Zulässigkeit einer Anhörungsrüge
Leitsatz
1. NV: Gemäß § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO ist die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; auf den Zugang der Entscheidung kommt es insoweit nicht an.
2. NV: Da die Frage, wann der Rügeführer nach diesen Grundsätzen von der Verletzung des rechtlichen Gehörs Kenntnis erlangt hat, nur von ihm selbst beantwortet werden kann, hat ihm der Gesetzgeber in § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO aufgegeben, den Zeitpunkt der Kenntniserlangung glaubhaft zu machen.
3. NV: Einer Glaubhaftmachung gemäß § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO bedarf es nicht, wenn eine Anhörungsrüge innerhalb von zwei Wochen ab Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung erhoben wird.
Gesetze: FGO § 133a;
Gründe
1 Die Rüge gegen den Senatsbeschluss vom - VII B 167/18 ist als unzulässig zu verwerfen, da sie den Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 1 und des § 133a Abs. 2 Satz 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht entspricht (§ 133a Abs. 4 Satz 1 FGO).
2 1. Der Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Kläger) hat entgegen § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO nicht glaubhaft gemacht, wann er von der Verletzung des rechtlichen Gehörs Kenntnis erlangt hat. Umstände, welche die Glaubhaftmachung als entbehrlich erscheinen lassen, liegen nicht vor. Denn aus den Umständen ergibt sich nicht eindeutig, dass die Anhörungsrüge innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnisnahme erhoben wurde.
3 a) Gemäß § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO ist die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Auf den Zugang der Entscheidung kommt es nicht an. § 133a Abs. 2 Satz 3 FGO, der nur die Bekanntgabe, nicht aber die Kenntnisnahme betrifft, findet in diesem Zusammenhang keine Anwendung (vgl. etwa den , BFH/NV 2015, 508). Soweit der Senat früher anders entschieden hat (vgl. Senatsbeschluss vom - VII S 38/06, BFH/NV 2007, 264), hält er hieran nicht mehr fest. Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes ist allein die Kenntnisnahme entscheidend. Allerdings kann es der positiven Kenntnis gleichstehen, wenn der Betroffene sich dieser bewusst verschließt und eine gleichsam auf der Hand liegende Kenntnisnahmemöglichkeit, die jeder andere in seiner Lage wahrgenommen hätte, nicht wahrnimmt (vgl. Rüsken in Gosch, FGO § 133a Rz 44.2, m.w.N. zur obergerichtlichen Rechtsprechung).
4 Da die Frage, wann der Rügeführer nach diesen Grundsätzen von der Verletzung des rechtlichen Gehörs Kenntnis erlangt hat, nur von ihm selbst beantwortet werden kann, also in seine Sphäre bzw. seinen Wahrnehmungsbereich fällt, hat ihm der Gesetzgeber in § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO aufgegeben, den Zeitpunkt der Kenntniserlangung glaubhaft zu machen.
5 Eine Glaubhaftmachung kann z.B. durch eine anwaltliche Versicherung erfolgen, in der die konkreten Umstände substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden (vgl. hierzu etwa den , BFH/NV 2017, 47, Rz 10). Allerdings ist auch eine substantiierte und in sich schlüssige anwaltliche Versicherung —ebenso wie eine eidesstattliche Versicherung— nur dann uneingeschränkt zur Glaubhaftmachung eines Sachverhalts geeignet, wenn keine weiteren Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen oder wenn dargelegt wird, weshalb objektive Beweismittel nicht vorgelegt werden können (vgl. dazu , BVerfGE 41, 332; BFH-Beschlüsse vom - X B 154/08, nicht veröffentlicht, Rz 12, und vom - X R 42/01, BFH/NV 2002, 533).
6 b) Diesen Anforderungen, den Zeitpunkt der Kenntniserlangung gemäß § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO glaubhaft zu machen, genügt der Vortrag des Klägers nicht, da er den Zeitpunkt der Kenntniserlangung lediglich (unsubstantiiert) behauptet hat.
7 c) Eine Glaubhaftmachung gemäß § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO war im Streitfall auch nicht ausnahmsweise entbehrlich.
8 aa) Einer substantiierten Darstellung der näheren Umstände und einer Glaubhaftmachung bedarf es nicht, wenn eine Anhörungsrüge innerhalb von zwei Wochen ab Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung erhoben wird, die mündlich oder schriftlich erfolgen kann (vgl. z.B. § 104 FGO). Da eine Kenntnis vor Bekanntgabe nicht in Betracht kommt, steht in einem solchen Fall fest, dass die Zwei-Wochen-Frist des § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO gewahrt wurde, ohne dass es eines weiteren Vorbringens zum genauen Zeitpunkt der Kenntniserlangung gemäß § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO bedarf. § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO, der dem Wortlaut nach keine Ausnahme vorsieht, ist insoweit entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschrift einschränkend auszulegen.
9 bb) Im Streitfall wurde die Anhörungsrüge nicht innerhalb von zwei Wochen ab Bekanntgabe der Entscheidung, also spätestens am (Montag), erhoben, sondern erst am (Dienstag). Selbst wenn man also, wie dargestellt, § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschrift einschränkend auslegt, war eine Glaubhaftmachung der Kenntniserlangung gemäß § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO im Streitfall nicht entbehrlich.
10 Der Senatsbeschluss vom - VII B 167/18, gegen den sich die Anhörungsrüge richtet, wurde ausweislich der Akte formlos mitgeteilt. Gemäß § 133a Abs. 2 Satz 3 FGO gelten formlos mitgeteilte Entscheidungen mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Im Streitfall gilt hiernach der Senatsbeschluss, der ausweislich der Akte am abgesandt worden ist, am (einem Montag) als bekanntgegeben. § 133a Abs. 2 Satz 3 FGO enthält keine § 122 Abs. 2 Halbsatz 1 am Ende und Halbsatz 2 der Abgabenordnung entsprechende Regelung, wonach die Behörde bzw. das Gericht bei Bestreiten des Zugangs beweispflichtig ist. Das Bestreiten bzw. der Vortrag eines verspäteten Zugangs am (Freitag) sind somit unbeachtlich.
11 Die in § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO genannte Frist von zwei Wochen ab Bekanntgabe der Entscheidung (vgl. § 54 Abs. 1 FGO) endete gemäß § 54 Abs. 2 FGO, § 222 der Zivilprozessordnung und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Ablauf des (Montag).
12 2. Die Anhörungsrüge entspricht außerdem nicht den Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO.
13 a) Gemäß § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO muss in der Anhörungsrüge „dargelegt“ werden, dass die Voraussetzungen des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO vorliegen. Hierzu ist die schlüssige, substantiierte und nachvollziehbare Darstellung erforderlich, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen sich der Rügeführer nicht habe äußern können, welches entscheidungserhebliche Vorbringen des Rügeführers das Gericht unter Verstoß gegen § 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen habe und woraus der Rügeführer dies meint folgern zu können (Senatsbeschluss vom - VII S 28/08, BFH/NV 2009, 409; , BFH/NV 2011, 203).
14 b) Die Ausführungen des Klägers dazu, dass der Senat im Beschluss vom - VII B 167/18 entgegen der Aktenlage angenommen habe, der Kläger sei im Verwaltungsverfahren für die GbR aufgetreten, betreffen kein entscheidungserhebliches Vorbringen und treffen auch nicht zu. .
15 3. Selbst wenn die im Senatsbeschluss vom - VII B 167/18 vertretene Auffassung, dass der Kläger keine Klagebefugnis für einen etwaige Forderungen der GbR betreffenden Abrechnungsbescheid hatte, unzutreffend gewesen sein sollte (wovon der Senat nicht ausgeht), könnte der Kläger mit seinen die Richtigkeit der Senatsentscheidung bestreffenden Einwendungen im Rahmen des § 133a FGO nicht gehört werden. Die Anhörungsrüge dient nämlich nicht dazu, die Richtigkeit der zugrunde liegenden Entscheidungen zu überprüfen (Senatsbeschluss vom - VII S 26/15, BFH/NV 2016, 775; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 133a Rz 3).
16 4. Nach Nr. 6400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes entstehen für das Verfahren über die Rüge nach § 133a FGO Gerichtsgebühren in Höhe von 60 €, die der Kläger zu tragen hat.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2020:B.040520.VIIS39.19.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2020 S. 1080 Nr. 11
NAAAH-55219