Umsatzsteuer | Begriff der Betriebsstätte bzw. festen Niederlassung (BFH)
Der Unternehmer unterhält
jedenfalls dann eine Betriebsstätte bzw. feste Niederlassung, wenn er
umfassenden Zugriff auf eine Einrichtung hat, die einen hinreichenden Grad an
Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die von der personellen und
technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden
Dienstleistung ermöglicht (; veröffentlicht am
).
Hintergrund: Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, wird vorbehaltlich der Absätze 3 bis 8 und der §§ 3b und 3e an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. 2Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend (§ 3a Abs. 2 Satz 1 bis 2 UStG).
Sachverhalt: Der Revisionskläger war in den Streitjahren 2008 bis 2010 als beratender Volkswirt unternehmerisch tätig. In den Streitjahren bezog der Kläger Vergütungen aus einer Tätigkeit als sog. intermit-tierender Langzeitberater eines Projektpartners aus einem Nicht-EU-Staat. Vertragspartner waren insoweit der nicht unternehmerisch tätige W (Sitz in S; kein Drittland) als Leistungsempfänger mit Sitz in S sowie die A GmbH, eine 100 % Tochter des J, die das Projekt buchhalterisch abwickelte.
Die Beteiligten streiten sich über den Leistungsort der Beratungsleistung.
Das FG hatte für die Streitjahre 2008 und 2009 eine von § 3a Abs. 1 UStG abweichende Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 UStG (2005) abgelehnt. Der BFH folgt dieser Auffassung, jedoch sieht er eine Betriebsstätte, von der aus der Kläger sonstige Leistungen ausgeführt hat.
Der BFH führte aus:
Der Kläger hat nach den tatsächlichen Feststellungen des FG einschlägige Leistungen als beratender Volkswirt auf dem Gebiet der Wirtschaftsförderung erbracht.
Eine Verlagerung des Leistungsorts nach § 3a Abs. 3 UStG (2005) liegt nicht vor. Denn weder aus dem Vortrag der Beteiligten, dem übrigen Akteninhalt noch sonst ist ersichtlich, dass der Leistungsempfänger W i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG unternehmerisch tätig geworden ist, weshalb eine Ortsverlagerung nach § 3a Abs. 3 Sätze 1 und 2 UStG (2005) nicht in Betracht kommt. Der Leistungsort verlagert sich ebenso wenig nach § 3a Abs. 3 Satz 3 UStG (2005), da der Empfänger seinen Sitz nicht im Drittlandsgebiet hat.
Jedoch geht der BFH durch die Langzeitberatung von einer Betriebsstätte im Ausland aus und greift auf § 3a Abs. 2 Satz 2 UStG zurück. Der in dieser Vorschrift verwendete Begriff der Betriebsstätte stimmt mit dem vom bis in Art. 43 MwStSystRL a.F. verwendeten Begriff der festen Niederlassung überein (vgl. ).
Für die Annahme einer festen Niederlassung ist es notwendig, aber auch ausreichend, dass die für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen personellen Mittel und Betriebsmittel ständig vorhanden sind und diese Niederlassung damit einen gewissen Bestand hat (vgl. „ARO Lease“).
Die Entscheidung ist für Unternehmer mit Leistungen, die einen Auslandszusammenhang haben von besonderer Bedeutung. Sie zeigt u.a. zwei Problemkreise auf, die für die Praxis von Bedeutung sind. Der Kläger hatte Leistungen an deutsche Abnehmer erbracht, deren Leistungsort problematisch waren. War die Leistung in einer Betriebsstätte im Ausland erbracht oder war sie im Inland erbracht? Das Problem stellt sich insbesondere dann, wenn es sich um geistige Leistungen handelt (z.B. Beratungsleistungen). Diese können letztlich auch bei Vorhandensein einer ausländischen Betriebsstätte und deren Nutzung auch im Inland erbracht worden sein. Der BFH hatte hier ein schwerwiegende Wertungsfrage zu entscheiden, wo die Leistung erbracht worden war. Die Entscheidung fiel auf die ausländische Betriebsstätte.
Der zweite Problemkreis ist ebenfalls von praktischer Bedeutung. Wenn wie im Streitfall die Leistung im Ausland erbracht wurde, dann müsste sie ja dort versteuert worden sein. Dies hat weder das FG noch der BFH geprüft. Da es sich aber um ein Drittland handelte, war die Prüfung nicht erforderlich. Anders wäre aber m.E. zu entscheiden gewesen, wenn die Leistung in einem Mitgliedsstaat der EU erbracht worden wäre. Dann hätte m.E. geprüft werden müssen, ob auch eine Versteuerung im EU-Ausland gesichert ist, damit es nicht zu einem Missbrauch des Mehrwertsteuersystems kommt. Der EuGH hat in der Sache „Unitel“ ( „Unitel“) entschieden, dass eine Mehrwertsteuerbefreiung ausgeschlossen ist, wenn nicht feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass dem Umsatz ein „gegen das gemeinsame Mehrwertsteuersystem begangener Betrug anhaftet“. Dies führt m.E. auch zu der Prüfung, ob überhaupt eine Besteuerung in einem Mitgliedsstaat erfolgt und der Steuerpflichtige ggf. von einer fehlenden Besteuerung im Ausland wusste.
Quelle: , NWB Datenbank (JT)
Fundstelle(n):
JAAAH-55832