Online-Nachricht - Donnerstag, 27.08.2020

Einkommensteuer | Pauschale Bonuszahlungen einer gesetzlichen Krankenkasse (BFH)

Die von einer gesetzlichen Krankenkasse auf der Grundlage von § 65a SGB V gewährte Geldprämie (Bonus) für gesundheitsbewusstes Verhalten stellt auch bei pauschaler Ausgestaltung keine den Sonderausgabenabzug mindernde Beitragserstattung dar, sofern durch sie konkret der Gesundheitsmaßnahme zuzuordnender finanzieller Aufwand des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise ausgeglichen wird (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Der Kläger ist gesetzlich krankenversichert. Unter Bezugnahme auf § 65a SGB V sah § 34 der im Streitjahr gültigen Satzung der Krankenkasse des Klägers u.a. für die Inanspruchnahme regelmäßiger Leistungen zur Früherkennung bestimmter Krankheiten, qualitätsgesicherter Präventionsmaßnahmen, bestimmter sonstiger qualitätsgesicherter Vorsorgeleistungen sowie bestimmter qualitätsgesicherter sportlicher Aktivitäten und Maßnahmen zur Unterstützung einer gesunden Lebensführung die Zahlung von Geldprämien (Boni) vor.

Der Kläger erhielt im Streitjahr für den Nachweis verschiedener Aktivitäten einen Bonus von insgesamt 230 €. Das FA behandelte den Bonus - entsprechend der zuvor von der Krankenkasse vorgenommenen Datenübermittlung - als Beitragserstattung und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid des Streitjahres nur die insoweit geminderten Krankenversicherungsbeiträge als nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG abzugsfähige Sonderausgaben. Das FA setzte die Steuer im Hinblick auf die Kürzung des Sonderausgabenabzugs bei Bonuszahlungen i. S. von § 65a SGB V vorläufig gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO fest.

Der Einspruch, mit dem der Kläger neben einer Steuerherabsetzung zumindest konkludent auch eine Aufhebung des aus seiner Sicht rechtswidrigen Vorläufigkeitsvermerks beansprucht hatte, blieb ohne Erfolg. Das FA verwarf den Einspruch, den es offenbar nur als einen solchen gegen die Steuerfestsetzung angesehen hatte, als unzulässig, da der Kläger wegen des Vorläufigkeitsvermerks nicht rechtsschutzbedürftig sei.

Das FG gab der Klage statt und wertete die Zahlungen als Leistungen der Krankenkasse, die weder die Sonderausgaben beeinflussen, noch als sonstige Einkünfte eine steuerliche Belastung auslösen. ().

Auf die Revision des FA hat der BFH das FG Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:

  • Der Umstand, dass das FA den Einspruch des Klägers als unzulässig verworfen hatte, hinderte das FG nicht an einer Entscheidung in der Sache. Der Kläger hat sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht auf das Begehren einer isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung beschränkt, sondern u.a. die Herabsetzung der festgesetzten Einkommensteuer beantragt. In diesem Fall ist das Gericht verpflichtet, die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids zu prüfen ().

  • Die Feststellungen des FG lassen aber keine abschließende Beurteilung des Senats zu, ob bzw. in welcher Höhe der Sonderausgabenabzug für Krankenversicherungsbeiträge um die im Streitjahr zugeflossenen Boni zu mindern ist. Die nach dem vorliegenden Bonusmodell gezahlten Prämien können nur in dem Umfang als Krankenversicherungsleistung anzusehen sein, als sie konkreten eigenen Aufwand des Versicherten für die Inanspruchnahme der nach § 65a SGB V zu fördernden Gesundheitsmaßnahmen und -aktivitäten ausgleichen. Zu der Frage, ob diese Voraussetzung in Bezug auf die gesamte Bonusleistung erfüllt ist, hat das FG bislang keine Feststellungen getroffen, obwohl Belege hierzu zur Gerichtsakte gereicht wurden. Diese Feststellungen, sind im zweiten Rechtsgang mit folgender Maßgabe nachzuholen:

    • Sofern der Kläger im Bonusbereich "Private Vorsorge" für die von ihm in Anspruch genommenen Vorsorgemaßnahmen eigene, konkret diesen Maßnahmen zuzuordnende Aufwendungen getragen hat, stellen die hierfür gezahlten Boni Leistungen seiner Krankenkasse dar.

    • Dieselben steuerlichen Folgen ergäben sich im Bonusbereich "Aktive Lebensweise". Dagegen ist der für den Nachweis eines gesunden Körpergewichts gewährte Bonus als Beitragserstattung zu werten. Sofern die ebenfalls bonifizierte Teilnahme an einer Sportveranstaltung für den Kläger mit finanziellem Aufwand (insbesondere einer Teilnahmegebühr) verbunden gewesen sein sollte, wäre der hierfür gewährte Bonus als Leistung, andernfalls als Beitragserstattung zu werten.

    • Die im Bereich "Gesetzliche Vorsorge" gezahlten Boni für einen Gesundheits-Check-up sowie für Zahnvorsorge stellen, sofern für den Kläger insoweit kein eigener Aufwand angefallen ist, Beitragserstattungen dar.

  • Soweit die Bonuszahlungen nach den oben dargestellten Rechtsgrundsätzen nicht als Beitragserstattungen, sondern als Leistungen der Krankenkasse anzusehen sind, liegen keine steuerbaren Einkünfte des Klägers vor.

  • Das FG war nicht berechtigt, neben der Herabsetzung der Einkommensteuer den im angefochtenen Bescheid als Nebenbestimmung enthaltenen Vorläufigkeitsvermerk i. S. von § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO aufzuheben.

Anmerkung von Honorarprofessor Dr. Gregor Nöcker, Richter im X. Senat des BFH:

Bonuszahlungen gesetzlicher Krankenversicherungen beruhen nicht auf einer Leistung, die im Zusammenhang mit einer Erwerbstätigkeit steht, so dass es an einer Steuerbarkeit gem. § 22 Nr. 3 EStG fehlt. Dennoch können sie steuerlich nachteilige Folgen für die Versicherten haben. Stehen sie im Zusammenhang mit dem Versicherungsschutz, sind die Zahlungen Beitragsrückerstattungen und mindern die Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG. Ein Erstattungsüberhang erhöht den Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 10 Abs. 4b Satz 3 EStG). Dagegen liegt ein solcher Zusammenhang nicht vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch den Bonus eigene Aufwendungen wirtschaftlich gesehen erstattet werden. Allerdings muss der pauschale Bonus realitätsgerecht bleiben. Somit sind auch Boni für die Mitgliedschaften in Sportvereinen und Fitnessstudios ohne Verrechnung mit den Sonderausgaben zahlbar. Ohne Aufwand einen Bonus für „gesundes Leben“ zu erhalten, ist aber weiterhin nicht möglich.

Verfahrensrechtlich hat der BFH zwei Punkte (noch einmal) klargestellt. Wendet sich der Steuerpflichtige nicht nur isoliert gegen die Einspruchsentscheidung, so sind FG und BFH zu einer umfassenden Sachentscheidung befugt. Dagegen kann ein Gericht nicht nur einen Vorläufigkeitsvermerk aufheben, wenn es nicht auch den Steuerbescheid in Gänze aufhebt, da ansonsten in die mit § 165 AO zusammenhängende Sachaufklärungspflicht des FA eingegriffen wird.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
NAAAH-56901