Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Abgrenzung - abhängige Beschäftigung - selbstständige Tätigkeit - Reinigungskraft - Beurteilung des konkreten Rechtsverhältnisses
Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 7 Abs 1 SGB 4
Instanzenzug: SG Trier Az: S 7 R 334/16 Urteilvorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Az: L 6 BA 4/18 Urteil
Gründe
1I. Im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde ist zwischen den Beteiligten noch die Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 1714,13 Euro streitig für die in der Zeit vom bis von der Beigeladenen zu 1. für die Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Reinigungskraft im Umfang von wöchentlich fünf Stunden.
2Aufgrund einer Betriebsprüfung stellte die Beklagte nach Anhörung der Klägerin deren Beitragspflicht in Höhe von 2384,93 Euro (inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von 665 Euro) aufgrund einer abhängigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. fest (Bescheid vom ) und informierte hierüber auch die Beigeladene zu 1. Widerspruchs- und Klageverfahren sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom , Urteil vom ). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ihre Forderung auf 2378,13 Euro (inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von 664 Euro) korrigiert (Bescheid vom ).
3Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die angefochtenen Bescheide der Beklagten bezüglich der Erhebung von Säumniszuschlägen abgeändert, weil diese zu Unrecht erhoben worden seien. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Die Beigeladene zu 1. habe ihre Tätigkeit bei der Klägerin als Reinigungskraft im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Sie sei in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen und habe kein unternehmerisches Risiko getragen. Die Höhe der geforderten Beiträge sei nicht zu beanstanden.
4Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
5II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Die Klägerin hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
6Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf und fähig ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher zunächst aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Sodann ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums darzutun, weshalb deren Klärung erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt ( - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN).
7Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "unter welchen Voraussetzungen und bei Gewichtung welcher Kriterien eine Reinigungskraft als Selbstständige in einem Betrieb tätig sein kann" - und "unter welchen Bedingungen eine Reinigungskraft, die ihre Arbeitskraft mehreren Unternehmen anbietet, dies als selbstständige Unternehmerin machen kann".
8Es kann dahingestellt bleiben, ob damit eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (vgl allgemein - juris RdNr 11 mwN) formuliert worden ist. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Eine Rechtsfrage ist so konkret zu formulieren, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 160a RdNr 97). Selbst wenn hier eine Rechtsfrage als hinreichend bezeichnet unterstellt wird, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht dargelegt.
9Es ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung, Bedingungen zu formulieren, unter denen eine bestimmte Tätigkeit selbstständig ausgeübt werden kann. Zu beurteilen ist stets das konkrete Rechtsverhältnis. Dabei ist - wie bereits das LSG ausgeführt hat - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Gesamtbild der Tätigkeit danach zu würdigen, ob die typischen Merkmale einer abhängigen Beschäftigung oder diejenigen einer Selbstständigkeit überwiegen (vgl zB - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 16; - SozR 4-2400 § 7 Nr 42 RdNr 14 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Welche Rechtsfrage hierzu durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht hinreichend geklärt sein könnte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Insbesondere ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass für die Tätigkeiten von Reinigungskräften besondere Kriterien oder Gewichtungen zur Anwendung kommen müssten. Vielmehr fehlt es der Beschwerdebegründung an jeglicher Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung zur Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung, nach der grundsätzlich keine berufsbezogenen Kriterien, sondern dem allgemeinen Typus von Selbstständigkeit auf der einen Seite und abhängiger Beschäftigung auf der anderen Seite zuzuordnende Kriterien heranzuziehen sind (vgl zB - SozR 4-2400 § 7 Nr 42 RdNr 18 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, in welchem der Senat ausdrücklich ausgeführt hat, dass die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder erfolgt).
10Soweit sich die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung darauf beruft, das LSG habe die einzelnen Kriterien nicht angemessen gewichtet und Besonderheiten des Einzelfalls nicht hinreichend gewürdigt, wendet sie sich im Kern lediglich gegen die inhaltliche Richtigkeit der Berufungsentscheidung; eine grundsätzliche Bedeutung ergibt sich daraus nicht.
11Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160 Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
12Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
13Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 3 GKG und basiert - entsprechend der ständigen Senatsrechtsprechung - auf der im vorliegenden Verfahren insgesamt noch im Streit stehenden Beitragsnachforderung (abzüglich der Säumniszuschläge).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2020:200720BB12R420B0
Fundstelle(n):
QAAAH-59009