Verfahrensrecht | Berichtigung wegen ähnlicher offenbarer Unrichtigkeit (BFH)
Steht nach Aktenlage nicht fest, ob ein mechanisches Versehen oder ob ein anderer die Anwendung von § 129 Satz 1 AO ausschließender Fehler zu einer offenbaren Unrichtigkeit des Bescheids geführt hat, muss das FG den Sachverhalt insoweit aufklären und gegebenenfalls auch Beweis erheben (; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Streitig ist, ob die Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmal einer "ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit" i.S. von § 129 AO gegeben sind.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
Steht nach Aktenlage nicht fest, ob ein mechanisches Versehen oder ob ein anderer die Anwendung von § 129 Satz 1 AO ausschließender Fehler zu einer offenbaren Unrichtigkeit des Bescheids geführt hat, muss das FG den Sachverhalt insoweit aufklären und gegebenenfalls auch Beweis erheben.
Lässt sich nicht abschließend klären, wie es zu der Unrichtigkeit im Bescheid gekommen ist und stehen sich zwei nicht nur theoretisch denkbare hypothetische Geschehensabläufe gegenüber, von denen einer eine Berichtigung ausschließt, darf nicht berichtigt werden.
Eine Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO ist auch ausgeschlossen, wenn das FA feststehenden Akteninhalt (6 Seiten Anlagen zur Anlage G) bewusst nicht zur Kenntnis nimmt und wenn sicher anzunehmen ist, dass bei gebotener Kenntnisnahme ein mechanischer Übertragungsfehler bemerkt und/oder vermieden worden wäre.
Dann ist nicht allein der mechanische Übertragungsfehler für die Unrichtigkeit des Bescheids ursächlich geworden, sondern zugleich ein die Willensbildung betreffender Fehler.
Die objektive Feststellungslast trifft das FA, wenn es sich auf die Berichtigungsvorschrift beruft.
Anmerkung von Dr. Nils Trossen, Richter im IX. Senat des BFH:
Die Frage, ob in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen einer offenbaren Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO vorliegen, ist von großer praktischer Bedeutung. Denn die Änderungsnorm wird von der Finanzverwaltung sehr häufig benutzt, um Bearbeitungsfehler (hier das "Vergessen" der Erfassung eines erklärten Veräußerungsgewinns), die im Rahmen der (personellen) Veranlagung passiert sind, im Nachhinein noch korrigieren zu können.
Für die Frage des Vorliegens der Berichtigungsvoraussetzungen gelten nach der Rechtsprechung des BFH die allgemeinen Beweislastregeln, d.h. wenn das Finanzamt sich auf die Norm beruft, muss es das Vorliegen der Berichtigungsvoraussetzungen nach den Grundsätzen der objektiven Feststellungslast darlegen und im Zweifel auch beweisen können. Fehler bei der Sachverhaltsaufklärung gehen, auch wenn es sich wie im Besprechungsurteil um "Flüchtigkeitsfehler" handelt, zu Lasten des Finanzamts. Dies gilt z.B. dann, wenn das Finanzamt
Prüfhinweise nicht bearbeitet,
wie im Streitfall Akteninhalt (z.B. einzelne Kennziffern oder Freitextfelder) übersieht,
Akteninhalt falsch zuordnet oder
dem Bearbeiter vorliegende Belege nicht beachtet.
Die gleiche Beweislastverteilung gilt im Rahmen des § 173a AO. Beruft sich das Finanzamt bei einer Änderung auf Schreib- oder Rechenfehler (eine offenbare Unrichtigkeit berechtigt hier nicht zur Änderung), muss es diese nach den Grundsätzen der objektiven Feststellungslast nachweisen.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
NAAAH-56324