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BGH Urteil v. - VI ZR 253/19

Betreiben eines Inkassogeschäfts ohne Erfüllung der Registrierungspflicht: Verbotsirrtum oder Tatbestandsirrtum

Leitsatz

Ein Täter, dem sämtliche tatsächlichen Umstände bekannt sind und der den Bedeutungssinn des Inkassogeschäfts als normatives Tatbestandsmerkmal zutreffend erfasst, der aber dennoch über die Registrierungspflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG irrt, unterliegt in Bezug auf § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG einem Verbotsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 2 OWiG und keinem Tatbestandsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 1 OWiG (Festhaltung , juris; vom - VI ZR 486/18, VersR 2019, 1517 Rn. 26 ff.).

Gesetze: § 823 Abs 2 BGB, § 2 Abs 2 S 1 RDG, § 3 RDG, § 10 Abs 1 S 1 Nr 1 RDG, § 20 Abs 1 Nr 2 RDG, § 9 Abs 1 Nr 1 OWiG, § 11 Abs 1 OWiG, § 11 Abs 2 OWiG, § 14 OWiG

Instanzenzug: LG Gießen Az: 1 S 84/17vorgehend AG Gießen Az: 41 C 524/15

Tatbestand

1Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage.

2Der Beklagte zu 1 war Verwaltungsratsmitglied und Hauptentscheidungsträger, der Beklagte zu 3 Direktor und Mitglied der Geschäftsleitung der in der Schweiz ansässigen S. AG. Die S. AG vertrieb unter anderem in Deutschland ein als "Cashselect" bezeichnetes Anlagemodell, das vorsah, dass Anleger Kapitallebensversicherungen und vergleichbare Anlagen kündigen bzw. kündigen lassen, um die Rückkaufswerte dann bei der S. AG anzulegen. Grundlage waren dabei sogenannte "Kauf- und Abtretungsverträge", die als "Kaufpreis" für die "verkauften" Rechte bzw. Forderungen spätere Auszahlungen der S. AG vorsahen, die - je nach Preismodell - entweder in Raten oder als einmalige Zahlung an den jeweiligen Anleger geleistet werden sollten. Über eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Kreditwesengesetz (KWG) verfügte die S. AG nicht. Auch war sie keine registrierte Person im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG).

3Im Juni 2011 unterzeichnete die Klägerin ein mit "Kauf- und Abtretungsvertrag" überschriebenes Formular der S. AG betreffend sämtliche Rechte und Forderungen der Klägerin aus einer von ihr bei der W. a. G. unterhaltenen Lebensversicherung. Der "Kauf- und Abtretungsvertrag" sah dabei unter anderem folgende Regelungen vor:

4Im September 2010 und damit vor dem Abschluss des "Kauf- und Abtretungsvertrages" mit der Klägerin hatte sich die S. AG mit anwaltlichem Schreiben an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit der Frage gewandt, ob ihr Geschäftsmodell einer bankenrechtlichen Erlaubnis bedürfe. Die BaFin verneinte dies im Januar 2011 für das später von der Klägerin gewählte Geschäftsmodell und begründete dies in ihrem Antwortschreiben mit der Erwägung, aufgrund des in § 6 des übersandten Kauf- und Abtretungsvertrages vereinbarten qualifizierten Rangrücktritts erfülle das Produkt den Tatbestand des Einlagengeschäftes im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG nicht.

5Mit Schreiben vom teilte die S. AG mit, der von ihr beauftragte Vertragsabwickler, die Beklagte zu 2, deren im Streitfall handelnde Gesellschafter die Beklagten zu 4 und 5 waren, habe ihr aus dem angekauften Versicherungsvertrag eine Zahlung von 3.665,81 € zugeleitet. Zugleich kündigte die S. AG der Klägerin an, den zugesicherten Kaufpreis durch 120 monatliche Zahlungen in Höhe von je 43,99 €, beginnend am , und eine Schlusszahlung in Höhe von 2.052,82 € am an sie auszubezahlen.

6Im Wesentlichen mit der Behauptung, von dem Rückkaufswert ihrer Lebensversicherung in Höhe von 3.665,81 € lediglich sieben Monatsraten zu jeweils 43,99 € zurückerhalten zu haben, hatte die Klägerin zunächst alle fünf Beklagten als Gesamtschuldner auf Ersatz der Differenz in Höhe von 3.357,88 € Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus dem "Kaufvertrag" sowie Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, jeweils nebst Zinsen, in Anspruch genommen. Darüber hinaus hatte sie beantragt festzustellen, dass sich die Beklagte zu 2 mit der Annahme der Gegenleistung im Verzug befindet und die Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1 und 3 aus einer vorsätzlich begangenen deliktischen Handlung herrührt.

7Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die nach vergleichsweiser Einigung der Klägerin mit den Beklagten zu 2, 4 und 5 zuletzt nur noch hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 3 geführte Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Ihre zunächst hinsichtlich aller Beklagten eingelegte Revision hat sie hinsichtlich der Beklagten zu 2, 4 und 5 wieder zurückgenommen.

Gründe

I.

8Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagten zu 1 und 3 weder ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 32 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG, § 14 Abs. 1 StGB noch ein solcher aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 OWiG zu. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 32 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG, § 14 Abs. 1 StGB scheitere am Vorliegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums im Sinne des § 17 StGB. Denn die Beklagten hätten sich auf die erteilte Auskunft verlassen dürfen, wonach die BaFin ohne Einschränkungen zu dem Schluss gekommen sei, dass das später mit der Klägerin abgeschlossene Geschäftsmodell aufgrund des in § 6 vereinbarten Rangrücktritts nicht den Tatbestand des Einlagengeschäfts im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG erfülle. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 OWiG scheitere am fehlenden Vorsatz. Insbesondere hätten beide Beklagte nicht zumindest billigend in Kauf genommen, dass die Geschäftstätigkeit der S. AG gegen § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG verstoße. Bei einem Irrtum über die Erforderlichkeit einer Erlaubnis zur Rechtsberatung handele es sich um einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum.

II.

9Die sich noch gegen die Beklagten zu 1 und 3 richtende Revision ist zulässig und begründet. Soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1 richtet, ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil dieser in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen auch insoweit nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. , BGHZ 37, 79, 81 ff., juris Rn. 11 ff.).

101. Mit den Erwägungen des Berufungsgerichts lassen sich die streitgegenständlichen Ansprüche gegen den Beklagten zu 1 nicht verneinen. Auf Rechtsfehlern beruht die Annahme des Berufungsgerichts, ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG scheitere am fehlenden Vorsatz.

11a) Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, objektiv liege ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG - Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (vgl. Rn. 14, juris; vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 19, mwN) - vor.

12aa) Beim von der S. AG angebotenen Geschäftsmodell handelt es sich um eine Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG und damit um eine nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG registrierten Personen vorbehaltene Rechtsdienstleistung (vgl. Rn. 15, juris; vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 20; vom - VI ZR 263/17, NJW-RR 2018, 1250 Rn. 41 ff.). Eine solche Inkassodienstleistung kann im Einzug des Rückkaufswertes einer Lebensversicherung auch dann liegen, wenn die zur Erlangung des Rückkaufswertes erforderliche Kündigung der Lebensversicherung - wie im Streitfall - nicht vom Versicherungsnehmer selbst erklärt wird, sondern erst nach Abtretung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag durch den Zessionar erfolgt ( Rn. 15, juris; vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 20; vom - VI ZR 263/17, NJW-RR 2018, 1250 Rn. 42, mwN). Nach dem von der S. AG formularmäßig verwendeten "Kauf- und Abtretungsvertrag" sollte dem Anleger das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung zugutekommen und allein er das Risiko des Forderungsausfalles tragen, weshalb die Einziehung des Rückkaufswertes durch die S. AG auch auf "fremde Rechnung" im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG erfolgte (vgl. Rn. 15, juris; vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 20; vom - VI ZR 263/17, NJW-RR 2018, 1250 Rn. 43 f.). Als zentrale Bestandteile des von der S. AG angebotenen Anlagemodells wurden Kündigung der abgetretenen Lebensversicherungen und Einziehung der jeweiligen Rückkaufswerte auch als "eigenständiges Geschäft" betrieben (vgl. Rn. 15, juris; vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 20; vom - VI ZR 263/17, NJW-RR 2018, 1250 Rn. 45).

13bb) Die S. AG war keine registrierte Person. Dass es sich bei der Beklagten zu 2, die die S. AG mit der Kündigung der abgetretenen Lebensversicherungen und dem Einzug der Rückkaufswerte beauftragt hat, um eine Rechtsanwaltsgesellschaft handelt, ist dabei unerheblich. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung steht der Annahme einer unzulässigen Rechtsdienstleistung auch unter der Geltung des Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht entgegen, dass der Handelnde sich eines Rechtsanwaltes als Erfüllungsgehilfen bedient (vgl. Rn. 16, juris; vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 21, mwN).

14b) Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Erwägung des Berufungsgerichts, von einem vorsätzlichen Verstoß des Beklagten zu 1 gegen § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG könne deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Beklagte zu 1 nicht billigend in Kauf genommen habe, dass die Geschäftstätigkeit der S. AG gegen § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG verstoße, und es sich bei einem Irrtum über die Erforderlichkeit einer Erlaubnis zur Rechtsberatung um einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum handle.

15aa) Da das in Rede stehende Geschäft die S. AG als Vertragspartnerin der Klägerin berechtigte und verpflichtete, ist diese zivilrechtlich als Erbringerin der Inkassodienstleistung im Sinne von § 10 RDG anzusehen. Die - zunächst bußgeldrechtliche - Verantwortlichkeit eines vertretungsberechtigten Organs gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG. Eine (zivilrechtliche) Eigenhaftung des Beklagten zu 1 als Verwaltungsratsmitglied der S. AG aus § 823 Abs. 2 BGB kommt - was das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - mithin nur in Betracht, wenn er die für eine bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG erforderlichen Voraussetzungen erfüllt hat, er also - wie von § 10 OWiG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG gefordert - vorsätzlich gehandelt hat. Dabei ist der Vorsatz nach bußgeldrechtlichen Maßstäben zu beurteilen ( Rn. 18, juris; vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 23, mwN).

16bb) Nach bußgeldrechtlichen Maßstäben kann der Vorsatz des Beklagten zu 1 nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts verneint werden, er habe zumindest nicht billigend in Kauf genommen, dass die Geschäftstätigkeit der S. AG gegen § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG verstößt. Denn der vom Berufungsgericht angenommene Irrtum des Beklagten zu 1 darüber, dass die von der S. AG ausgeübte Geschäftstätigkeit ihre Registrierung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG voraussetzt, stellt - wie der erkennende Senat nach Verkündung des Berufungsurteils in vorliegender Sache ( Rn. 19, juris; vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 22 ff.) entschieden hat - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keinen den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG, sondern einen allein die Vorwerfbarkeit betreffenden Verbotsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 2 OWiG dar.

17c) Liegt in dem vom Berufungsgericht angenommenen Irrtum des Beklagten zu 1 aber kein Tatbestandsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG, sondern "nur" ein Verbotsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 2 OWiG, so vermögen die Feststellungen des Berufungsgerichts den Ausschluss eines Anspruchs der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nicht zu tragen. Denn ein Ausschluss der Haftung nach § 11 Abs. 2 OWiG setzt voraus, dass der Irrtum unvermeidbar war. Hierzu hat das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen getroffen. Solche Feststellungen ergeben sich - entgegen der vom Beklagten zu 3 im Rahmen seiner Revisionserwiderung vertretenen Auffassung - auch nicht aus den Ausführungen des Berufungsgerichts auf Seite 5, vorletzter Absatz, des Berufungsurteils. Dort hat das Berufungsgericht zwar festgestellt:

18Diese Ausführungen erschöpfen sich - wie sich nicht zuletzt aus dem Kontext der Absätze davor und danach ergibt - trotz des Gebrauchs des Konjunktivs II anstatt des Konjunktivs I im zweiten Satz aber ersichtlich in einer Wiedergabe des Vorbringens des Beklagten zu 1 und enthalten keine Feststellungen zur Unvermeidbarkeit eines auf § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG bezogenen Verbotsirrtums.

192. Auch hinsichtlich des Beklagten zu 3 lassen sich die streitgegenständlichen Ansprüche auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht verneinen.

20a) Wie hinsichtlich des Beklagten zu 1 können auch Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 3 aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 14 OWiG nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden. Handelt es sich bei einem Irrtum über die "Erlaubnispflichtigkeit" des von der S. AG betriebenen Geschäftsmodells nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz nicht um einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG, sondern einen Verbotsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 2 OWiG, so kann auch ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 3 nicht unter Hinweis auf einen solchen Irrtum des Beklagten zu 3 verneint werden, ohne seine Unvermeidbarkeit festzustellen.

21b) Soweit der Beklagte zu 3 in seiner Revisionserwiderung geltend macht, die Revision sei, soweit sie ihn betreffe, bereits deshalb unbegründet, weil die Klägerin den für eine Gehilfenhaftung erforderlichen doppelten Gehilfenvorsatz, insbesondere die Kenntnis des Beklagten zu 3 vom Fehlen der Registrierung der S. AG, nicht behauptet habe und die Klage schon deshalb unschlüssig sei, beruft er sich in der Sache darauf, die angefochtene Entscheidung erweise sich aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Davon kann auf der Grundlage des für das Revisionsverfahren gemäß § 559 Abs. 1 ZPO maßgeblichen Parteivorbringens nicht ausgegangen werden. Aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt sich, dass die Klägerin ihre Ansprüche gegen den Beklagten zu 3 (auch) auf den Vorwurf gestützt hat, der Beklagte zu 3 habe zum Verstoß des Beklagten zu 1 gegen § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG Beihilfe geleistet. Dass der diesbezügliche Tatsachenvortrag der Klägerin in Bezug auf den doppelten Gehilfenvorsatz lückenhaft gewesen wäre, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts, das sich von seinem Rechtsstandpunkt aus damit auch nicht befassen musste, nicht entnehmen.

III.

22Nach § 563 Abs. 1 ZPO war das angefochtene Urteil deshalb hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 3 insgesamt aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Eine auf den Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG bzw. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1, §§ 3, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 2 RDG, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 14 OWiG beschränkte Aufhebung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich insoweit nicht um einen einer selbständigen Entscheidung zugänglichen Teil des Rechtsstreits handelt (vgl. Rn. 24, juris; vom - VI ZR 486/18, WM 2019, 1780 Rn. 35).

Gegen dieses Teilversäumnisurteil steht dem Beklagten zu 1 als säumiger Partei der Einspruch zu, soweit die Revision der Klägerin ihm gegenüber Erfolg hat. Der Einspruch ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Teilversäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:160620UVIZR253.19.0

Fundstelle(n):
BB 2020 S. 2306 Nr. 42
DB 2020 S. 2742 Nr. 51
DStR 2021 S. 14 Nr. 3
WM 2021 S. 2456 Nr. 50
OAAAH-59682