Fehlerhafte Strafzumessung: Minder schwerer Fall eines Diebstahls mit Waffen; strafschärfende Wertung des Fehlens eines Strafmilderungsgrundes; Absehen von der nachträglichen Gesamtstrafenbildung wegen Fehlens der Akten
Gesetze: § 46 StGB, § 55 Abs 1 S 1 StGB, § 223 StGB, § 242 StGB, § 244 Abs 3 StGB, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Mönchengladbach Az: 32 KLs 5/18
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen, Körperverletzung in zwei Fällen, Hausfriedensbruchs, Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen und Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt sowie im Übrigen freigesprochen. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen die Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
3a) Die Strafkammer hat wegen des Besitzes und des Erwerbs von Betäubungsmitteln, der Körperverletzung zu Lasten der Nebenklägerin sowie des Hausfriedensbruchs als Einzelstrafen jeweils Freiheitsstrafe unter sechs Monaten verhängt. Diese Strafaussprüche sind rechtsfehlerhaft, weil in den Urteilsgründen weder ausdrücklich noch nach dem Gesamtzusammenhang Umstände dargetan sind, welche die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung gemäß § 47 Abs. 1 StGB unerlässlich machen (vgl. allgemein , NStZ 2004, 554; Beschluss vom - 1 StR 150/17, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 9).
4b) Die verbleibenden beiden Einzelstrafen sind ebenfalls aufzuheben. Unabhängig davon, dass dem neuen Tatgericht so eine in sich stimmige Strafzumessung ermöglicht wird, sind die Strafzumessungserwägungen auch insofern bedenklich.
5Die Annahme eines minder schweren Falles des Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 3 StGB) ist allein deshalb abgelehnt worden, weil es sich "bei dem mitgeführten Teppichmesser nicht um einen gewöhnlichen Alltagsgegenstand handelt" und von dem Messer ein ähnliches Verletzungspotential wie bei einem Einhandmesser ausgehe. Daraus ergibt sich nicht, dass bei der Prüfung eines minder schweren Falles die gebotene Gesamtwürdigung aller strafzumessungserheblichen Umstände vorgenommen worden ist (vgl. , NStZ-RR 2018, 104; Urteil vom - 2 StR 163/14, juris Rn. 29).
6Bei der verbleibenden Körperverletzung hat das Landgericht zulasten des Angeklagten berücksichtigt, dass der Angriff den Geschädigten H. "ohne jegliche Veranlassung seinerseits" getroffen habe. Hierbei ist zu besorgen, dass die Strafkammer letztlich dem Fehlen eines Strafmilderungsgrundes strafschärfende Bedeutung beigemessen hat (s. , BGHR StGB § 46 Abs. 2 Motiv 2 Rn. 17; Beschlüsse vom - 2 StR 514/13, juris Rn. 4; vom - 3 StR 417/16, juris Rn. 6).
7c) Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Diese begegnet zudem auch für sich genommen Bedenken; denn eine nachträgliche Gesamtstrafe in Bezug auf frühere Strafen ist deshalb nicht gebildet worden, weil "die entsprechenden Akten nicht vorlagen". Das führt in dieser Allgemeinheit noch nicht dazu, dass von der grundsätzlich zwingenden nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB im tatgerichtlichen Urteil ausnahmsweise abgesehen werden darf (vgl. näher , BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 4; Beschluss vom - 5 StR 456/10, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Anwendungspflicht 6 Rn. 4).
82. Die Urteilsgründe tragen nicht die Entscheidung, von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen.
9Die Strafkammer hat hierzu ausgeführt, dass "die begangenen Taten als Bagatelltaten einzuordnen" seien; allein die Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen sei ausreichend, um eine Maßregel anzuordnen. Dieser Diebstahl stelle aber eine einmalige Ausnahme dar. Hieraus ist bereits nicht ersichtlich, ob die - nicht sachverständig beratene - Strafkammer damit die Gefahr künftiger erheblicher Taten im Sinne des § 64 Satz 1 StGB hat ablehnen wollen oder die Unterbringung als nach § 62 StGB unverhältnismäßig angesehen hat. Jedenfalls stehen die Erwägungen nach den gegebenen Umständen einer Anordnung nicht ohne Weiteres entgegen. Das Landgericht hat nicht bedacht, dass der Angeklagte neben dem Diebstahl mit Waffen auch Körperverletzungsdelikte beging (vgl. dazu MüKoStGB/van Gemmeren, 3. Aufl., § 64 Rn. 51). In einem der Fälle schlug er in alkoholisiertem Zustand einen Unbeteiligten, so dass dieser zu Boden stürzte, sich eine Platzwunde am Hinterkopf zuzog und im Krankenhaus behandelt werden musste. Hierbei handelt es sich nicht um eine "Bagatelltat". Mangels weiterer Ausführungen ist nach den Urteilsgründen nicht auszuschließen, dass die Tat einen symptomatischen Zusammenhang mit einem Hang aufweist.
103. Ergänzend bemerkt der Senat, dass sich der Teilfreispruch lediglich auf die weitere Tat vom bezieht. Soweit der Angeklagte nach den Urteilsgründen auch insofern freigesprochen worden ist, als ihm die mehrfache Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren zur Last gelegt worden ist, bedarf es keines Freispruchs. Der Angeklagte ist wegen dieser angeklagten Taten, wenn auch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt, verurteilt worden. Wegen ein und derselben Tat kann das Urteil nur einheitlich auf Verurteilung oder Freispruch lauten (s. , juris).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:101219B3STR514.19.0
Fundstelle(n):
ZAAAH-60749