Online-Nachricht - Donnerstag, 01.10.2020

Einkommensteuer | Werbungskosten für Gemeinschaftsunterkunft (BFH)

Zuwendungen der Bundeswehr durch die kostenlose Zurverfügungstellung einer Gemeinschaftsunterkunft sind bei einem Zeitsoldaten neben den Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte als Werbungskosten abziehbar, wenn er die Gemeinschaftsunterkunft ausschließlich für dienstliche Zwecke und nicht zum Wohnen am Beschäftigungsort nutzt (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Revisionskläger war im Streitjahr 2009 Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Die Bundeswehr stellte dem ledigen Kläger unentgeltlich eine Gemeinschaftsunterkunft in der Kaserne zur Verfügung. Grundsätzlich bestand für den Kläger die Verpflichtung, in der Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen. Er war allerdings nicht zur Übernachtung in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet. Die Ausgangsregelungen der Bundeswehr ließen eine Rückkehr an den Heimatwohnort nach Dienstschluss zu. Der Kläger nutzte die Unterkunft in der Kaserne dementsprechend nicht für Übernachtungen, sondern fuhr nach Dienstende von der Kaserne zu seiner Wohnung zurück.

Für die Gestellung der Unterkunft setzte die Bundeswehr einen geldwerten Vorteil nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung i. H. von 612 € für das Streitjahr an. In der ESt-Erklärung 2009 machte der Kläger Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (1.796,70 €: 113 Fahrten à 53 km x 0,30 €/km) geltend. Daneben beantragte er die Anerkennung von Unterkunftskosten am Beschäftigungsort i. H. des von der Bundeswehr in Ansatz gebrachten Sachbezugs von 612 €.

Der BFH bejaht den Werbungskostenabzug und führt aus:

  • Führen Zuwendungen des Arbeitgebers, durch die sich der Arbeitnehmer eigene Aufwendungen erspart, beim Arbeitnehmer zu steuerpflichtigen Einnahmen, können in Höhe der Zuwendungen abziehbare Werbungskosten vorliegen, wenn die Zahlungen durch den Arbeitnehmer zu abziehbaren Werbungskosten geführt hätten (Bestätigung der Rechtsprechung , , ).

  • Beim Kläger wurde ein geldwerter Vorteil als Sachbezug angesetzt und in Höhe der amtlichen Sachbezugswerte der Besteuerung unterworfen. Dem Kläger steht in derselben Höhe ein entsprechender Werbungskostenabzug zu. Denn er hätte die Aufwendungen für die Gemeinschaftsunterkunft, wenn er sie selbst getragen hätte, gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten abziehen können. Die Aufwendungen wären beruflich veranlasst gewesen.

  • Dem Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG ständen im vorliegenden Fall die Vorschriften der doppelten Haushaltsführung nicht entgegen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf das damit in Zusammenhang stehende Wahlrecht des Steuerpflichtigen, entweder die Aufwendungen für die (täglichen) Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte oder die Kosten für die Zweitwohnung nebst einer wöchentlichen Familienheimfahrt als Werbungskosten geltend zu machen (vgl. ).

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Mit der Entscheidung hat der BFH nochmals verdeutlicht, dass steuerpflichtige Zuwendungen des Arbeitgebers, durch die der Arbeitnehmer eigene Aufwendungen erspart, im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers nur dann zu einer Steuererhöhung führen, wenn und soweit entsprechende Zahlungen des Arbeitnehmers nicht zum Werbungskostenabzug berechtigt hätte. Bei solchen Zuwendungen des Arbeitgebers handelt es sich um Werbungkostenersatz. Die Ersatzleistung des Arbeitgebers ist nach der Rechtsprechung des BFH als steuerbare Einnahme aus dem Dienstverhältnis und damit als Arbeitslohn anzusetzen. Denn Werbungskostenersatz führt nur in den gesetzlich angeordneten Fällen (z.B. in § 3 Nr. 13, 16, 30, 31, 32 EStG) zu steuerfreien Einnahmen. In anderen Fällen bleibt lediglich, die steuerbaren Einnahmen aus Vereinfachungsgründen --wie vorliegend-- mit fiktiven (abziehbaren) Werbungskosten in gleicher Höhe zu saldieren (). Steuerlich hat sich das gleich. Denn im Ergebnis wirkt die Ersatzleistung in beiden Fällen nicht steuererhöhend. Anderes gilt im Sozialversicherungsrecht. Bei der Beitragsberechnung zur Sozialversicherung aus dem Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer bleiben Werbungskosten grundsätzlich unberücksichtigt. Die Verminderung des Arbeitsentgelts um (fiktiven) Werbungskosten bewirkt daher keine Beitragsminderung. Daher sollte in Fällen, in denen die Steuerfreiheit des Werbungskostenersatzes nicht gesetzlich angeordnet ist, zuvor stets geprüft werden, ob es sich bei den Zuwendungen (Ersatzleistungen) des Arbeitgebers dem Grunde nach überhaupt um steuerbaren Arbeitslohn handelt. Das ist beispielsweise bei Zuwendungen, die der Arbeitgeber im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse tätigt, zu verneinen. Im Lohnsteuerabzugsverfahren ist eine solche Saldierung hingegen nicht möglich. Allerdings kann im Lohnsteuerermäßigungsverfahren nach § 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG ein steuermindernder Freibetrag für Werbungskosten, die bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anfallen, soweit sie den Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Bstb. a EStG) oder bei Versorgungsbezügen den Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Bstb. Bb EStG) übersteigen, gebildet werden. Der dahingehende Antrag des Arbeitnehmers hat auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu erfolgen (§ 39a Abs. 2 Satz 1 EStG).

Quelle: , NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
WAAAH-59782