Gesetzgebung | Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (BMJV)
Die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz - (EU) 2017/1132) und die Evaluation des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom (Bundestagsdrucksache 18/4880 v. ) geben Anlass zur Fortentwicklung und Ergänzung des Sanierungs- und Insolvenzrechts. Darüber hinaus fordern die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie vorübergehende Anpassungen des fortzuentwickelnden und zu ergänzenden Sanierungs- und Insolvenzrechts an die durch die Krisenfolgen geprägte Sondersituation.
Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts beinhaltet u.a.:
Das System der Insolvenzantragsgründe soll angepasst werden. Anlass dazu gibt zum einen die weitgehende Überlappung zwischen der drohenden Zahlungsunfähigkeit, welche die Schuldnerin berechtigt, einen Insolvenzeröffnungsantrag zu stellen, und die Überschuldung, welche zu einer solchen Antragstellung verpflichtet.
Die Überschuldung und die drohende Zahlungsunfähigkeit werden stärker voneinander abgegrenzt. Zwar wird auch weiterhin eine drohende Zahlungsunfähigkeit im Rahmen der für die Überschuldungsprüfung vorzunehmenden Fortführungsprognose zu berücksichtigen sein. Jedoch soll das Konkurrenzproblem dadurch entschärft werden, dass der Überschuldungsprüfung ein Prognosezeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen ist, wohingegen die Prüfung der drohenden Zahlungsunfähigkeit regelmäßig im Rahmen eines zweijährigen Prognosezeitraums erfolgen soll.
Artikel 5 Nr. 10 des Referentenentwurfs: Dem § 18 Absatz 2 wird folgender Satz angefügt: „In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen.“
Artikel 5 Nr. 11 des Referentenentwurfs: In § 19 Absatz 2 Satz 1 werden nach dem Wort „Unternehmens“ die Wörter „in den nächsten zwölf Monaten“ eingefügt.
§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO-RefE: Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.
§ 15a wird wie folgt geändert: In Satz 1 werden nach dem Wort „Zögern“ das Komma und die Wörter „spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung,“ gestrichen.
Nach Satz 1 wird folgender Satz eingefügt: "Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen."
Nach § 15a wird § 15b angefügt "Zahlungen bei Überschuldung": "Beim Vorliegen einer Überschuldung gelten Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne des § 64 Satz 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, des § 92 Absatz 2 Satz 2 AktG, des § 130a Absatz 1 Satz 2, auch in Verbindung mit § 177a Satz 1 HGB und des § 99 Satz 2 GenG vereinbar, solange der Antragspflichtige die Vorbereitung der Antragstellung oder Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Überschuldung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt."
Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Unternehmensträger sollen verpflichtet werden, im Rahmen der Ausübung des unternehmerischen Ermessens die Interessen der Gläubigerinnen zu wahren, wenn der Unternehmensträger drohend zahlungsunfähig ist. Je näher der drohende Zahlungsausfall heranrückt, desto stärker soll das unternehmerische Ermessen durch die Erforderlichkeit der Abwehr der Gefahren für die Gläubigerinnen eingeschränkt werden. Die schuldhafte Verletzung dieser Pflichten soll zur Haftung gegenüber dem Unternehmensträger führen. Macht die Schuldnerin hingegen Gebrauch von den Instrumenten des präventiven Rahmens oder begibt sie sich in ein Eigenverwaltungsverfahren, soll die Haftung unmittelbar gegenüber den Gläubigerinnen bestehen.
Unter den Bedingungen der nach wie vor nicht bewältigten Wirtschaftskrise sollen die mit diesem Entwurf strenger gefassten Zugangsregelungen zu eigenverwaltungsbasierten Planverfahren vorübergehend und beschränkt auf Unternehmen, deren finanzielle Krise auf die COVID-19- Pandemie zurückzuführen ist, gelockert werden. Insoweit wird auch der Prognosezeitraum für die Fortführungsprognose im Überschuldungstatbestand vorübergehend verkürzt.
Artikel 10 des Referentenentwurfs zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes: "Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung": Abweichend von § 19 Absatz 2 Satz 1 der Insolvenzordnung ist zwischen dem und dem anstelle des Zeitraums von zwölf Monaten ein Zeitraum von vier Monaten zugrunde zu legen, wenn der Schuldner zum nicht zahlungsunfähig war, der Schuldner in dem letzten, vor dem abgeschlossenen Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hat und der Umsatz aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit im Kalenderjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 40 % eingebrochen ist.
Gläubigerversammlungen Abstimmungen über Insolvenz- oder Restrukturierungspläne sollen unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln durchzuführen sein.
Den vollständigen Referentenentwurf finden Sie auf der Homepage des BMJV.
Quelle: BMJV online (JT)
Fundstelle(n):
WAAAH-58797