BBK Nr. 19 vom Seite 905

Streit über das Recht auf Nichtbeanstandung – Warum der Gesetzgeber aktiv werden sollte!

Bernd Rätke | VRiFG Berlin-Brandenburg, BBK-Herausgeber

Wer [i]Mitteilungen der obersten Finanzverwaltungen der Bundesländer vom 11.9., 15.9., 16.9. und 17.9.2020 und BMF, Schreiben v. 18.8.2020 - IV A 4 - S 0319/20/10002 :003 NWB GAAAH-57988 in diesen Tagen die Pressemitteilungen der Landesfinanzverwaltungen und des BMF liest, kann nur ungläubig den Kopf schütteln: Bund und Länder streiten sich darüber, wer eine Nichtbeanstandungregelung im Bereich der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) bei Verwendung elektronischer Kassen aussprechen darf und wie lange die Nichtbeanstandung gelten darf. Dieser Streit bewegt sich leider auf dem Niveau eines Kindergartens und schlimmer noch: Er wird zulasten der Unternehmer ausgetragen, die angesichts der Corona-Krise ohnehin schon genug gebeutelt sind.

Konkret [i]BMF übernahm die Rolle des Gesetzgebers geht es darum, ob Unternehmer, die elektronische Kassen verwenden, die seit dem nach § 146a AO geltende Pflicht zur Verwendung einer TSE beachten müssen. Die erste Überraschung kam am vom BMF: Die gesetzliche Regelung wird bis zum suspendiert. Dass das BMF sich damit die Rolle des Gesetzgebers anmaßte, ist hier in der BBK frühzeitig kritisiert worden (Rätke, BBK 20/2019 S. 949). Zwar war die Nichtbeanstandung notwendig, weil bis zum Ablauf der regulären Frist die TSE überhaupt nicht lieferbar waren; doch hätte nicht das BMF diese Entscheidung treffen dürfen, sondern allein der Gesetzgeber.

In [i]Die Corona-Krise kam hinzu diesem Jahr kam es nun zu einem Schlagabtausch zwischen Bund und Ländern: Denn früh war klar geworden, dass die Suspendierung bis zum nicht reichen würde. Die Unternehmer waren ebenso wie die Kassen- und TSE-Lieferanten von der Corona-Krise betroffen; die mehrfache Senkung der Umsatzsteuersätze sorgte für eine zusätzliche Belastung bei der Einrichtung der Kassen.

Die [i]Schlagabtausch zwischen Bund und Ländern Länder teilten nun im Juli 2020 mit, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen eine Verlängerung der Nichtbeanstandung bis zum akzeptieren. Das BMF lehnte dies mit Schreiben vom mit einem Hinweis auf „Ober sticht unter“ ab und spielte die Weisungskarte aus; seltsamerweise wurde dieses Schreiben erst am veröffentlicht. Die Länder reagieren hierauf nun seitdem in ihren Pressemitteilungen relativ gelassen und halten an ihren Nichtbeanstandungsregelungen aus dem Juli 2020 fest. Ob nun wieder das BMF reagiert, bleibt abzuwarten.

Was [i]Grundfehler liegt in der verfrühten Verabschiedung des § 146a AO bei all dem Streit zwischen Bund und Ländern vergessen wird, sind drei Dinge:

  • So beruht das Problem der Anwendung des § 146a AO auf einer verfrühten Verabschiedung des § 146a AO im Dezember 2016, zu einem Zeitpunkt also, als die TSE noch gar nicht entwickelt war.

  • Zudem ist es Aufgabe des Gesetzgebers, über eine Suspendierung des § 146a AO zu entscheiden, und nicht Aufgabe der Finanzverwaltung.

  • Schließlich wird der Streit zwischen Bund und Ländern auf dem Rücken der Unternehmer ausgetragen, die nun nicht wissen, wie sich verhalten sollen, wenn der Einbau bzw. die Bestellung einer TSE bislang nicht umgesetzt werden konnten. S. 906

Dass [i]Gesetzgeber hatte genug Zeit, um auf die Corona-Krise zu reagieren es in Zeiten der Corona-Krise schneller Entscheidungen bedarf und dass aus Billigkeitsgründen die Finanzverwaltung die Unternehmer entlasten darf, z. B. nach § 148 AO im Buchführungsbereich, ist keine Frage. Aber die Corona-Krise dauert nun schon seit einem halben Jahr an, so dass es dem Gesetzgeber zuzumuten ist, aktiv zu werden und über eine Verschiebung des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 146a AO nachzudenken. Schließlich haben es zahlreiche Gesetze mit deutlich komplizierteren Regelungsinhalten zur Bewältigung der Pandemie auch zum Teil sogar sehr kurzfristig ins Gesetzblatt geschafft. Insbesondere die Umsatzsteuersenkung, die auf diesem Wege auf die Tagesordnung kam, hat auch die Bargeld-Branchen und die Programmierung ihrer Kassensysteme erheblich belastet.

Der [i]Legislative sollte das Heft wieder in die Hand nehmenGesetzgeber muss sich nun überlegen, ob er eine Verschiebung des § 146a AO vornimmt und ob er diese Verschiebung mit der verfrühten Verabschiedung des § 146a AO oder mit der Corona-Krise begründet. Das aktuell in der Beratung befindliche Jahressteuergesetz 2020 bietet sich hierfür an. Sollte der Bundestag eine Verschiebung ablehnen, würde dies den Handlungsspielraum des BMF und der Länder einschränken; damit wäre aber zumindest der Streit zwischen Bund und Ländern in der Exekutive beendet. Der Gesetzgeber würde mit einer Entscheidung über eine Verschiebung somit wieder das Heft in die Hand nehmen. Der Streit zwischen Bund und Ländern schädigt nämlich das Ansehen des Rechtsstaates, insbesondere wenn dieser Streit über die Veröffentlichung von BMF-Schreiben und Pressemitteilungen ausgetragen wird. Der Streit zeigt möglicherweise auch, woran es zurzeit bei der Umsetzung von wichtigen Projekten in Deutschland hapert.

Beste Grüße

Ihr

Bernd Rätke

Fundstelle(n):
BBK 2020 Seite 905 - 906
MAAAH-59045