Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Prozesskostenhilfeantrag: Nichterfüllung gerichtlicher Auflagen zu Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse
Gesetze: § 117 Abs 4 ZPO, § 234 Abs 1 S 1 ZPO
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 15 U 70/19vorgehend Az: 8 O 42/14
Gründe
I.
1Die vom Kläger unter dem Gesichtspunkt der Steuerberaterhaftung erhobene Klage hat das abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am zugestellt worden. Am hat er durch seine damaligen Prozessbevollmächtigten beim Oberlandesgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt. Mit Verfügung vom hat der Vorsitzende des Berufungsgerichts dem Kläger aufgegeben, binnen drei Wochen seine Angaben zur Unterstützung durch Familienangehörige und Freunde sowie seine Bemühungen um einen Arbeitsplatz zu substantiieren und glaubhaft zu machen. Mit Schriftsatz vom haben die damaligen Prozessbevollmächtigten eine ergänzende Erklärung des Klägers zu den Akten gereicht. Mit Beschluss vom , dem Kläger zugestellt am , hat das Oberlandesgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
2Am hat der Kläger Berufung eingelegt, diese begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist beantragt. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
3Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil kein Zulässigkeitsgrund nach § 574 Abs. 2 ZPO vorliegt. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache noch zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der angefochtene Beschluss steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und verletzt den Kläger nicht in seinen Verfahrensgrundrechten.
41. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Ausgehend von seinem binnen der Berufungsfrist eingereichten Prozesskostenhilfeantrag habe der Kläger nicht mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe rechnen dürfen. Deshalb habe er die Berufungsfrist nicht schuldlos versäumt und könne ihm keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Werde Prozesskostenhilfe von Personen beantragt, die nach ihren Angaben keine Sozialhilfe beziehen, müsse dargelegt und glaubhaft gemacht werden, wie der Lebensunterhalt finanziert werde. Gleiches müsse dann gelten, wenn sich wie im Streitfall bei nicht vorhandenem Vermögen ein negativer Saldo bei Gegenüberstellung der monatlichen Einkünfte und Ausgaben in nahezu vierstelliger Höhe ergebe. Denn in beiden Fällen liege eine Unvollständigkeit der Angaben auf der Hand. Der vor Ablauf der Berufungsfrist gehaltene Vortrag des Klägers zu den Einkommensverhältnissen genüge den Anforderungen nicht. Es habe vielmehr klar auf der Hand gelegen, dass erklärungsbedürftig sei, wie der Kläger seinen Lebensunterhalt bestreite. Ebenso sei ersichtlich gewesen, dass die pauschale Angabe von Unterstützungsleistungen durch Dritte nicht ausreiche.
52. Das hält rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
6a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist einer Prozesspartei, die vor Ablauf einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist lediglich Prozesskostenhilfe beantragt hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Fristversäumung zu bewilligen, wenn sie vernünftigerweise nicht mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit rechnen musste (vgl. , NJW-RR 2018, 1270 Rn. 5 mwN; st. Rspr.). Das ist der Fall, wenn sich die Partei bei objektiver Betrachtung für bedürftig halten und davon ausgehen darf, die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ordnungsgemäß dargelegt zu haben. Hierfür ist erforderlich, dass dem Antrag innerhalb der Rechtsmittelfrist eine vollständig und wahrheitsgemäß ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Formular nach § 117 Abs. 4 ZPO) nebst den insoweit notwendigen Belegen beigefügt wird (, BeckRS 2019, 11419 Rn. 6 mwN).
7Das durch einen rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe begründete schutzwürdige Vertrauen endet im Grundsatz erst mit Zugang des die beantragte Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschlusses (vgl. , FamRZ 2008, 871 Rn. 12; vom - II ZB 19/07, NJW-RR 2008, 1306 Rn. 12). Anders kann der Fall liegen, wenn das Gericht den Antragsteller vor der Entscheidung über den Antrag darauf hinweist, dass die bisher gemachten Angaben nicht ausreichen, und ihm die Vervollständigung aufgibt. Hier darf der Antragsteller nur dann weiterhin auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vertrauen, wenn er die gerichtliche Auflage ordnungsgemäß erfüllt (vgl. aaO; vom , aaO; vgl. auch , NJW-RR 2010, 424 Rn. 5; vom , aaO).
8b) Nach diesen Grundsätzen konnte der Kläger jedenfalls nicht mehr auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vertrauen, nachdem er die Auflage des Berufungsgerichts gemäß Verfügung des Vorsitzenden vom mit Erklärung vom beantwortet hatte. Der erst am gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte deshalb die Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht wahren.
9aa) Wird Prozesskostenhilfe von Personen beantragt, die nach ihren Angaben keine Sozialhilfe beziehen, muss dargelegt und glaubhaft gemacht werden, wie der Lebensunterhalt finanziert wird (, WM 2018, 98 Rn. 7; vom - X ZA 1/17, FamRZ 2019, 547 Rn. 5; , juris Rn. 4). Auch freiwillige Zuwendungen Dritter sind nach der umfassenden Definition des § 115 ZPO grundsätzlich dem Einkommen hinzuzurechnen, wenn sie regelmäßig und in nennenswertem Umfang gewährt werden. Bei freiwilligen Leistungen Dritter müssen eidesstattliche Versicherungen der Dritten über Umfang und Grund der Hilfeleistung vorgelegt werden ( aaO). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen, wenn im Prozesskostenhilfeverfahren geltend gemacht wird, für den Lebensunterhalt Zuwendungen von wechselnden Personen in unterschiedlicher Höhe zu erhalten ( aaO).
10bb) Diesen Anforderungen hat der anwaltlich vertretene Kläger auch nicht genügt, nachdem ihm der Vorsitzende des Berufungsgerichts die Vervollständigung seiner Angaben aufgegeben und auf die zugrundliegende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hingewiesen hatte.
11Mit seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom hatte der Kläger angegeben, dass er seinen Lebensunterhalt (auch) durch Zuwendungen seines familiären und persönlichen Umfelds bestreite. Nähere Angaben zum Grund, der Art und dem Umfang der Zuwendungen hatte der Kläger ebenso wenig gemacht, wie Angaben zu den Zuwendenden. Lediglich aus dem Zusammenhang ließ sich erschließen, dass ein Großteil der Kosten für den vom Kläger als Eigentümer genutzten Wohnraum durch Zuwendungen gedeckt wird. Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht mit Recht nähere Angaben zu den Zuwendungen für erforderlich gehalten. Dem ist der Kläger mit seiner ergänzenden Erklärung nicht gerecht geworden. Lediglich im Blick auf die Wohnkosten hat er ergänzende Angaben gemacht. Danach wird der durch eigene Einkünfte nicht gedeckte Teil der Kosten vornehmlich durch seine Lebensgefährtin und, wenn deren Mittel nicht reichen, durch seine Mutter, die Eltern der Lebensgefährtin oder Freunde übernommen. Nähere Angaben dazu, wer konkret welche Kosten übernommen hat, fehlen ebenso wie die vom Berufungsgericht mit Recht eingeforderte Glaubhaftmachung. Überdies fehlt es an Angaben dazu, durch welche Zuwendungen der Kläger seinen sonstigen Lebensunterhalt und den seiner minderjährigen Tochter bestreitet, der er eigenen Angaben zufolge Bar- oder Naturalunterhalt gewährt.
12Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:180620BIXZB45.19.0
Fundstelle(n):
NJW-RR 2020 S. 944 Nr. 15
KAAAH-56458