Strafverfahren: Beweiswürdigung durch das Tatgericht
Gesetze: § 261 StPO
Instanzenzug: Az: 9 KLs 6/18
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision erstrebt die Nebenklägerin die Aufhebung des Freispruchs. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
21. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, am7. Dezember 2016 gegen 1 Uhr mit der auf dem Sofa im Wohnzimmer seiner damaligen Bremer Wohnung schlafenden minderjährigen Nebenklägerin den vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeübt und hierdurch eine Straftat nach § 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 1 StGB begangen zu haben.
32. Das Landgericht hat sich aus tatsächlichen Gründen an einer Verurteilung wegen Vergewaltigung gehindert gesehen. Denn es hat nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit festzustellen vermocht, dass der Angeklagte - den von ihm in der Hauptverhandlung eingeräumten - Geschlechtsverkehr gegen den Willen der Nebenklägerin vollzogen hat oder diese unfähig war, einen den sexuellen Handlungen des Angeklagten entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern.
4Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht im Kern Folgendes ausgeführt: Der Angeklagte habe die Tat sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung - wenn auch mit „unterschiedlichen Angaben“ - bestritten. Hingegen würden die gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechenden Umstände „so schwer wiegen“, dass vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der Aussage bestünden. Da zum eigentlichen Tatgeschehen Aussage gegen Aussage stünde, habe es die Zweifel nicht überwinden können.
II.
5Entgegen der Revision hält die Beweiswürdigung - eingedenk des nur eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfungsumfangs (st. Rspr., vgl. , NStZ-RR 2015, 178, 179) - der rechtlichen Überprüfung stand. Insbesondere decken die Ausführungen der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts keine durchgreifenden Rechtsfehler auf.
61. Das Landgericht ist der im Rahmen der sachlich-rechtlichen Begründungspflicht gebotenen näheren Dokumentation früherer Einlassungen der Angeklagten in dem hier erforderlichen Umfang nachgekommen (vgl. hierzu , NStZ-RR 2017, 183 mwN).
7Es hat die wesentlichen Unterschiede der Angaben in den Urteilsgründen hinreichend dargestellt und sich mit ihnen auseinandergesetzt. Dass es in diesem Zusammenhang die spontane Äußerung des Angeklagten bei der nur wenige Stunden nach dem Vorfall durchgeführten Durchsuchung seiner Wohnung, er habe die Nebenklägerin „mit seiner Frau verwechselt“, nicht als einen durchgreifend gegen die Glaubhaftigkeit seiner Einlassung in der Hauptverhandlung sprechenden Umstand gewertet, sondern es für wahrscheinlicher gehalten hat, dass es hierbei um eine Ausrede für die ihm im Nachhinein als peinlich empfundene Durchführung des Geschlechtsverkehrs mit einer Freundin seiner Tochter gehandelt habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die bloße Widerlegung einer entlastenden Einlassung kann ohnehin nicht ohne weiteres als ein den Angeklagten belastendes Indiz gewertet werden (vgl. , NStZ-RR 2015, 170).
82. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Angaben der Nebenklägerin zum Kerngeschehen nicht gefolgt ist.
9a) Hierbei hat es sich hinreichend mit den Ausführungen der aussagepsychologischen Sachverständigen auseinandergesetzt, wonach die Aussage insgesamt „erlebnisbasiert“ sei. Denn die Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage ist die ureigene Aufgabe des Tatgerichts (st. Rspr; vgl. nur , BGHSt 8, 130, 131; und vom - 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 167; KK-Ott, StPO, 8. Aufl., § 261 Rn. 116, 126). Zudem hat die Sachverständige auch ausgeführt, dass aufgrund der nur wenige Sätze umfassenden Aussage zum konkreten Tatvorwurf eine verlässliche Beurteilung der Glaubhaftigkeit dieses Teils der Angaben nicht möglich sei. Dass sich das Landgericht bei seiner Bewertung entscheidend darauf gestützt hat, dass die Aussage der Nebenklägerin zum Kerngeschehen nicht konstant gewesen sei und eine - auch von der Sachverständigen festgestellte - Belastungsaggravation aufgewiesen habe, ist revisionsrechtlich nicht zu bemängeln.
10b) Soweit das Landgericht ergänzend berücksichtigt hat, dass die Angaben der Nebenklägerin, sie sei in dem Zeitraum vor dem von ihr nicht gewollten Geschlechtsverkehr allein gewesen, nicht mit dem Wissen des Angeklagten zu den in diesem Zeitraum auf ihrem Mobiltelefon eingegangenen und teilweise von ihr angenommenen Anrufen zu vereinbaren sei, ist auch dies rechtlich nicht zu beanstanden. Ein Erörterungsmangel liegt auch insoweit nicht vor, da der Strafkammer ersichtlich nicht aus dem Blick geraten ist, dass der Anrufverlauf des Mobiltelefons der Nebenklägerin fotografisch dokumentiert worden war und dem Angeklagten daher auf anderem Wege - insbesondere durch Akteneinsicht - zur Kenntnis gelangt sein könnte, zumal der Angeklagte auch Angaben zum Inhalt der Telefonate machen konnte.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:080720U5STR80.20.0
Fundstelle(n):
RAAAH-57672