BVerwG Beschluss v. - 1 WDS-VR 9/20

Vorläufiger Rechtsschutz gegen die vorzeitige Beendigung einer Auslandsverwendung

Gesetze: § 17 Abs 6 WBO, § 8 SG, § 10 Abs 6 SG, § 17 SG

Tatbestand

1Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die vorzeitige Beendigung seiner Verwendung in ...

2Er ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Stabsfeldwebels. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem September 2029 enden. Seit August 2018 wird er als ... beim ... in ... verwendet. Die Verwendung sollte bis zum dauern. Er hat zwei 2017 und 2019 geborene Kinder und ist mit einer noch bis zum ... in Elternzeit befindlichen Soldatin verheiratet. Die Familie hat ihren Wohnsitz derzeit in ...

3Unter dem unterrichtete das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr darüber, dass es den Antragsteller als Rechtsextremisten einstufe, und teilte mit, welche diesbezüglichen Erkenntnisse über ihn vorlägen.

4Daraufhin wurde dem Antragsteller mit Verfügung vom die Ermächtigung zum Zugang zu Verschlusssachen mit dem Geheimhaltungsgrad "streng geheim" entzogen. Nachdem die hiergegen gerichtete Beschwerde erfolglos geblieben ist, hat der Antragsteller weitere Beschwerde erhoben.

5Mit Verfügung vom leitete der ... das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn ein, enthob ihn vorläufig des Dienstes und verbot ihm, Uniform zu tragen. Zugleich wurde die Einbehaltung von 30 % seiner Dienstbezüge angeordnet. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt:

Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst sei er dem neurechten Spektrum der Identitären Bewegung zuzuordnen, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextreme Bewegung eingestuft werde. Durch die aktive Unterstützung der Identitären Bewegung habe der Antragsteller seine Treuepflicht verletzt. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen einer Disziplinarmaßnahme deswegen sei die Entfernung aus dem Dienst. Eine Verurteilung sei hinreichend wahrscheinlich. Um das Vertrauen der Bevölkerung in die Bundeswehr nicht zu gefährden, könne der Antragsteller auch vorübergehend nicht im Dienst verbleiben. Eine mildere Maßnahme als die vorläufige Dienstenthebung sei nicht möglich. Eine weitere Verwendung auf einem Auslandsdienstposten, auf dem er als Repräsentant der Bundeswehr im internationalen Raum wahrgenommen werde, beeinträchtige die vertrauensvollen Beziehungen zu ...

6Unter dem beantragte der Antragsteller die Aufhebung dieser Maßnahmen. Die in der Einleitungsverfügung erhobenen Vorwürfe seien zum Teil unzutreffend und zum Teil nicht hinreichend bestimmt bezeichnet. Die Vorwürfe enthielten kein Dienstvergehen, da sie Verhalten beanstandeten, mit dem er von seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht habe. Der Antrag ist am zurückgewiesen worden.

7Eine vorzeitige Beendigung der Auslandsverwendung des Antragstellers wegen seiner Einstufung durch das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst wurde mit diesem in einem Personalentwicklungsgespräch am erörtert. Die Absicht, ihn zum vorzeitig ins Inland zurückzuversetzen, wurde ihm am schriftlich angekündigt. Hiernach war eine Verwendung als ... beim ... bis Ende September 2020 und im ... geplant. Am wurde die Vertrauensperson zu dieser Versetzungsabsicht angehört.

8Mit Schreiben vom teilte das Bundesamt für das Personalmanagement dem Antragsteller mit, im Hinblick auf die Einstufung als erkannter Rechtsextremist durch das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst sei er als ... und ... nicht mehr verwendbar. Mangels einer anderen Verwendungsmöglichkeit in ... werde er - auch unter Berücksichtigung der Anhörung der Vertrauensperson - ins Inland versetzt.

9Zu der geplanten Versetzung nahm der Antragsteller unter dem Stellung und bat unter Hinweis auf die Fürsorgepflicht und die Belastung seiner Familie um die Einhaltung der Schutzfrist.

10Im Hinblick auf die vorläufige Dienstenthebung wurde dem Antragsteller am unter teilweiser Abänderung der vorherigen Ankündigung nunmehr die Versetzung zum auf ein dienstpostenähnliches Konstrukt beim ... angekündigt.

11Mit Verfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement vom , wurde der Antragsteller zum zum ... nach ... versetzt.

12Unter dem erhob der Antragsteller hiergegen beschränkt auf den Zeitpunkt der Versetzung Beschwerde. Er sei zwar grundsätzlich umzugswillig, fordere unter Verweis auf seine familiäre Situation aber die Einhaltung der sechsmonatigen Schutzfrist. Mit Schreiben vom schlug er dem Bundesamt für das Personalmanagement eine Versetzung zum als Kompromisslösung vor und kündigte an, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, wenn er bis zum nichts höre.

13Mit Schriftsatz vom beantragte er unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde. Der Versetzungsbescheid missachte die Schutzfrist und verletze dadurch ihn und seine Familie in ihren Rechten. Er sei zwar mit der Versetzung an sich einverstanden, habe aber in den Vorgesprächen und seiner Einlassung vom um die Einhaltung der Schutzfrist gebeten. Er müsse seine beiden in ... geborenen Kleinkinder auf den Ortswechsel vorbereiten. Angesichts der Covid-19-Lage bestehe für seine Kinder auf dem Flug nach Deutschland und bei erforderlichen Hotelaufenthalten ein erhöhtes Infektionsrisiko, da sie weder eine Maske tragen noch Hygieneregeln einhalten könnten. Eine mangels festen Wohnsitzes im Inland erforderliche Hotelunterbringung sei insbesondere wegen der Nahrungszubereitung für die Kinder und die Wäscheversorgung eine enorme Belastung. Der Transport des Frachtgutes werde etwa sechs Wochen dauern. Die Organisation der Kinderbetreuung wegen einer eventuellen Verkürzung der Elternzeit seiner Ehefrau sei in kurzer Zeit mehr als schwierig. Die Schutzfrist diene der Fürsorge auch gegenüber seiner Familie. Im Rahmen der Ermessensentscheidung müsse der Dienstherr Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung tragen. Hierbei seien wegen der Covid-19-Lage und der Infektbedrohung seiner Kleinkinder erhöhte Anforderungen zu stellen, denen die Versetzung nicht genüge. Das Unterbleiben der beantragten Anordnung hätte für ihn und seine Familie im Hinblick auf das Infektionsrisiko unzumutbare, irreparable Nachteile. Mit ergänzendem Schriftsatz vom hat der Antragsteller vertiefend bestritten, ein Rechtsextremist zu sein und eine kritische Distanz zum Nationalsozialismus vermissen zu lassen. Er verweise hierzu auf seine Beschwerde vom . Die ihm in der Einstufung vom zur Last gelegten Äußerungen seien zum Teil nicht gefallen, zum Teil verkürzt und aus dem Kontext gerissen. Er habe in der Befragung mehrfach versichert, hinter dem Grundgesetz und der Bundesrepublik Deutschland zu stehen und sich von verfassungsfeindlichem Gedankengut zu distanzieren. Er habe nur zu einer Spende für ein Verbrechensopfer aufgerufen und zu diesem Zeitpunkt weder gewusst, dass die Person zur Identitären Bewegung gehöre, noch, dass diese als verfassungsfeindlich eingestuft werde. Die Vorwürfe gegen ihn hätten nichts mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn seiner Familie gegenüber zu tun. Durch den Bericht der Beratenden Ärztin sei ein erhöhtes Risiko für seine Kinder auf der Reise nicht ausgeschlossen. Eine erhöhte und erhebliche Belastung ergebe sich auch aus der Notwendigkeit, für mindestens sechs Wochen aus beschränktem Gepäck leben zu müssen. Die Wohnraumsuche im Großraum ... bedürfe mehr Zeit als an einem ländlich strukturierten Wohnort. Der Dienstherr habe im Hinblick auf das Verbot der Teilnahme am Dienst kein Interesse an einem Dienstantritt am .

14Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom gegen die Versetzungsverfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom (Nr. ...) anzuordnen.

15Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

16Der Eilantrag sei unzulässig, da die eigentlich belastende Versetzung nicht angefochten sei, sondern nur ihr Zeitpunkt. Jedenfalls sei er unbegründet. Für die Rückversetzung des Antragstellers in das Inland bestehe im Hinblick auf die Ergebnisse der Ermittlungen des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst und die Einleitungsverfügung des ... ein dienstliches Bedürfnis, da sich hieraus die mangelnde Eignung des Antragstellers für den Dienstposten in ... bzw. ein den Dienstbetrieb unannehmbar belastender Vertrauensverlust ergebe. Der Antragsteller habe gegen seine Dienstpflichten aus § 17 Abs. 2, § 10 Abs. 1 und 6 SG verstoßen. Insbesondere in integrierten Dienststellen im Ausland, in denen ein Soldat auch Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland sei, erwarte der Dienstherr tadelfreies Verhalten. Ein Soldat müsse alles unterlassen, was Zweifel an seiner persönlichen Integrität entstehen lassen könne. Ob ausländische Behörden oder die Bevölkerung von Pflichtverletzungen Kenntnis erlangt hätten, sei nicht entscheidend. Den Anforderungen an einen Auslandsdienstposten werde nicht gerecht, wer durch schuldhafte Pflichtverletzungen den Anlass für eine disziplinare Ahndung und die Gefahr der Kenntnisnahme Dritter begründe. Die Schutzfrist greife im Falle einer Versetzung mangels Eignung nicht ein. Dem Antragsteller würden auch unter Fürsorgeaspekten keine schwerwiegenden, irreparablen Nachteile drohen. Er habe seit dem die Möglichkeit zur Vorbereitung des Umzuges. Mehr als sechs Wochen seien für eine Wohnungsbesichtigungsreise ausreichend. Der Verweis des Antragstellers auf das Infektionsrisiko seiner Kinder auf dem Rückflug überzeuge nicht. Es sei schon fraglich, ob eine Einhaltung der Schutzfrist überhaupt Auswirkungen auf dieses Risiko haben würde. Jedenfalls stufe das Robert-Koch-Institut nicht die Bundesrepublik Deutschland, wohl aber ... als Risikogebiet für eine Covid-19-Infektion ein. Nach Auskunft der Beratenden Ärztin des Bundesamtes für das Personalmanagement sowie des Amtsarztes der Bundeswehr West würden Kinder nicht grundsätzlich zur Risikogruppe gehören. Es gebe keine erhöhte Gefährdung für die Familie bei der Einreise in das Bundesgebiet aus .... Zudem sei auch nicht erforderlich, dass der Antragsteller mit der gesamten Familie zum vorgesehenen Versetzungstermin umziehe. Die Wohnungssuche im Einzugsbereich des ... in ... sei nicht unzumutbar schwierig. Sie würde sich bis zu einem späteren Versetzungstermin im Januar 2021 auch nicht verbessern und belaste den Antragsteller nicht mehr als andere Auslandsrückkehrer. Dass die Verkürzung des Auslandsaufenthaltes durch die vorzeitige Rückversetzung unzumutbare entwicklungspsychologische Auswirkungen auf dessen Kinder haben könne, sei nicht ersichtlich.

17Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Gründe

18Der Antrag hat keinen Erfolg.

191. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom gegen die Versetzungsverfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom anzuordnen, ist, nachdem das Bundesministerium der Verteidigung Abhilfe und damit der Sache nach auch einen Antrag nach § 3 Abs. 2 WBO abgelehnt hat, gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 und 3 WBO zulässig.

20Entgegen der Auffassung des Bundesministeriums der Verteidigung steht der Zulässigkeit des Antrages nicht entgegen, dass der Antragsteller nicht die Rückversetzung als solche, sondern nur deren Zeitpunkt angreift. Soweit beides einen einheitlichen und untrennbaren Streitgegenstand bildet, ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes die Beschränkung der Beschwerde auf einen Teil des Streitgegenstandes als unwirksam zu behandeln, nicht aber die Beschwerde als unzulässig (vgl. 1 WRB 3.19 - Rn. 22 zur Unwirksamkeit einer Beschränkung eines Rechtsmittels).

212. Der Antrag ist aber unbegründet.

22Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor den persönlichen Belangen des Soldaten eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung unzumutbare, insbesondere nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden (stRspr, vgl. z.B. 1 WDS-VR 3.14 - juris Rn. 22 m.w.N.).

23a) Bei summarischer Prüfung bestehen gegen die Versetzungsverfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom keine rechtlichen Bedenken.

24aa) Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung oder auf eine Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung eines Soldaten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 30.02 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 und vom - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind, wie sie sich hier insbesondere aus dem Zentralerlass (ZE) B-1300/46 "Versetzung, Dienstpostenwechsel, Kommandierung" bzw. der seit geltenden Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1420/37 ergeben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27> und vom - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32). Erfährt die Fürsorgepflicht auf diese Weise eine allgemeine Regelung in Verwaltungsvorschriften, so sind diese im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) grundsätzlich für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenzen maßgeblich, soweit im Übrigen der gesetzliche Rahmen nicht überschritten wird ( 1 WB 28.15 - juris Rn. 29 m.w.N.).

25bb) Hiernach ist die Versetzungsverfügung bei summarischer Prüfung materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

26(1) Nach Nr. 204 Buchst. a ZDv A-1420/37 können Soldaten versetzt werden, wenn ein dienstliches Erfordernis besteht. Ein solches liegt nach Nr. 205 Buchst. f ZDv A-1420/37 regelmäßig vor, wenn der Soldat sich für seinen Dienstposten nicht eignet. Ein dienstliches Erfordernis für eine Versetzung liegt nach Nr. 205 Buchst. g ZDv A-1420/37 auch dann vor, wenn Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, nur durch Versetzung des Soldaten behoben werden können.

27Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, können sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht nur aus einem feststehenden Dienstvergehen, sondern grundsätzlich auch schon aus dem Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung durch einen Soldaten ergeben. Hierfür genügen nicht beliebige anhaltslose Beschuldigungen. Erforderlich ist - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein hinreichendes Maß an Konkretheit des Verdachts sowie ein hinreichendes Gewicht des Dienstvergehens, auf das sich der Verdacht bezieht ( 1 WB 18.14 - juris Rn. 38 m.w.N.).

28Zur Eignung eines Soldaten gehört neben der fachlichen Kompetenz auch die persönliche Integrität. Namentlich im Falle einer Verwendung bei einer integrierten Dienststelle im Ausland muss ein Soldat Gewähr dafür bieten, dass er den Erwartungen an einen Repräsentanten der deutschen Streitkräfte gegenüber dem gastgebenden Land und den Soldaten anderer Streitkräfte genügt. Zur Eignung eines Soldaten für einen Auslandsdienstposten gehören Fähigkeit und Willen, durch sein Verhalten auch Gefahren für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland und der Angehörigen ihrer Streitkräfte auszuschließen. Dieser Anforderung wird nicht gerecht, wer durch schuldhafte Pflichtverletzungen den Anlass für disziplinarische Ermittlungen setzt und damit zugleich die Gefahr der Kenntnisnahme Dritter begründet ( 1 WDS-VR 2.19 - juris Rn. 24).

29Hiernach ist die Annahme eines dienstlichen Erfordernisses nach Nr. 205 Buchst. f und g ZDv A-1420/37 nicht zu beanstanden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe tatsächlich zutreffen und ob sie eine Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen. Maßgeblich ist, dass gegen ihn wegen eines nicht haltlosen Verdachts eines gewichtigen Dienstvergehens ermittelt wird und er gerade deswegen in der Position eines Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber ausländischen Streitkräften nicht tragbar ist. Ihm wird nämlich im eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren vorgeworfen, die Identitäre Bewegung durch aktives Tun in der Form finanzieller Zuwendungen, des Aufrufes zu Spenden durch Dritte sowie die Verbreitung ihrer Ideen und Inhalte in sozialen Medien unterstützt zu haben.

30Die Vorwürfe sind auch nicht ohne tatsächliche Anhaltspunkte. Denn zum einen räumt der Antragsteller einige der ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen - den Aufruf zu einer Spende für ein Mitglied der Identitären Bewegung und die Weiterleitung von verschiedenen Artikeln, die nach Verfasser oder Inhalt der Identitären Bewegung zurechenbar sein sollen - ein. Soweit er insoweit den Vorsatz bestreitet und auf eine Rechtfertigung seines Verhaltens durch die Meinungsfreiheit verweist, ist dies zwar im Ermittlungsverfahren nach § 97 Abs. 1 WDO zu prüfen, um in Auswertung auch entlastender Umstände über die Einreichung und den Inhalt einer Anschuldigungsschrift nach § 99 Abs. 1 WDO oder eine Einstellung nach § 98 WDO entscheiden zu können. Jedoch hat der Antragsteller bereits durch die von ihm eingeräumten objektiven Verhaltensweisen den Anlass für entsprechende Ermittlungen zurechenbar gesetzt. Zum anderen hat die Einleitungsbehörde für die Annahme eines die formelle Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens rechtfertigenden Anfangsverdachts auch die Einschätzung des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst vom und die dort angeführten Angaben des Antragstellers in seiner Befragung vom ausgewertet. Hiernach hat er auch eine Geldspende zugunsten eines Angehörigen der Identitären Bewegung eingeräumt. Die Gesamtschau der in der Befragung durch den Militärischen Abschirmdienst getätigten Aussagen rechtfertigt zumindest den Verdacht, er selbst vertrete im Lichte seiner Treuepflicht problematische Grundeinstellungen der Identitären Bewegung und unterstütze diese und ihre Funktionäre bewusst. Haltlos wird der Verdacht auch nicht unter Berücksichtigung seiner Stellungnahmen in der Beschwerde vom . Bei der Würdigung dieser Einlassungen kann nicht außer Betracht bleiben, dass diese nach Einleitung des gerichtlichen Verfahrens erfolgt sind und dass es sich insbesondere bei den wiederholten Beteuerungen der Verfassungstreue auch um Schutzbehauptungen handeln kann. Eine abschließende Beweiswürdigung ist auch insofern dem gerichtlichen Disziplinarverfahren vorbehalten. Bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Einschätzung sind die vorgetragenen Gegenvorstellungen jedenfalls nicht geeignet, den Anfangsverdacht rechtsextremer Einstellungen auszuräumen. Unstreitig wird die Identitäre Bewegung im Verfassungsschutzbericht des Bundes 2019 als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Ein Eilantrag der Gruppierung hiergegen ist beim Verwaltungsgericht Berlin erfolglos geblieben (Pressemitteilung des VG Berlin Nr. 34/2020 vom - zitiert nach juris).

31Das dem Antragsteller vorgeworfene Dienstvergehen wäre auch gewichtig, weil eine Verletzung zentraler Dienstpflichten aus §§ 8, 10 Abs. 6 und § 17 SG im Raume steht, bei denen Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen keine einfache Disziplinarmaßnahme wäre. Es bedarf in diesem Verfahren keiner Entscheidung, ob die im Raum stehenden Vorwürfe eine Entfernung aus dem Dienst rechtfertigen. Bei Verletzung der politischen Treuepflicht, die nicht Ausdruck einer verfassungsfeindlichen Gesinnung ist, kommen zwar mildere Maßnahmen als die Entfernung aus dem Dienst in Betracht; jedoch ist bei vorsätzlichen Verhaltensweisen, die den irrigen Eindruck einer Identifikation mit dem Nationalsozialismus vermitteln, selbst dann ein Beförderungsverbot in den Blick zu nehmen, wenn es sich um niedrigschwelligere, bagatellisierende Verhaltensweisen handelt ( 2 WD 17.19 - Rn. 45 bis 47). Danach sind Vorwürfe, eine rechtsextremistische Gruppierung aktiv zu unterstützen, jedenfalls von solchem Gewicht, dass sie das Vertrauen in die uneingeschränkte persönliche Integrität eines Soldaten und seiner Eignung für eine Auslandsverwendung in Frage stellen.

32(2) Die sechsmonatige Schutzfrist bei Änderungen des Dienstorts (Nr. 226 Satz 2 ZDv A-1420/37) - deren Verletzung allerdings ohnehin nur den Zeitpunkt des Dienstantritts, nicht aber die Rechtmäßigkeit der Versetzung als solche berühren würde (stRspr, vgl. 1 WB 34.15 - juris Rn. 30 m.w.N.) - gilt nicht im hier vorliegenden Fall einer Versetzung nach Nr. 205 Buchst. f und g ZDv A-1420/37.

33(3) Die Versetzungsverfügung weist auch keine Ermessensfehler auf, sie ist insbesondere verhältnismäßig.

34Bei einer Versetzungsentscheidung sind aus Fürsorgegründen (§ 10 Abs. 3 SG) sowie wegen der Schutzpflichten für Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) auch die persönlichen und familiären Interessen des Soldaten angemessen zu berücksichtigen (vgl. 1 WB 28.15 - juris Rn. 36 m.w.N.).

35Soweit der Antragsteller auf ein Infektionsrisiko seiner Kinder auf dem Rückflug aus ... in die Bundesrepublik Deutschland verweist, trägt das Bundesministerium der Verteidigung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn bereits dadurch Rechnung, dass es ihm in seiner Stellungnahme vom Möglichkeiten aufzeigt, zum Versetzungstermin allein in das Bundesgebiet zurückzufliegen und seine Familie später nachzuholen. Da der Antragsteller Gefahren nur im Hinblick auf den Zeitpunkt der Rückreise rügt, wäre seinem Anliegen damit bereits Rechnung getragen. Nichts Anderes gilt für Befürchtungen, die Familie wegen der Quarantäneregelungen vorübergehend im Hotel unterbringen zu müssen, solange keine Wohnung im Inland gefunden sei. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass die vom Antragsteller angestrebte Verschiebung der Rückreise seiner Familie in das Bundesgebiet das Infektionsrisiko auf dem Rückflug oder die Belastungen durch eine Hotelunterbringung wegen der Quarantäneregelungen verringern könnte. Denn es gibt keinen Hinweis darauf, dass die durch die Pandemie begründeten Gefahren zwischen Mitte August und Beginn Oktober 2020 in erheblichem Umfang sinken würden. Zudem weist das Bundesministerium der Verteidigung zutreffend auf den allgemein bekannten Umstand hin, dass ... anders als die Bundesrepublik Deutschland in der gegenwärtigen Pandemie als Risikogebiet eingestuft werden.

36Schließlich hat das Bundesministerium der Verteidigung zur Frage einer Gefährdung von Kleinkindern auf dem Rückflug aus ... auch eine Stellungnahme der Beratenden Ärztin des Bundesamtes für das Personalmanagement eingeholt. Hiernach gehören Kinder nicht automatisch zu einer in der Pandemie besonders gefährdeten Personengruppe. Auch aus der Sicht des Amtsarztes der Bundeswehr West bestehe für die Familie bei der Einreise in das Bundesgebiet keine grundsätzliche Gefährdung. Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Auskunft bestehen auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes vom nicht. Die Auskunft wertet Erkenntnisse des Bundesministeriums für Gesundheit, des Robert-Koch-Instituts, des Amtsarztes der Bundeswehr West sowie der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit und des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten aus und legt damit die Grundlage seiner Einschätzung nachvollziehbar dar.

37Auf Flügen gelten zudem die in der Auskunft der Beratenden Ärztin angeführten Hygieneregeln, die grundsätzlich zu einer Verringerung des Risikos für alle Reisenden beitragen. Auch wenn die Kinder des Antragstellers keine Masken tragen können und müssen, so gilt die Maskenpflicht doch für die Mehrzahl der Mitreisenden. Da die Maske in erster Linie die Umgebung und nicht den Träger selbst schützen soll, bewirken die für die Mitreisenden geltenden Pflichten eine Senkung des Infektionsrisikos der Kinder des Antragstellers, die damit das zumutbare Maß nicht überschreitet. Andere Gefahren für die physische oder psychische Gesundheit der Kinder des Antragstellers durch die Rückkehr in das Bundesgebiet sind auch unter Berücksichtigung seines Vortrages nicht ersichtlich.

38Etwas anders folgt auch nicht aus der Notwendigkeit, im Inland eine Wohnung für die Familie zu finden und die Kinderbetreuung zu regeln. Der Antragsteller hat spätestens seit dem die Möglichkeit, sich um eine Wohnung im Bundesgebiet zu bemühen. Dass dieser konkrete Versetzungstermin in Aussicht genommen war, war ihm spätestens Ende Juni 2020 bekannt, wie aus seiner Stellungnahme dieses Datums hervorgeht, die auch belegt, dass er bereits zuvor mit der Wohnungssuche begonnen hatte. Er hat auch die Möglichkeit, zunächst allein ins Inland zurückzukehren, sich um die Unterbringung seiner Familie zu bemühen und diese später nachzuholen. Nach der Auskunft der Wohnungsfürsorge ... gibt es zudem im Einzugsbereich der neuen Dienststelle des Antragstellers mehrere Wohnungsangebote. Die mit der Rückversetzung ins Inland verbundenen Schwierigkeiten gehen damit nicht erheblich über dasjenige hinaus, was von jedem versetzten Soldaten erwartet wird. Unzumutbare Schwierigkeiten im konkreten Fall sind auch nicht dadurch aufgezeigt, dass eine Wohnungssuche im Großraum ... mehr Zeit als eine Wohnungssuche im ländlichen Raum beansprucht. Da seine Ehefrau in Elternzeit ist, sind die mit der Betreuung der Kinder in der Umzugs- und Quarantänephase verbundenen Probleme zumutbar zu bewältigen.

39Der Versetzungstermin ist nach summarischer Prüfung auch nicht wegen der Suspendierung des Antragstellers ermessensfehlerhaft. Der Dienstherr überschreitet seinen Organisationsspielraum nicht, wenn er den bisherigen Dienstposten des Antragstellers zu diesem Zeitpunkt neu besetzen will. Die Suspendierung ist nicht bestandskräftig. Der Antragsteller hat Rechtsmittel gegen die Entscheidung vom angekündigt.

40cc) Die Versetzungsverfügung leidet nach summarischer Prüfung auch nicht an Verfahrensfehlern. Dem Antragsteller wurde vor dem Ausspruch der Versetzung mehrfach mündlich und auch schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Damit ist dem Anhörungserfordernis Genüge getan. Die Anhörung der Vertrauensperson ist am erfolgt (§§ 21, 24 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 SBG). Soweit ihre Beteiligung im Hinblick auf die Änderungen hinsichtlich des Dienstpostens, auf den der Antragsteller im Inland versetzt werden soll, wiederholt werden müsste, kann dies jedenfalls im noch offenen Beschwerdeverfahren nachgeholt werden (BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 60.04 - Buchholz 252 § 20 SBG Nr. 1 S. 3 f. und vom - 1 WDS-VR 7.06 - Buchholz 449.7 § 23 SBG Nr. 4 Rn. 27).

41b) Dem Antragsteller entstehen durch die sofortige Vollziehung der Versetzungsverfügung auch keine unzumutbaren Nachteile. Aus den dargelegten Gründen folgen diese insbesondere nicht aus Gefährdungen der Gesundheit seiner Kinder und der Notwendigkeit, im Inland eine Wohnung für die Familie zu finden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:060820B1WDSVR9.20.0

Fundstelle(n):
HAAAH-57376