BVerwG Beschluss v. - 1 WB 72/19

Kein Wiederaufgreifen des Verfahrens bei Rechtsprechungsänderung

Gesetze: § 6 Abs 1 WBO, § 7 Abs 1 WBO, § 7 Abs 2 WBO, § 51 Abs 1 Nr 1 VwVfG

Tatbestand

1Der Antrag betrifft die rückwirkende Zulassung des Antragstellers zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes.

2Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Mit Wirkung vom 11. Juni ... wurde er zum Stabsfeldwebel befördert. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit dem September ... enden.

3Mit Bescheid vom , dem Antragsteller ausgehändigt am , lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr den Antrag vom auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes ab. Dem Antragsteller fehle bezogen auf die besondere Altersgrenze eines Hauptmanns und Berufssoldaten die erforderliche Mindestrestdienstzeit von 15 Jahren.

4Auf einen erneuten Antrag auf Laufbahnwechsel vom wurde der Antragsteller mit Wirkung vom als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zugelassen. Die Entscheidung war ihm mit Bescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom eröffnet worden.

5Unter dem bat der Antragsteller unter Bezugnahme auf Parallelfälle um Prüfung auch seiner rückwirkenden Zulassung zum Laufbahnaufstieg für das Auswahljahr 2015. Dies lehnte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr mit Bescheid vom , dem Antragsteller am ausgehändigt, ab. Die Ablehnung der Zulassung durch Bescheid vom sei nach damaliger Rechtslage rechtmäßig gewesen, da erst mit einem Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom die allgemeine Altersgrenze als Bezugsgröße für die Restdienstzeit festgelegt worden sei. In den angeführten Parallelfällen hätten die Betroffenen anders als der Antragsteller gegen ablehnende Bescheide Rechtsmittel eingelegt.

6Am legte der Antragsteller gegen den Bescheid vom und den Bescheid vom Beschwerde ein, beantragte die Rücknahme dieser Bescheide und ein Wiederaufgreifen des Verfahrens sowie die umgehende Beförderung zum Leutnant und Schadlosstellung.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom führte er aus, er habe erst durch eine Anfrage beim Deutschen Bundeswehrverband e.V. am Kenntnis vom Beschluss des Senats vom - 1 WB 8.17 - erhalten, nach dem die Forderung nach einer Restdienstzeit von 15 Jahren rechtswidrig gewesen sei. Die Beschwerde sei nicht verfristet, da der Bescheid vom keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalte. Zudem bestehe wegen einer Änderung der Sach- und Rechtslage durch Außerkraftsetzung einer Erlassregelung ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens. Es liege auch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vor. Mit der Entscheidung vom - 1 WB 8.17 - habe das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung geändert, die zuvor von der Vereinbarkeit von Restdienstzeiten mit dem Vorbehalt des Gesetzes ausgegangen sei ( 1 WDS-VR 23.13 -). Hierin liege keine Fortentwicklung einer bestehenden Rechtsprechung, sondern die Abkehr von früheren Grundsätzen und eine neue Rechtsauffassung. Dass dies Berücksichtigung finden müsse, komme im Rechtsgedanken des § 48 Abs. 2 SGB X zum Ausdruck. Jedenfalls habe er einen Anspruch auf Rücknahme. Das Rücknahmeermessen sei auf Null reduziert, weil der Bestand der Ablehnung mit Art. 33 Abs. 2 GG unvereinbar und damit schlichthin unerträglich sei.

7Mit Schreiben vom , am beim Bundesministerium der Verteidigung eingegangen, hat der Antragsteller die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom dem Senat vorgelegt.

8Der Antragsteller macht geltend, die Beschwerde sei nicht verfristet. Für die Fristberechnung sei nicht die Kenntnis der angegriffenen Bescheide, sondern die Kenntnis des maßgeblich, von dem der Antragsteller erst nach einer Nachfrage beim Deutschen Bundeswehrverband e.V. erfahren habe. Als juristischem Laien sei ihm nicht zuzumuten, selbst die Rechtsprechungsentwicklung zu verfolgen und hieraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Der Bescheid vom sei in Unkenntnis des genannten Beschlusses ergangen und enthalte keinen Anhaltspunkt für generelle Änderungen der Erlasslage. Er biete daher keinen Anlass für die Annahme von Handlungsbedarf. Jedenfalls lägen Umstände im Sinne von § 7 Abs. 2 WBO vor. Davon unabhängig bestehe auch ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens aus § 51 VwVfG, der nicht im Ermessen des Dienstherrn stehe. Eine Änderung der Sachlage liege in der Änderung von Erlassen des Dienstherrn. Eine Änderung der Rechtslage folge aus dem . Die Entscheidung stelle nicht nur eine Änderung der Rechtsprechung dar, habe vielmehr das materielle Fachrecht geändert. Er habe nämlich das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage festgestellt und damit Handlungsbedarf für den Erlass eines materiell-rechtlichen Gesetzes ausgelöst. Auch die Voraussetzungen des § 48 VwVfG lägen vor. Der Bestand der auf seinen Fall angewandten früheren Rechtslage wäre hiernach schlichthin unerträglich. Die Rücknahme des Ablehnungsbescheides verpflichte zu der sinngemäß beantragten Neubescheidung.

9Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung der Bescheide vom sowie das Bundesministerium der Verteidigung zu verpflichten, ihn mit Wirkung zum zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zuzulassen.

10Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

11Die Beschwerde des Antragstellers vom sei verfristet. Hinsichtlich beider mit ihr angegriffener Bescheide sei die Monatsfrist längst abgelaufen gewesen. Als truppendienstliche Erstmaßnahmen hätten die Bescheide keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedurft. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG. Von der durch Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung geänderten Erlasslage habe der Antragsteller mit Aushändigung des Bescheides vom Kenntnis gehabt, sodass der Antrag auf Wiederaufgreifen die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG nicht wahre. Wenn man im eine Änderung der Rechtslage sehe, sei der Antrag ebenfalls verfristet, denn hierfür komme es auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme an, die mit der Veröffentlichung des Beschlusses auf der Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts am bestanden habe. Zudem ändere der Beschluss nicht die Rechtslage, sondern entscheide in einem Einzelfall mit Wirkung unter den Beteiligten. Nach dem Beschluss sei eine Rechtsdienstzeit sogar grundsätzlich zulässig, sodass der Bestand des Ablehnungsbescheides auch nicht schlechthin unerträglich sei. Auf Folgerungen aus dem Beschluss könne sich nur berufen, wer fristgerecht Beschwerde eingelegt habe. Das Wiederaufgreifen liege im pflichtgemäßen Interesse des Dienstherrn. Hier sei der Rechtssicherheit Vorrang eingeräumt worden, da das Wiederaufgreifen die Neubewertung einer Vielzahl bestandskräftiger Entscheidungen bedeute. Der Antragsteller habe auch keinen Anspruch auf eine Rücknahme nach § 48 VwVfG. Mit einer bloßen Rücknahme könne der Antragsteller das Ziel einer rückwirkenden Laufbahnzulassung zudem nicht erreichen.

12Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Gründe

13Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

141. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist er zulässig als Untätigkeitsantrag gestellt worden, weil das Bundesministerium der Verteidigung über die Beschwerde des Antragstellers nicht innerhalb eines Monats entschieden hat (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 WBO).

15Der Antragsteller ist auch antragsbefugt. Er kann wegen seines Antrages auf Zulassung zum Aufstieg in eine höhere Laufbahn eine mögliche Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruches aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG geltend machen. Zudem kann er auch geltend machen, möglicherweise einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen entsprechenden Antrag zu haben.

16Seiner Zulassung steht nicht entgegen, dass der maßgebliche Zulassungstermin bereits verstrichen ist. Der Rechtsstreit hat sich hierdurch nicht in der Hauptsache erledigt, weil eine rückwirkende Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes rechtlich zulässig ist und nach der Praxis des Bundesministeriums der Verteidigung aufgrund einer Ausnahmegenehmigung noch erfolgen könnte, wenn der Zulassungsantrag in der Sache erfolgreich wäre ( 1 WB 8.17 - Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002 Nr. 6 Rn. 14 m.w.N.).

172. Der Antrag ist aber unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf rückwirkende Zulassung zum Laufbahnaufstieg zum . Der Ablehnungsbescheid vom ist bestandskräftig und der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens.

18a) Sein ursprünglicher Antrag vom ist mit Bescheid vom bestandskräftig abgelehnt worden. Die Beschwerde vom hiergegen ist verfristet.

19Nach § 6 Abs. 1 WBO darf die Beschwerde frühestens nach Ablauf einer Nacht und muss innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Kenntnis vom Beschwerdeanlass hat ein Soldat, wenn ihm die Umstände bekannt sind, aus denen sich die von ihm empfundene Beeinträchtigung ergibt ( 1 WB 61.13 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 91 Rn. 32 m.w.N.).

20Kenntnis vom Beschwerdeanlass hatte der Antragsteller durch die Aushändigung des Bescheides am . Nach dessen Durchsicht wusste er um die Ablehnung seines Antrages und die Beeinträchtigung des von ihm mit der Antragstellung geltend gemachten Rechts. Er hatte damit Anlass, Beschwerde einzulegen. Kenntnis vom Beschwerdeanlass liegt nicht erst dann vor, wenn der Beschwerdeführer weiß, dass seine Beschwerde jedenfalls im gerichtlichen Antragsverfahren Erfolg haben wird. Es kommt daher nicht darauf an, ob und wann er einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem von ihm geltend gemachten Anspruch zur Kenntnis nimmt.

21Der Fristablauf wurde nicht durch Umstände gehemmt, die im Sinne von § 7 WBO als unabwendbarer Zufall zu werten sind.

22Es liegt kein Fall des § 7 Abs. 2 WBO vor. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr bedurfte als truppendienstliche Erstmaßnahme, gegen die nicht unmittelbar der Antrag auf gerichtliche Entscheidung eröffnet ist, keiner Rechtsbehelfsbelehrung, weil die Regelungen über die Beschwerdeeinlegung als jedem Soldaten bekannt vorausgesetzt werden können (BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WDS-VR 1.15 - Rn. 39 m.w.N., vom - 1 WB 27.17 - juris Rn. 22 und vom - 1 WB 16.19 - juris Rn. 22).

23Ein unabwendbarer Zufall im Sinne des § 7 Abs. 1 WBO liegt auch nicht in dem Umstand, dass der Soldat die Rechtswidrigkeit des Bescheids nicht erkennen konnte, weil der Senat erst mit Beschluss vom über die Zulässigkeit der Festsetzung einer mehrjährigen Restdienstzeit als Voraussetzung für den Laufbahnaufstieg in einer Verwaltungsvorschrift entschieden hat. Mangelnde Rechtskenntnisse sind keine unabwendbaren Zufälle (Dau/Scheuren, 7. Aufl. 2020, WBO § 7 Rn. 12 m.w.N.). Es ist einem Soldaten zumutbar, sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrages auch dann zu wehren, wenn höchstrichterliche Rechtsprechung, deren Anwendung seinen Rechtsbehelf erfolgreich macht, noch nicht besteht oder ihm noch nicht bekannt ist. Im Übrigen kam es im Fall des Antragstellers auf die Rechtsprechungsänderung nicht an, weil er bereits aufgrund eines Einwandes gegen die Berechnung der Restdienstzeit hätte Erfolg haben können.

24Die Monatsfrist für die Einlegung der Beschwerde endete demgemäß mit Ablauf des (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Diese Frist ist mit der am abgefassten und am selben Tag beim Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers eingegangenen Beschwerde nicht gewahrt.

25Ein Fristmangel ist auch nicht deswegen unbeachtlich, weil die Beschwerdestelle dessen ungeachtet in der Sache entschieden hätte ( 1 WB 40.18 - Rn. 12), da das Bundesministerium der Verteidigung sich ausdrücklich auf die Verfristung der Beschwerde beruft und in eine erneute Sachprüfung nicht eingetreten ist.

26b) Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens. Der den entsprechenden Antrag ablehnende Bescheid vom ist formell und materiell rechtmäßig.

27aa) Truppendienstliche Maßnahmen können nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 48-51 VwVfG auch dann aufgehoben werden, wenn sie nach den Regelungen über die Frist zur Ausübung des Beschwerderechts (§§ 6 und 7 WBO) unanfechtbar und damit bestandskräftig geworden sind. Diese Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind auf truppendienstliche Maßnahmen entsprechend anwendbar (BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 22.11 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 82 Rn. 18 m.w.N. und vom - 1 WB 42.16 - juris Rn. 24).

28Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG liegen jedoch nicht vor. Die der Beurteilung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage hat sich nicht nachträglich zugunsten des Antragstellers geändert (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG).

29Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers hat der Beschluss des Senats vom - 1 WB 8.17 - keine Änderung der Rechtslage bewirkt.

Richterliche Rechtsanwendung und Rechtserkenntnis sind mit einer Änderung des maßgeblichen materiellen Rechts und damit der Rechtslage nicht verbunden. Auch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ändert jedenfalls grundsätzlich die Rechtslage nicht (BVerwG, Beschlüsse vom - 8 B 89.80 und 93.80 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 9 S. 1, vom - 9 B 241.92 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 29 S. 15 sowie Urteil vom - 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 <89>). Etwas anderes mag in Betracht kommen, wenn eine geänderte Rechtsprechung Ausdruck einer neuen allgemeinen Rechtsauffassung ist ( 1 WB 22.11 - Buchholz 450.1 § 17 WBO Nr. 82 Rn. 19). Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich hier allerdings nicht. Zum einen liegt keine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Festsetzung von Restdienstzeiten durch Verwaltungsvorschriften vor. Der Beschluss gibt keine vorherige anderslautende Rechtsprechung auf. Zum anderen ist er auch nicht Ausdruck einer neuen allgemeinen Rechtsauffassung. Denn er wendet - wie er auch ausdrücklich unter Verweis auf Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts anführt - den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfestigten Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, der auch bislang bereits Grundlage ständiger Rechtsprechung des Senats gewesen ist, auf die Frage nach der Zulässigkeit einer Regelung durch Verwaltungsvorschriften an.

30Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 48 Abs. 2 SGB X. Denn der Anwendungsbereich dieser Norm ist nicht eröffnet. Als Ausnahmevorschrift ist sie einer Analogie nicht zugänglich.

31Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass sich nach Erlass des Erstbescheides und in der Folge der Gerichtsentscheidung Verwaltungspraxis und Verwaltungsvorschriften änderten: Die Änderung einer behördlichen Verwaltungspraxis und der ihr zugrundeliegenden Verwaltungsvorschriften stellt keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 VwVfG dar ( 9 B 241.92 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 29 S. 16 m.w.N.).

32bb) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass das Ermessen des zuständigen Vorgesetzten, ob er die Sache erneut aufgreifen soll, auf Null reduziert wäre. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass nach den besonderen Umständen des konkreten Falles die Aufrechterhaltung der bestandskräftigen Entscheidung schlechthin unerträglich wäre ( 1 WB 12.04 - Buchholz 402.8 § 17 SÜG Nr. 2 m.w.N.).

33Dass der Antragsteller durch die Verzögerung der Zulassung zum Laufbahnaufstieg unzumutbare finanzielle oder berufliche Nachteile erlitten hätte, macht er weder substantiiert geltend noch ist dies ersichtlich. Zudem war es ihm möglich und auch zumutbar, gegen den ablehnenden Bescheid vom Rechtsmittel einzulegen. Er nimmt selbst Parallelfälle von Kameraden in Bezug, die durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs und die Verhinderung der Bestandskraft der Ablehnung eine rückwirkende Zulassung erreicht haben. Gleichbehandlung mit diesen kann er daher aufgrund der wesentlich anders gelagerten Sachverhalte nicht verlangen.

34c) Soweit der Antragsteller einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hatte, ist dieser durch den angegriffenen Bescheid erfüllt. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, dem öffentlichen Interesse am Erhalt der Bestandskraft Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers an ihrer Durchbrechung zu geben, wenn der Antragsteller - wie hier - eine zumutbare Möglichkeit gehabt hatte, den Eintritt der Bestandskraft durch ein Rechtsmittel zu verhindern.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2020:250620B1WB72.19.0

Fundstelle(n):
VAAAH-55050