BGH Beschluss v. - 5 StR 233/20

Versuchter Totschlag: Freiwilligkeit des Rücktritts bei Einflussnahme Dritter

Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 24 Abs 1 StGB, § 212 StGB, § 223 Abs 2 StGB, § 223a StGB

Instanzenzug: LG Chemnitz Az: 550 Js 29704/18 - 1 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2Die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

31. Nach den Urteilsfeststellungen fügte der Angeklagte dem Zeugen S.    in der Werkstatthalle des Zeugen L.    mit einem Hammer eine potentiell lebensbedrohliche Kopfverletzung zu. Unmittelbar anschließend ging er auf den Hof des Geländes, wo ihn sein Begleiter zum Gehen aufforderte. Dennoch versuchte er, L.      mit dem Hammer am Kopf und an den Knien zu verletzen. Aufgrund nachdrücklicher Aufforderung seines Begleiters ließ er von weiteren Schlägen ab und entfernte sich vom Hof. Der unverletzte L.     rief die Polizei und Rettungskräfte, die kurz darauf eintrafen.

4Das Landgericht hat einen Rücktritt vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen L.    abgelehnt, da der Angeklagte die weitere Tatausführung nicht freiwillig, sondern aufgrund des Drängens seines Begleiters und des Polizeinotrufs des Geschädigten aufgegeben habe.

52. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

6Die Annahme, der Angeklagte habe auch wegen des Polizeinotrufs von der weiteren Tatausführung abgesehen, findet schon keine Grundlage in den Feststellungen, ausweislich derer der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor Ort war. Als Grund für sein Umdenken kam mithin nur das verbale Einwirken seines Begleiters in Betracht. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob sich dies auf die Aufgabe der Tatverwirklichung ausgewirkt hat, da der Angeklagte dessen Aufforderung zum Verlassen des Werkstattgeländes gerade nicht gefolgt war. Ungeachtet dessen begegnet die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da das Landgericht außer Betracht gelassen hat, dass das Einwirken eines Dritten der Annahme von Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB nicht von vornherein entgegensteht (vgl. , NStZ-RR 2018, 169, 170 mwN).

7Der Senat schließt aus, dass insofern weitergehende Feststellungen getroffen werden können. Er hat den Schuldspruch daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO geändert.

83. Der Strafausspruch beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Denn das Landgericht hat ausdrücklich strafschärfend verwertet, dass der Angeklagte versucht hat, mit dem Hammer auf den Zeugen L.    einzuwirken. Es kann daher dahinstehen, ob die - angesichts der örtlichen Veränderung zwischen den jeweils gegen höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen gerichteten Angriffe - rechtlich bedenkliche Annahme von Tateinheit den Angeklagten hier ausnahmsweise beschwert (vgl. , NStZ 2016, 207, 208).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:070720B5STR233.20.0

Fundstelle(n):
VAAAH-62648