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Online-Nachricht - Donnerstag, 13.08.2020

USt, Verfahrensrecht | Zur Steuerpflicht eines Kanzleiabwicklers (BFH)

Ein Kanzleiabwickler (§ 55 BRAO) ist Vermögensverwalter i.S. des § 34 Abs. 3 AO. Daher ist er im Rahmen der ihm obliegenden Aufgaben auch zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen und zur Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 33 Abs. 1 AO ist Steuerpflichtiger, wer eine Steuer schuldet, für eine Steuer haftet, eine Steuer für Rechnung eines Dritten einzubehalten und abzuführen hat, wer eine Steuererklärung abzugeben, Sicherheit zu leisten, Bücher und Aufzeichnungen zu führen oder andere ihm durch Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat. Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen; sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten (§ 34 Abs. 1 AO).

Sachverhalt: Der Revisionskläger ist Rechtsanwalt. Vom bis zum war er von der Rechtsanwaltskammer zum Abwickler der Kanzlei einer ehemaligen Rechtsanwältin bestellt. Sie hatte zum ihre selbständige Tätigkeit eingestellt.

Streitig ist, ob ein Kanzleiabwickler ein Vermögensverwalter i.S. des § 34 Abs. 3 der AO ist.

Das FG () entschied, dass der Kläger Vermögensverwalter i.S. des § 34 Abs. 3 AO sei. Dies ergebe sich aus dem Zweck der Regelung. Wer anstelle des originären Steuerschuldners einen diesen verdrängenden Zugriff auf dessen Vermögenswerte habe, solle auch für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten verantwortlich sein. Die angefochtenen Bescheide seien auch nicht nichtig.

Der Kläger befürchtete Doppelbesteuerungen.

Der BFH wies die Revision des Rechtsanwaltes als unbegründet zurück:

  • Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter die in § 34 Abs. 1 AO bezeichneten Pflichten, soweit ihre Verwaltung reicht (§ 34 Abs. 3 AO).

  • Nach § 55 Abs. 5 BRAO kann ein Rechtsanwalt zum Abwickler der Kanzlei eines früheren Rechtsanwalts bestellt werden, dessen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erloschen ist. Er wird zwar in eigener Verantwortung, jedoch im Interesse, für Rechnung und auf Kosten des Vertretenen tätig (§ 55 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 9 Satz 1 BRAO).

  • Der Kanzleiabwickler ist zwar nicht Verwalter des Vermögens des früheren Rechtsanwalts. Soweit es um Vermögenswerte geht, die sich nicht aus dem Kanzleibetrieb ergeben, ist er nicht Vermögensverwalter. Hinsichtlich der ihm nach § 55 BRAO obliegenden Aufgaben ist er aber Vermögensverwalter für den früheren Kanzleiinhaber und insoweit vergleichbar mit einem Zwangsverwalter eines Grundstücks, der nach der Rechtsprechung ein Vermögensverwalter ist (vgl. ).

  • Zu der vom Kläger befürchteten Doppelbesteuerung kommt es nicht. Soweit die Umsatzsteuererklärungen die Umsätze der Abwicklungstätigkeit betreffen, geht es um Umsätze, die das Vermögen der abzuwickelnden Kanzlei betreffen und die dem Inhaber dieser Kanzlei zuzurechnen sind, während die Honorarzahlungen (bzw. Vorschusszahlungen auf das Honorar) an den Abwickler diesem zuzurechnen sind. Sie sind Eingangsumsätze bei dem Inhaber der abzuwickelnden Kanzlei und Ausgangsumsätze beim Abwickler. Auf die Regelung des § 3 Abs. 11 UStG kommt es deshalb in diesem Zusammenhang nicht mehr an.

Anmerkung von Prof. Dr. Alois Nacke, Richter im XI. Senat des BFH:

Der BFH hat mit dieser Entscheidung erstmals entschieden, das Kanzleiabwickler Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO sind. Ähnlich einem Zwangsverwalter von Immobilien, der auch als Vermögensverwalter eingestuft wird, ist der Kanzleiabwickler Verwalter eines Teilvermögens des verstorbenen oder nach Ende der Zulassung nicht mehr tätigen Rechtsanwalts. Er hat insbesondere nunmehr die für Rechnung des früheren Praxisinhabers durchgeführten Leistungen, die er dem Mandanten des früheren Praxisinhabers in Rechnung stellt, der Umsatzsteuer zu unterwerfen und die einbehaltene Umsatzsteuer dem Finanzamt gegenüber zu erklären und abzuführen.

M.E. hat er auch die aus seinen Eingangsumsätzen, die er über das Geschäftskonto oder ein neu eingerichtetes Sonderkonto abwickelt (z.B. Fahrtkosten, Kopierkosten, Kosten der Weiterführung der Praxis), resultierende Vorsteuer in seiner Steuererklärung als Abwickler der Praxis geltend zu machen. Soweit er seine eigene Leistung dem bisherigen Praxisinhaber bzw. den Erben gegenüber geltend macht, ist dieser Ausgangsumsatz bei ihm selbst zu versteuern. Der bisherige Praxisinhaber kann die Umsatzsteuer aus dieser Eingangsrechnung bei sich als Vorsteuer geltend machen. Soweit dies noch innerhalb des Zeitraums der Praxisabwicklung erfolgt und der Kanzleiabwickler seinen eigenen Honoraranspruch anstelle des früheren Praxisinhabers über das Geschäftskonto bezahlt, kann er die darin enthaltene Vorsteuer m.E. bei der Umsatzsteuererklärung aus seiner Tätigkeit als Abwickler geltend machen und damit die Steuerschuld aus den Honorarrechnungen an die Mandanten verringern.

Quelle: , NWB Datenbank (JT)

Fundstelle(n):
GAAAH-55846