Online-Nachricht - Donnerstag, 29.10.2020

Umsatzsteuer | Ermäßigter Steuersatz für Techno- und House-Konzerte I (BFH)

Eintrittserlöse für Musikaufführungen unterschiedlicher Stilrichtungen durch renommierte DJs sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG steuersatzermäßigt, wenn diese Aufführungen den eigentlichen Zweck der Veranstaltung darstellen. Umsätze aus der Veräußerung von Eintrittskarten für ortsgebundene Veranstaltungen unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG (Anschluss an ) (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie für die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler.

Sachverhalt: Streitig ist, ob die Eintrittserlöse aus Musikveranstaltungen der Klägerin in den Streitjahren dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

Die Klägerin ist eine GbR, deren Zweck vor allem in der Organisation und Veranstaltung von Musik-Events besteht. Sie führte in mehreren Räumen ("floors") eines stillgelegten Gebäudeareals verschiedene Musikveranstaltungen durch. Hierbei wurde von DJs Musik unterschiedlicher Stilrichtungen (z. B. House, Electro) dargeboten. Für die jeweilige Veranstaltung engagierte die Klägerin neben lokal und regional tätigen DJs einen, vereinzelt auch mehrere national und international in der Szene bekannte und renommierte DJs.

Nachdem die Klägerin ihre Umsätze zunächst vollumfänglich dem Regelsteuersatz unterworfen hatte, reichte sie berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ein und beantragte für die Umsätze aus Eintrittsgeldern die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Das FA lehnte diesen Antrag ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch zurück.

Die anschließende Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen ().

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen und die Sache an das FG zurückverwiesen:

  • Nach der Rechtsprechung des BFH sind unter Konzerten i. S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG Aufführungen von Musikstücken zu verstehen, bei denen Instrumente und/oder die menschliche Stimme eingesetzt werden. Für die Musikrichtungen "Techno" und "House" sind als "Instrumente" i. S. der o.g. Begriffsbestimmung auch Plattenteller, Mischpulte und CD-Player u. Ä. anzusehen, mit denen die Musik im Rahmen eines Konzerts dargeboten wird, wenn sie (wie konventionelle Instrumente) zum Vortrag des Musikstücks - und nicht nur zum Abspielen eines Tonträgers - genutzt werden.

  • Weitere Voraussetzung für die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG ist, dass die begünstigte Veranstaltung oder Vorführung ("Konzert") den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht. Das FG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass zur Feststellung des dominierenden Zwecks der Veranstaltung eine Gesamtwürdigung der einzelnen Indizien aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers ("Besuchers") vorzunehmen ist. Die von ihm vorgenommene Beweiswürdigung ist jedoch lückenhaft, sodass es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung fehlt.

  • Aus der maßgeblichen Perspektive des Durchschnittsbesuchers ist die Regelmäßigkeit der Veranstaltung hier ein ungeeignetes Abgrenzungskriterium. Tritt ein renommierter Künstler (hier: DJ) mit seinem Repertoire auf, verliert die Veranstaltung für den Durchschnittsbesucher nicht dadurch ihr vorzugsbezogenes Gepräge, dass er dies mehrfach oder in regelmäßigen Abständen tut.

  • Darüber hinaus besagt das Verhältnis der Umsätze (Eintrittskarten und Getränke) im Regelfall nichts darüber, ob es sich bei der Veranstaltung dem Charakter nach um ein Tanzvergnügen oder ein Konzert handelt. Insoweit fehlen zudem Feststellungen des FG hinsichtlich der konkreten Umsatzhöhe aus dem Verkauf von Eintrittskarten und dem Getränkeverkauf.

  • Die Werbung des Veranstalters für die musikalischen Darbietungen hat das FG nur insoweit in seine Würdigung einbezogen, als auf der einen Seite des Werbeflyers zumeist "leicht bekleidete Frauen" erscheinen, nicht aber, dass diese Werbeflyer auf der anderen Seite auch den Ort, das Datum und die Uhrzeit der jeweiligen Veranstaltung angaben sowie den Namen des jeweils auftretenden DJs aufführten.

  • Das FG hat dagegen zu Recht entschieden, dass die Umsatzerlöse aus der Veräußerung von Eintrittskarten nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG unterliegen. Denn die Klägerin hat ihre Leistungen nicht als Schausteller i. S. von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG erbracht.

  • Nach der Rechtsprechung des BFH () erfasst § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG nur die Schausteller, die ein Reisegewerbe betreiben, nicht aber auch ortsgebundene Schaustellerunternehmen. Daran fehlt es im Streitfall, da die von der Klägerin veranstalteten Konzerte in gemieteten Räumen und damit ortsfest stattfinden. Unerheblich ist, ob die von der Klägerin engagierten Künstler selbst von Ort zu Ort ziehen, da es im Streitfall um die Beurteilung der Umsätze der Klägerin geht und nicht um diejenigen der jeweiligen Künstler.

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH:

Das Urteil betrifft - ebenso wie die Entscheidung V R 17/17 () - die Steuerermäßigung gem. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG für verschiedene Kulturschaffende, hier die Steuerermäßigung für die Eintrittsberechtigung für Konzerte bzw. für Konzerten vergleichbare Darbietungen ausübender Künstler. Die vom BFH zu beantwortende Frage war: was ist ein Konzert oder eine vergleichbare Darbietung oder – präziser – kann eine Veranstaltung, auf der Diskjockeys Musikstücke kunstvoll darbieten, auf der aber auch getanzt und gefeiert wird, unter diesen Begriffe fallen?

Der BFH hat – unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung zu diesem Themenkreis – zunächst einmal die Grundlagen herausgearbeitet und fortentwickelt. Zu den Einzelheiten kann auf die Besprechung des Urteils V R 17/17 vom heutigen Tage verwiesen werden, weil sich die entwickelten Rechtsgrundsätze entsprechen.

Anders als im Fall V R 17/17, in dem der BFH das stattgebende Urteil des FG gehalten und dessen Würdigung als nach § 118 Abs. 2 FGO bindend angesehen hat, hat der BFH im vorliegenden Besprechungsfall das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Das lag daran, dass die Beweiswürdigung des FG lückenhaft war und es deshalb an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung fehlte. Eine Bindungswirkung nach § 118 Abs. 2 FGO konnte deshalb nicht eintreten.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
SAAAH-62435