zur Verwendung der ihm aus einem Schadensfall zustehenden Versicherungsentschädigung für die Reparatur oder Wiederbeschaffung des Fahrzeugs; Anrechnung des von dem Haftpflichtversicherer erhaltenen Minderwertausgleichs auf den Restwertausgleichsanspruch des Leasinggebers

Leitsatz

1. Der Leasinggeber ist verpflichtet, die ihm aus einem Schadensfall zustehenden Entschädigungsleistungen eines Versicherers dem Leasingnehmer zugutekommen zu lassen, indem er sie für die Reparatur oder Wiederbeschaffung des Fahrzeugs verwendet oder diese bei Vertragsende auf den Schadensersatz- oder Ausgleichsanspruch anrechnet (Bestätigung der , NJW 2011, 3709 Rn. 17 [für Leistungen aus einer Haftpflichtversicherung]; vom - VIII ZR 278/05, NJW 2008, 989 Rn. 19; vom - VIII ZR 55/03, NJW 2004, 1041 unter II 3 a aa und vom - VIII ZR 31/91, BGHZ 116, 278, 283 f.; [jeweils für Leistungen aus einer Vollkaskoversicherung]).

2. Eine Zahlung, die der Leasinggeber als Minderwertausgleich von dem Haftpflichtversicherer erhalten hat, mindert deshalb - unabhängig davon, ob der Leasinggeber von einem vertraglich vereinbarten Andienungsrecht Gebrauch macht oder das Fahrzeug verwertet - dessen Anspruch auf Restwertausgleich.

Gesetze: § 535 BGB

Instanzenzug: Az: 15 U 9/17vorgehend Az: 2 O 236/16

Tatbestand

1Die Klägerin ist eine Leasinggesellschaft, die Beklagte eine freiberufliche Rechtsanwältin. Am 24./ schlossen die Parteien einen Leasingvertrag mit einer Laufzeit von drei Jahren über einen P.            , den die Beklagte für ihre Anwaltskanzlei nutzen wollte. Der Restwert war mit 56.013,55 € netto vereinbart.

2Am kam es zu einem (ersten) Unfall der Beklagten mit dem Leasingfahrzeug. Nach der Reparatur verblieb ein merkantiler Minderwert in Höhe von 5.500 €, den der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners Anfang 2014 an die Klägerin auszahlte. Am kam es zu einem weiteren Unfall, nach dem sich der Restwert des Fahrzeugs noch auf 38.663,87 € netto belief. Zu diesem Preis wurde das Fahrzeug an einen von der Beklagten benannten Restwertankäufer veräußert. Aus dem zweiten Unfall hat die Klägerin Zahlungen der Versicherung auf den Fahrzeugschaden nicht erhalten.

3Mit Schreiben vom teilte die Klägerin - noch in Unkenntnis des zweiten Unfalls - der Beklagten mit, dass angesichts des nahen Vertragsendes () zum die offenen Leasingraten für die Monate Juni und Juli 2015 und der vereinbarte Restwert des Fahrzeugs abzüglich des für den Minderwert erhaltenen Betrags zu zahlen seien.

4Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von 22.470,36 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem vereinbarten Restwert des Fahrzeugs in Höhe von 56.013,55 € abzüglich des von dem Restwertankäufer gezahlten Kaufpreises von 38.663,87 € - mithin 17.349,68 € (netto) -, den noch offenen Leasingraten für die Monate Juni und Juli 2015 in einer Gesamthöhe von 4.773,09 € (brutto) sowie berechneten Zinsen in Höhe von 347,59 €. Der als merkantiler Minderwert aus dem ersten Unfall erhaltene Betrag von 5.500 € ist dabei nicht mehr angerechnet.

5Das Landgericht hat der Klage - unter deren Abweisung im Übrigen - in Höhe von 22.196,49 € (nebst Zinsen) - mithin ohne Anrechnung des merkantilen Minderwerts zugunsten der Beklagten - stattgegeben, in einer Höhe von 17.349,68 € jedoch nur Zug um Zug gegen Rückabtretung der aus dem zweiten Unfallereignis resultierenden Versicherungsforderungen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren hinsichtlich eines Teilbetrags von 5.500 € weiter.

Gründe

6Die Revision hat Erfolg.

I.

7Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

8Die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom von ihrem Andienungsrecht Gebrauch gemacht, weshalb die Beklagte den vereinbarten Restwert als Kaufpreis schuldete. Von diesem Kaufvertrag habe sich die Klägerin in der Folgezeit auch nicht gelöst. Vielmehr seien - nachdem die Klägerin Kenntnis von dem zweiten Unfall erlangt habe - lediglich einige konkretisierende Absprachen über die Verwertung des Fahrzeugs unter Anrechnung auf die Forderungen getroffen worden.

9Der merkantile Minderwert aufgrund des ersten Unfalls gebühre der Klägerin als Leasinggeberin und Eigentümerin des Fahrzeugs, weshalb der von der Versicherung insoweit gezahlte Betrag von 5.500 € nicht auf den Restwertausgleich anzurechnen sei. Auch aus allgemeinen leasingrechtlichen Erwägungen lasse sich das nicht herleiten. Die im Schrifttum vertretene Auffassung, Zahlungen des Versicherers auf eine merkantile Wertminderung des geleasten Fahrzeugs seien nach erfolgter Andienung des Leasingobjekts zugunsten des Leasingnehmers anzurechnen, sei mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu vereinbaren.

10Danach stehe jedenfalls bei einer vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrags, in dem ein Andienungsrecht ohne Mehrerlösbeteiligung des Leasingnehmers vereinbart worden sei, eine vom Haftpflichtversicherer des Schädigers bei fremdverschuldetem Unfall gezahlte Entschädigung im Innenverhältnisallein dem Leasinggeber als Eigentümer zu, soweit sie vom Leasingnehmer nicht zur Reparatur des Leasingobjekts verwendet werde. Dies gelte auch, soweit die Versicherungsleistung den zum Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrags noch nicht vollamortisierten Gesamtaufwand des Leasinggebers übersteige und damit bei diesem ein "Übererlös" verbleibe.

11Diese Rechtsprechung lasse sich im Kern auch auf Fälle wie den vorliegenden übertragen, in denen es um eine Abrechnung nach - hier mit dem Schreiben der Klägerin vom erfolgter - Andienung zum regulären Vertragsende gehe. Auch hier müsse es bei dem Grundsatz bleiben, dass Versicherungsleistungen nach einem Unfall demjenigen zustünden, der im Zeitpunkt des Unfalls Eigentümer des Leasingobjekts sei, selbst wenn dies im Einzelfall zu dem Verbleib eines "Übererlöses" bei dem Leasinggeber führe.

II.

12Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung, soweit sie dieser aufgrund des Revisionsangriffs unterliegt, nicht stand.

13Die von der Klägerin in Höhe von 17.349,68 € geltend gemachte Forderung auf Ausgleich des Restwerts ist in Höhe des in der Revisionsinstanz noch im Streit befindlichen Betrags von 5.500 € unbegründet. Denn die Klägerin hat in dieser Höhe mit Rücksicht auf den nach dem ersten Unfall verbleibenden merkantilen Minderwert des Fahrzeugs eine Zahlung der Versicherung erhalten, die ihre Ausgleichforderung entsprechend mindert.

14Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Leasinggeber verpflichtet, die ihm aus einem Schadensfall zustehenden Entschädigungsleistungen eines Versicherers dem Leasingnehmer zugutekommen zu lassen, indem er sie für die Reparatur oder Wiederbeschaffung des Fahrzeugs verwendet oder diese bei Vertragsende auf den Schadensersatz- oder Ausgleichsanspruch anrechnet (, NJW 2011, 3709 Rn. 17 [für Leistungen aus einer Haftpflichtversicherung]; vom - VIII ZR 278/05, NJW 2008, 989 Rn. 19; vom - VIII ZR 55/03, NJW 2004, 1041 unter II 3 a aa; vom - VIII ZR 31/91, BGHZ 116, 278, 283 f.; [jeweils - mit weiteren Nachweisen - für Leistungen aus einer Vollkaskoversicherung]). Eine Zahlung, die der Leasinggeber als Minderwertausgleich von der Haftpflichtversicherung erhalten hat, mindert deshalb dessen Anspruch auf Restwertausgleich.

15Dies gilt unabhängig davon, ob der Leasinggeber von einem vertraglich vereinbarten Andienungsrecht Gebrauch macht oder das Fahrzeug verwertet. Denn auch mit dem Andienungsrecht soll lediglich sichergestellt werden, dass der Leasinggeber bei Vertragsende den als Restwert vereinbarten und vom Leasingnehmer garantierten Betrag erhält. Das im Leasingvertrag vorgesehene Andienungsrecht setzt (selbstverständlich) voraus, dass dem Leasingnehmer Versicherungsleistungen, die der Leasinggeber erhalten hat, zugute gebracht werden, nämlich entweder durch Verwendung auf das Fahrzeug (Reparatur) oder bei einer zum Minderwertausgleich erbrachten Zahlung durch Minderung des nach erfolgter Andienung zu zahlenden Kaufpreises. Es kann deshalb dahinstehen, ob das Berufungsgericht in dem Schreiben der Klägerin vom , in dem lediglich von einem Restwertausgleich, nicht aber von einer Andienung oder Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte die Rede ist, zu Recht eine Ausübung des Andienungsrechts gesehen hat. Denn auch bei einer Andienung hat der Leasinggeber die als Minderwertausgleich erhaltene Versicherungsleistung anzurechnen, so wie es die Klägerin im Übrigen in ihrem vom Berufungsgericht als Ausübung des Andienungsrechts gewerteten Schreiben vom auch selbst vorgesehen hatte.

16Die vom Berufungsgericht für seine gegenteilige Auffassung herangezogene Rechtsprechung des Senats zum Mehrerlös (, aaO Rn. 19 f.; vom - VIII ZR 184/10, aaO Rn. 20 f.) ist schon deshalb nicht einschlägig, weil es vorliegend allein um die Anrechnung einer Versicherungsleistung auf den vereinbarten Restwert geht, und nicht darum, wem ein Mehrerlös zusteht, der sich ergibt, wenn bei der Abrechnung des Leasingvertrags durch Verwertungserlös und Versicherungsleistungen ein über dem vereinbarten Restwert liegender Betrag- wie hier gerade nicht - erzielt wird.

III.

17Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang des Revisionsangriffs keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Danach hat sich die Klägerin die infolge des ersten Unfalls vom erhaltene Versicherungsleistung in Gestalt des merkantilen Minderwerts in Höhe von 5.500 € auf den Restwert anrechnen zu lassen. Dies führt auf die Berufung der Beklagten zur Abänderung und Neufassung des erstinstanzlichen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:300920UVIIIZR48.18.0

Fundstelle(n):
NJW 2021 S. 552 Nr. 8
WM 2022 S. 95 Nr. 2
ZIP 2021 S. 804 Nr. 15
WAAAH-62814