BGH Beschluss v. - XII ZB 167/20

Dauer und Verlängerung einer Unterbringung eines Betreuten in einer geschlossenen Heimeinrichtung: Heilung eines Zustellungsmangels durch Zugang einer Kopie; Berechnung der Gesamtunterbringungsdauer bei kurzzeitigen Unterbrechungen

Leitsatz

1. Die Heilung eines Zustellungsmangels setzt nicht voraus, dass dem Zustellungsempfänger eine Kopie genau des ihm zuzustellenden Schriftstücks zugeht. Vielmehr ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass er eine inhaltlich mit diesem Schriftstück übereinstimmende Kopie erhält, die etwa auch in der einem anderen Verfahrensbeteiligten zugegangenen, inhaltsidentischen beglaubigten Abschrift der zuzustellenden Entscheidung - oder auch in einer Kopie von dieser - bestehen kann (Fortführung von , MDR 2020, 750; Urteil vom - V ZR 202/16, NJW-RR 2018, 970 und Senatsbeschluss vom - XII ZB 632/10, FamRZ 2011, 1049).

2. Die aus § 329 Abs. 2 Satz 2 FamFG folgende Verpflichtung des Gerichts, bei Unterbringungen mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren einen externen Gutachter zu bestellen, entfällt nicht bei kurzzeitigen Unterbrechungen des Freiheitsentzugs und besteht auch dann, wenn der Betroffene trotz zwischenzeitlichen Fehlens einer Unterbringungsgenehmigung weiterhin gegen seinen Willen untergebracht war.

Gesetze: § 189 ZPO, § 15 Abs 2 S 1 Alt 1 FamFG, § 329 Abs 2 S 2 FamFG

Instanzenzug: LG Lüneburg Az: 1 T 6/20vorgehend AG Celle Az: 25 XVII G 1052

Gründe

I.

1Für die im Jahre 1969 geborene Betroffene ist eine Betreuung eingerichtet, deren Aufgabenkreis unter anderem die Bereiche der Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitssorge umfasst. Die Betroffene war seit April 2012 mit richterlicher Genehmigung in einer Wohneinrichtung geschlossen untergebracht, zuletzt bis einschließlich .

2Auf Antrag der Betreuerin hat das die weitere Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Heimeinrichtung bis längstens zum genehmigt. Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückgegeben. Dieses hat ein schriftliches Sachverständigengutachten der Medizinaldirektorin R. eingeholt, die Betroffene - die sich nach wie vor in der geschlossenen Einrichtung aufhielt - persönlich angehört und dann mit Beschluss vom die weitere Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Heimeinrichtung bis längstens zum genehmigt.

3Die dagegen von der Betroffenen eingelegte Beschwerde hat das zurückgewiesen. Die Geschäftsstelle des Landgerichts hat diesen Beschluss zum Zwecke der Zustellung gegen Postzustellungsurkunde am und nochmals am an die Betroffene hinausgegeben, ohne dass ein Rücklauf der Postzustellungsurkunde erfolgt ist.

4Gegen die Beschwerdeentscheidung hat der für das Rechtsbeschwerdeverfahren von der Betroffenen bevollmächtigte Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof am für die Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, die Kopie einer beglaubigten Abschrift des angefochtenen Beschlusses mit dem Hinweis, dass das Zustellungsdatum nicht bekannt sei, beigefügt und beantragt, die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde um zwei Monate zu verlängern. Mit Verfügung vom ist die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde bis einschließlich verlängert worden. Den daraufhin am für die Betroffene gestellten Antrag auf Verlängerung dieser Frist bis zum hat der Senatsvorsitzende am zurückgewiesen, weil die verlängerte Begründungsfrist bei Eingang des Antrags bereits abgelaufen gewesen sei. Nachdem ihr Verfahrensbevollmächtigter (erstmals) Einsicht in die Verfahrensakten erhalten hatte, hat die Betroffene am die Rechtsbeschwerde begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist beantragt.

II.

5Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Frist des § 71 Abs. 2 FamFG zur Begründung der Rechtsbeschwerde im Ergebnis gewahrt, weil der Betroffenen insoweit gemäß §§ 17 ff. FamFG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

61. Die Begründung der Rechtsbeschwerde mit Schriftsatz vom ist allerdings erst nach Ablauf der Frist des § 71 Abs. 2 FamFG erfolgt.

7a) Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beginnt nach § 71 Abs. 2 Satz 2 FamFG mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. Entspricht dieser Beschluss - wie hier - nicht dem Willen desjenigen, dem er bekanntzugeben ist, dann ist er ihm gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG zuzustellen, wobei sich die Zustellung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 FamFG nach den §§ 166 bis 195 ZPO richtet (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 291/19 - FamRZ 2020, 770 Rn. 16 ff. mwN). Die Akten enthalten jedoch keinen Nachweis - insbesondere keine Zustellungsurkunde im Sinne des § 182 ZPO - darüber, wann die Beschwerdeentscheidung der Betroffenen zugestellt worden ist.

8b) Dieser Zustellungsmangel war aber spätestens am , als der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen über eine Kopie der beglaubigten Beschlussausfertigung verfügte, gemäß §§ 15 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 FamFG, 189 Alt. 1 ZPO geheilt.

9aa) Nach § 189 ZPO gilt ein Dokument, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Eine Heilung durch den tatsächlichen Zugang des Schriftstücks im Sinne des § 189 ZPO setzt voraus, dass das Schriftstück so in den Machtbereich des Adressaten gelangt, dass er es behalten kann und Gelegenheit zur Kenntnisnahme von dessen Inhalt hat ( - MDR 2020, 750 Rn. 21 mwN). Zudem kommt die Heilung einer fehlerhaften Zustellung nur beim Vorliegen eines Zustellungswillens in Betracht, mithin dann, wenn eine formgerechte Zustellung von dem Gericht wenigstens angestrebt worden ist (Senatsbeschluss vom - XII ZB 291/19 - FamRZ 2020, 770 Rn. 19 mwN).

10bb) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist vorliegend die Heilungswirkung spätestens am eingetreten, da der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen an diesem Tag mit der Rechtsbeschwerde die Kopie einer beglaubigten Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses vorgelegt hat, die er wiederum von der Betroffenen erhalten haben muss. Die Geschäftsstelle des Landgerichts hat diesen Beschluss ausweislich der am ausgeführten Verfügung zur Zustellung mittels Postzustellungsurkunde und demnach mit Zustellungswillen an die Betroffene hinausgegeben. Ob das der Betroffenen bei Rechtsbeschwerdeeinlegung vorliegende Beschlussexemplar dasjenige ist, das zur Zustellung an sie abgesandt wurde, oder eine andere inhaltsgleiche Beschlusskopie, bedarf keiner weiteren Aufklärung.

11(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für den tatsächlichen Zugang als Voraussetzung der Heilung nicht der Zugang des zuzustellenden Originals erforderlich. Die erfolgreiche Übermittlung einer (auch elektronischen) Kopie in Form - beispielsweise - eines Telefaxes, einer Fotokopie oder eines Scans ist ausreichend. Dieses Verständnis entspricht dem Sinn und Zweck der Heilungsvorschrift des § 189 ZPO ( - MDR 2020, 750 Rn. 24; vgl. auch - für das Wohnungseigentumsrecht - - NJW-RR 2018, 970 Rn. 21).

12Die mit § 189 ZPO eröffnete Heilungsmöglichkeit hat den Sinn, die förmlichen Zustellungsvorschriften nicht zum Selbstzweck erstarren zu lassen; deshalb ist die Zustellung auch dann als bewirkt anzusehen, wenn der Zustellungszweck anderweitig erreicht wird. Die Vorschrift des § 189 ZPO ist daher grundsätzlich weit auszulegen. Der Zweck der Zustellung liegt darin, dem Adressaten angemessen Gelegenheit zu verschaffen, von einem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, und den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu dokumentieren. Ist die Gelegenheit zur Kenntnisnahme gewährleistet und steht der tatsächliche Zugang auch ohne die durch die förmliche Zustellung gewährleistete Dokumentation fest, bedarf es besonderer Gründe, die Zustellungswirkung entgegen dem Wortlaut der Regelung in § 189 ZPO nicht eintreten zu lassen. Der Zustellungszweck wird danach in gleicher Weise erreicht, wenn der Empfänger eine technische Reproduktion des Originaldokuments erhält; diese verschafft ihm zuverlässig Kenntnis über den Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks. Die bloße mündliche Überlieferung oder eine handschriftliche oder maschinenschriftliche Abschrift des Dokuments führen dagegen wegen der Fehleranfälligkeit einer solchen Übermittlung nicht zur Heilung des Zustellungsmangels. Eine dahingehende Auslegung von § 189 ZPO wäre weder mit dessen Wortlaut noch mit dem Zustellungszweck zu vereinbaren ( - MDR 2020, 750 Rn. 25; vgl. auch Senatsbeschluss vom - XII ZB 632/10 - FamRZ 2011, 1049 Rn. 11 mwN und - NJW-RR 2018, 970 Rn. 30).

13(2) Mit Blick auf den Sinn der von § 189 ZPO eröffneten Heilungsmöglichkeit muss dem Zustellungsempfänger zudem nicht zwingend eine Kopie genau des ihm zuzustellenden Schriftstücks zugehen. Vielmehr ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass er eine inhaltlich mit diesem Schriftstück übereinstimmende Kopie erhält, die etwa auch in der einem anderen Verfahrensbeteiligten zugegangenen, inhaltsidentischen beglaubigten Abschrift der zuzustellenden Entscheidung - oder auch in einer Kopie von dieser - bestehen kann (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 632/10 - FamRZ 2011, 1049 Rn. 11 mwN). Der mit der Zustellung verfolgte Zweck wird dann ebenfalls gewahrt. Daher kann dahinstehen, ob die Betroffene - wie ihr Verfahrensbevollmächtigter als Möglichkeit in den Raum stellt - die von ihm mit der Rechtsbeschwerde vorgelegte Entscheidungskopie von einem anderen Verfahrensbeteiligten erhalten hat.

14c) Die einmonatige Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde begann mithin am zu laufen und lief am ab, so dass die antragsgemäße Verlängerung um zwei Monate zu einem Fristende am , einem Montag, führte. Der zweite Verlängerungsantrag ist hingegen erst am und damit nach Fristablauf gestellt worden und konnte deshalb nicht zu einer nochmaligen Verlängerung führen. Mit der am 3. September eingegangenen Rechtsbeschwerdebegründung ist die Frist des § 71 Abs. 2 FamFG nicht gewahrt.

152. Der Betroffenen ist aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, weil sie ohne eigenes oder ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten im Sinne des § 17 Abs. 1 FamFG verhindert war, die Frist einzuhalten.

16Ein Verschulden wäre nur dann anzunehmen, wenn die Betroffene zumindest damit hätte rechnen müssen, dass die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist jedenfalls am zu laufen begann. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Geschäftsstelle des Senats hatte dem Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen nach Eingang der Verfahrensakten am mitgeteilt, dass eine Zustellung des angefochtenen Beschlusses noch nicht erfolgt war. Damit, dass das Landgericht diesen Beschluss bereits zuvor - am - mit Zustellungsabsicht und nicht etwa formlos oder durch Aufgabe zur Post an die Betroffene hinausgegeben hatte, musste ihr Verfahrensbevollmächtigter unter diesen Umständen nicht rechnen. Die Akteneinsicht, die ihm Kenntnis von diesem Sachverhalt verschaffen konnte, ist ihm erst am gewährt worden. Jedenfalls bis zur Ablehnung der erneuten Fristverlängerung durfte er daher ohne Verschulden davon ausgehen, dass die Frist des § 71 Abs. 2 FamFG mangels für die Bekanntgabe erforderlicher Zustellung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Binnen der mit dieser Kenntniserlangung in Gang gesetzten, für den Fall der Verhinderung an der Begründung der Rechtsbeschwerde geltenden Monatsfrist des § 18 Abs. 1 Satz 2 FamFG ist der Wiedereinsetzungsantrag gestellt und die versäumte Rechtshandlung nachgeholt worden, § 18 Abs. 3 Satz 2 FamFG.

III.

17Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

181. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

19Die Betroffene leide an einer Erkrankung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB, nämlich zum einen unter einer Alkoholerkrankung und zum anderen entweder an einer chronischen paranoiden Schizophrenie und einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ oder an einer instabilen Persönlichkeitsstörung und an einer rezidivierenden psychotischen Störung. Unabhängig von der genauen Diagnose sei sie jedenfalls offensichtlich psychisch krank. Aufgrund dieser Erkrankung bestehe die Gefahr, dass sie sich selbst gefährde, sollte sie aus der Unterbringung entlassen werden. Es drohten dann der Kontrollverlust im Umgang mit Alkohol und unzureichende Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, die zu einer weiteren Schädigung der Persönlichkeit und des zentralen Nervensystems der Betroffenen führen könnten. Sie würde sich höchstwahrscheinlich ins soziale Abseits manövrieren, verwahrlosen und körperlich verfallen. Ferner drohten auto- und fremdaggressive Verhaltensweisen aufgrund Verlusts der Impulskontrolle bei kleinsten Belastungssituationen. In den Jahren 2010 und 2012 sei es unter Alkoholeinfluss zu Suizidversuchen der Betroffenen gekommen. Die Unterbringung sei daher zur Vermeidung der Selbstgefährdung erforderlich. Angesichts des Gesundheitszustands der Betroffenen sei auch gegen die vom Amtsgericht ausgesprochene Genehmigungsdauer nichts zu erinnern.

202. Das hält schon der von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrüge nicht stand, dass das Sachverständigengutachten der Medizinaldirektorin R. wegen eines Verstoßes gegen § 329 Abs. 2 Satz 2 FamFG nicht hätte verwertet werden dürfen.

21a) Nach dieser Bestimmung soll das Gericht bei Unterbringungen mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist. Dabei muss die Unterbringung nicht bereits im Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz vier Jahre vollzogen sein. Ausreichend ist vielmehr, dass der mit der angefochtenen Entscheidung verlängerte Unterbringungszeitraum über das Fristende hinausreicht. Denn die gesetzliche Vorschrift will gerade vermeiden, dass eine Unterbringung über einen Zeitraum von vier Jahren hinaus aufrechterhalten wird, ohne dass ihr das Gutachten eines außenstehenden Sachverständigen zugrunde liegt. Will das Gericht von dieser Regel aufgrund besonderer Umstände abweichen, so muss es diese benennen (Senatsbeschluss vom - XII ZB 458/16 - FamRZ 2017, 227 Rn. 14 f.; vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 218, 111 = FamRZ 2018, 950 Rn. 16).

22b) Diesen rechtlichen Anforderungen wird das bisherige Verfahren nicht gerecht.

23aa) Die Rechtsbeschwerde macht zutreffend geltend, dass die Betroffene seit April 2012 geschlossen untergebracht ist, so dass die jetzige Unterbringungsgenehmigung über die von § 329 Abs. 2 Satz 2 FamFG genannte Gesamtdauer von vier Jahren hinausgeht. Dem steht nicht entgegen, dass die letzte Unterbringungsgenehmigung nur bis zum reichte, das Amtsgericht erst am die weitere Unterbringung genehmigt hat und mithin rund fünf Wochen kein Beschluss über eine Unterbringungsgenehmigung bestand.

24Allerdings sind Zeiträume zurückliegender Unterbringungen grundsätzlich nicht in die Fristberechnung einzubeziehen, wenn sich der Betroffene zwischenzeitlich in Freiheit befunden hat, so dass für den Fristbeginn auf das Wirksamwerden (§ 324 FamFG) derjenigen Unterbringungsgenehmigung abzustellen ist, die bis zum Fristlablauf ununterbrochen vollzogen wird (vgl. Keidel/Giers FamFG 20. Aufl. § 329 Rn. 14; vgl. auch - zur Vorgängervorschrift des § 70 i Abs. 2 Satz 2 FGG - 3Z BR 10/94 - juris Rn. 11). Kurzzeitige Unterbrechungen - etwa bei Entweichen des Betroffenen, kurzem Freigang oder Aussetzung der Vollziehung nach § 328 FamFG in den Fällen des § 312 Nr. 4 FamFG - bleiben in Anbetracht des Gesetzeszwecks, Zweifeln an der Objektivität des Gutachters entgegenzuwirken und eine durch die Einschaltung desselben Sachverständigen herbeigeführte Perpetuierung der Unterbringung zu verhindern, ohne Einfluss auf den Fristlauf (vgl. etwa Bork/Jacoby/Schwab/Heiderhoff FamFG 3. Aufl. § 329 Rn. 4; Keidel/Giers FamFG 20. Aufl. § 329 Rn. 14; MünchKommFamFG/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 329 Rn. 12; Prütting/Helms/Roth FamFG 5. Aufl. § 329 Rn. 10 f.).

25Ob eine fünfwöchige Unterbrechung noch als kurzzeitig in diesem Sinne anzusehen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Betroffene hat sich während des genehmigungslosen Zustands tatsächlich nicht in Freiheit befunden, sondern war weiterhin in der geschlossenen Einrichtung untergebracht. Zudem ging der Wille des Amtsgerichts dahin, an die vorhergehende Unterbringungsgenehmigung nahtlos anzuknüpfen, wie sich schon daraus ergibt, dass die „weitere Unterbringung“ genehmigt worden ist.

26bb) Die Sachverständige Medizinaldirektorin R., deren Gutachten vom der zweijährigen Unterbringungsgenehmigung nach §§ 329 Abs. 2 Satz 1, 321 Abs. 1 FamFG zugrunde liegt, hatte jedoch - wie die Rechtsbeschwerde ebenfalls zutreffend aufzeigt - bereits am und am Sachverständigengutachten über die Betroffene in Unterbringungssachen gefertigt. Weshalb das Amtsgericht sie gleichwohl unter Abweichung von der Regel des § 329 Abs. 2 Satz 2 FamFG mit der Gutachtenserstellung beauftragt hat, lässt sich den tatrichterlichen Entscheidungen nicht entnehmen.

273. Der angefochtene Beschluss ist daher gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben und die Sache ist nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist.

28Die Zurückverweisung gibt dem Landgericht auch Gelegenheit, die rechtlichen Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich bei einer langjährigen Unterbringung mit Blick auf die Feststellung der von § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorausgesetzten Gefährdung von Leib und Leben der Betroffenen und die hierfür gebotene Begründungstiefe der gerichtlichen Entscheidung sowie für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung ergeben (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 218, 111 = FamRZ 2018, 950 Rn. 17 ff. mwN und vom - XII ZB 215/20 - FamRZ 2020, 1406 Rn. 11).

29Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:071020BXIIZB167.20.0

Fundstelle(n):
NJW 2020 S. 9 Nr. 46
NJW-RR 2021 S. 193 Nr. 4
JAAAH-61774