Online-Nachricht - Donnerstag, 27.08.2020

Einkommensteuer | Zufluss von Tantiemen bei verspäteter Feststellung des Jahresabschlusses (BFH)

Eine verspätete Feststellung des Jahresabschlusses nach § 42a Abs. 2 GmbHG führt auch im Falle eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers nicht per se zu einer Vorverlegung des Zuflusses einer Tantieme auf den Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung des Jahresabschlusses eingetreten wäre (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger war beherrschender Anteilseigner und Geschäftsführer der A GmbH. Außerdem war der Kläger Alleingesellschafter und Geschäftsführer der B GmbH. Die A GmbH und die B GmbH gewährten ihren Geschäftsführern neben dem monatlichen Festgehalt Tantiemen.

Zum wurden in der Bilanz der A GmbH für jeden Geschäftsführer Tantiemen passiviert. In der Bilanz der B GmbH zum wurde zugunsten des Klägers eine Tantieme als sonstige Rückstellung ausgewiesen. Die Bilanzen der A GmbH und der B GmbH wurden im Dezember des Streitjahres (2009) festgestellt. Die Tantiemen wurden weder im Streitjahr noch in den Folgejahren ausgezahlt. Im Jahr 2011 wurden sie jeweils auf das Konto "sonstige Verbindlichkeiten" umgebucht.

Im Streitjahr erlitten die A GmbH und die B GmbH Verluste, die jeweils nach 2008 zurückgetragen wurden.

Sowohl bei der A GmbH als auch bei der B GmbH fanden im Jahr 2011 Lohnsteuer-Außenprüfungen statt. Der Prüfer stellte u.a. fest, dass der Kläger im Streitjahr die Tantiemen der A GmbH und der B GmbH nicht versteuert hatte. Das FA erließ daraufhin einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, mit dem er den Bruttoarbeitslohn des Klägers nunmehr um die Tantiemen erhöhte.

Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Das FG wies die Klage ab (). (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 2.11.2017)

Der BFH sah die Revision als begründet an und hat das FG Urteil aufgehoben:

  • Das FG ist zu Unrecht von einem Zufluss der Tantiemen im Streitjahr ausgegangen.

  • Unerheblich ist, dass die Kläger die Besteuerung der Tantiemen dem Grunde nach nicht gerügt haben, sondern letztlich ebenfalls von einem Zufluss im Streitjahr ausgehen und lediglich die Herabsetzung der Einkommensteuer auf den Betrag, der sich beim Ansatz der Tantiemen unter Berücksichtigung der von der A GmbH und der B GmbH im Wirtschaftsjahr 2009 erzielten Verluste ergibt. Denn nach § 118 Abs. 3 Satz 2 FGO ist der BFH an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

  • Tantiemen gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Ihre Besteuerung setzt allerdings voraus, dass sie als sonstiger Bezug dem Arbeitnehmer auch nach §§ 11 Abs. 1 Satz 4, 38a Abs. 1 Satz 3 EStG zugeflossen sind.

  • Das FG hat für den Senat indes bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass die Feststellung der Jahresabschlüsse der A GmbH und der B GmbH zum nach § 46 Nr. 1 GmbHG unter Passivierung der Tantiemen "im Dezember 2009" erfolgte. Es hat zudem festgestellt, dass die Geschäftsführer-Anstellungsverträge eine Fälligkeit der Tantiemen jeweils einen Monat nach Genehmigung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung eintreten ließen.

  • Diese vom Grundfall abweichende Fälligkeitsvereinbarung ist zivilrechtlich wirksam. Die zivilrechtlichen Regelungen in einem Anstellungsvertrag zwischen einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer und "seiner" Kapitalgesellschaft sind grundsätzlich auch im Steuerrecht beachtlich.

  • Im Streitfall waren die Tantiemen mithin nicht im Streitjahr fällig.

  • Eine Vorverlegung der Fälligkeit (und damit des Zuflusses i. S. der §§ 11 Abs. 1 Satz 4, 38a Abs. 1 Satz 3 EStG) auf den Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit bei fristgerechter Aufstellung eingetreten wäre (fiktive Fälligkeit), kommt nicht in Betracht. Denn erst die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung als des hierzu berufenen Gesellschaftsorgans führt zu seiner Verbindlichkeit.

  • Auch eine Fiktion des Zuflusses auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses kommt nicht in Betracht. Enthält die Satzung eine bindende Regelung über eine spätere Fälligkeit, ist es gerechtfertigt, hierauf abzustellen. Dem entspricht es im Streitfall, die im Geschäftsführervertrag vertraglich wirksam vereinbarte Fälligkeit gelten zu lassen und den Zufluss nicht auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses vorzuverlegen.

  • Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Tantiemen des Klägers aufgrund der Verlustrückträge zu mindern sind, kommt es mithin nicht an.

Anmerkung von Dr. Stephan Geserich, Richter im VI. Senat des BFH:

Da der BFH in der Besprechungsentscheidung darauf erkannt hat, dass die Tantiemen dem Kläger im Streitjahr nicht zugeflossen sind, konnte er die zwischen den Beteiligten im Grunde allein streitige und bislang noch nicht höchstrichterlich entschiedene Frage, ob die Tantiemen des Klägers aufgrund der Verlustrückträge zu mindern sind, offenlassen (zur Berücksichtigung von Verlustvorträgen siehe sowie ; und ). FA und FG haben die Verluste des Jahres 2009 bei der Berechnung der vermeintlich zugeflossenen Tantiemen 2008 nicht berücksichtigt. Zwar sei dies grundsätzlich möglich. Die Berücksichtigung von Verlusten bei der Berechnung der Tantieme setze jedoch nach allgemeinen Grundsätzen eine dahingehend ausdrückliche Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und Geschäftsführer voraus. Denn eine im Hinblick auf die Vergütung des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers getroffene Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter müsse danach dem Grunde und der Höhe nach klar und eindeutig sein. Klare und eindeutige Vereinbarungen erforderten es, dass auch eine mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer getroffene Vereinbarung über besondere Vergütungen zumindest erkennen lassen müsse, nach welcher Bemessungsgrundlage die Vergütung errechnet werden solle. Die Berechnungsgrundlagen seien so zu bestimmen, dass allein durch Rechenvorgänge die Höhe der Vergütung ermittelt werden könne, ohne dass es noch der Ausübung irgendwelcher Ermessensakte seitens der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung bedürfe. Dies gelte auch bei der Vereinbarung einer Tantieme. Tantiemevereinbarungen genügten regelmäßig nur dann dem Klarheitsgebot, wenn der Tantiemebetrag allein durch einen Rechenvorgang bestimmt werden könne. Das setzte insbesondere voraus, dass die Bemessungsgrundlage für die Tantieme durch die Vereinbarung eindeutig festgelegt werde. An einer entsprechenden ausdrücklichen Vereinbarung fehle es jedoch im Streitfall, so dass die Verluste des Jahres 2009 für die Berechnung der Tantiemen 2008 nicht berücksichtigt werden könnten. Aber auch eine dahingehende konkludente Vereinbarung, sofern man eine solche für ausrechend erachten wollte, vermochte das FG nicht anzunehmen. Denn bei den GmbHs sei der Verlustrücktrag tatsächlich nicht vorgenommen worden. Die Tantieme-Verbindlichkeiten wurden in den Folgejahren von diesen vielmehr unverändert passiviert. Die Berücksichtigung der Verluste 2009 im Wege des Verlustrücktrages hätte jedoch dazu führen müssen, dass 2009 – oder im Wege der Bilanzberichtigung in späteren Jahren – die Verbindlichkeiten teilweise hätten gewinnwirksam aufgelöst werden müssen.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
HAAAH-56903